Historische mitteleuropäische Klimaverhältnisse

Klaus A.E. Weber

 

Klimaabhängiges Eichenringwachstum │ Solling

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

In der Historischen Klimatologie ist der mitteleuropäische Klimagang durch die Veränderlichkeit in den letzten 1200 Jahren charakterisiert.

Nachzuweisen sind deutliche Veränderungen der Jahresmitteltemperatur von bis zu 2,5°C, mit schnellen Temperaturstürzen und markanten Erwärmungsphasen, verbunden mit einer Jahresniederschlagssumme von bis zu 150 mm.[5]

Zusammengefasst lassen sich nach dem Geografen GLASER [5] folgende vier mittelfristigen Phasen des Klimaverlaufs in Mitteleuropa unterscheiden:

 

Phase (1) nach GLASER

1200-1350 │ markante Wärmeperiode │ "Mittelalterliches Wärmeoptimum"

Es besteht „eine besonders markante Wärmeper spätmittelalterlichen Wärmeoptimum iode von 1200 bis 1350, die man mit dem sogenannten spätmittelalterlichen Wärmeoptimum bezeichnen könnte“.

Weiter gilt, „dass die gesamte Periode von schnellen Temperaturstürzen und –anstiegen geprägt war.

Besonders ausgeprägt war dieses Muster im 14. Jahrhundert, „in dem es innerhalb weniger Jahrzehnte gleich mehrfach auftrat“ – wie heiße Sommer und kalte bis strenge Winter.

Etwa um 1340 kam es zu einer extrem schlechten Wetterlage, einhergehend mit elementaren Naturereignissen.

Die zunehmende Erwärmung hatte kulturelle Konsequenzen.

Wie GLASER [7] darlegt, ging die „stürmisch zu nennende Bevölkerungszunahme in Europa“ einher „mit einem Anstieg von 46 Millionen um 1050 auf etwa 73 Millionen um das Jahr 1300“.

Es kam zu „einer bis dahin nie gekannten agrarkulturellen Erschließung und Expansion“ und „zu mit den geringsten je in Mitteleuropa bilanzierten Waldanteilen, verbunden mit starken Bodenverlagerungsprozessen“.

Die Zeit der Stadtgründungen war das Hochmittelaltermit einer vehementen Bautätigkeit mit vielen neuen Burgen-, Schloss- sowie Kirchenbauten und Klosteranlagen“.

Bei den günstigen Temperaturen entstand der neue Baustil der Gotik mit ihren großen Fenstern.

Etwa um 1340 kam es zu einer extrem schlechten Wetterlage, einhergehend mit elementaren Naturereignissen.

So führen starke Niederschläge am 22. Juli 1342 zur Jahrtausendflut, dem hydrologischen „Gau“[6].

In weiten Teilen Mitteleuropas entfaltete sich die schwerste bis heute bekannte Hochwasserkatastrophe, das Magdalenenhochwasser.

 

Phase (2) nach GLASER

bis 1550 │ Übergangsperiode

Hier handelt es sich um „eine Übergangsperiode mit einer zunehmenden Temperaturverschlechterung bis 1550 in der Größenordnung von rund 1° C“.

Es treten insgesamt schnellere und vor allem kürzere Umschläge auf.

Die Vegetationsperiode verkürzte sich um etwa 14 Tage, was zu agrarwirtschaftlichen Verschlechterungen führte, einhergehend „mit häufigeren Missernten, Frostschäden und Ernteausfällen“.

- 1540 Rekordhitze

 

Phase (3) nach GLASER

1550-1850 │ „Kleine Eiszeit“

Die so genannte Kleine Eiszeit zwischen 1550 und 1850 zeigt eine „weitere signifikante Abweichung zur ‚kühlen Seite‘ in der Größenordnung gegenüber heute um bis zu – 1,5° C“.

Die in der Phase (2) beschriebenen agrarwirtschaftlichen Bedingungen verschärften sich weiter.

Ab 1750 zeigte sich eine „hohe Veränderlichkeit von Jahr zu Jahr, d. h., kalte und warme Jahre folgen oft unmittelbar aufeinander“.[3]

Zwischen 1700 und 1800 bestand eine markante Erwärmung von rund 1° C, wobei der Temperaturverlauf mit großer Temperaturspanne zwischen 1800 und 1900 „drei markante Zyklen eines Temperaturrückganges und einer nachfolgenden Wiedererwärmung in der Größenordnung von bis zu einem Grad“ aufweist.

Um 1800 ist eine kurze wie rasche Erwärmung zu verzeichnen.

- 1708/1709 und 1739/1740 extremste Kälte in den Wintermonaten

- 1816 „Jahr ohne Sommer“

 

Phase (4) nach GLASER

ab 1900“

Ab 1900 besteht das moderne Wärmeoptimum.

 

Klimawandel und Wetterveränderungen

Veränderungen des Wetters zeichneten sich bereits im 13. Jahrhundert ab.

Beginnend mit Anfang des 15. Jahrhunderts mit einem Kernzeitraum vom Ende des 16. Jahrhunderts bis in das letzte Drittel des 17. Jahrhunderts bestand eine "Kleine Eiszeit" - die Phase (3) nach GLASER - mit regional wie zeitlich unterschiedlich stark ausgeprägtem kühlem Klima, welches sich auch nachteilig auf die mittelalterliche Glasherstellung ausgewirkt haben dürfte.

Im 14. Jahrhundert lag der bedeutendste historische Einschnitt durch den "Schwarzen Tod“ als es 1347/1348–1352 zu einer explosionsartigen Pest-Pandemie mit extrem hoher Mortalität über ganz Europa gekommen war - deren apokalyptische Dimension mentale Auswirkungen nach sich zog.

Die seit 1346 bestehenden extrem feucht-kalten Sommermonate in Verbindung mit der einsetzenden "Kleinen Eiszeit" könnten die Pest-Ausbreitung begünstigt haben.

Im Solling war spätestens im frühen 14. Jahrhundert der Zenit der kulturlandschaftlichen Entwicklung erreicht, wenn nicht bereits überschritten - mit der Folge einer Verödung im Verlauf des 14. Jahrhunderts.[2]

Die meisten mittelalterlichen Wüstungen mit Veränderung des ländlichen Siedlungsbildes ereigneten sich im Zeitraum Mitte des 14. bis Ende des 15. Jahrhunderts.[4]

Nach BERGMANN [1] verwaldete in Mittelgebirgsräumen das Kulturland zahlreicher Siedlungen als Folge der nach der Mitte des 14. Jahrhunderts einsetzenden Hauptwüstungsphase.

Für den Zeitraum vom 14. bis zum 16. Jahrhundert können für das Umfeld des Hellentals keine Waldglashüttenplätze nachgewiesen werden.

 

Ausschnitt der "Landtafel" │ Amt Fürstenberg 1574

 

Wie die von Gottfried Mascop angefertigte, älteste Karte des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel mit frühesten Visualisierungen des Braunschweiger Landes aus dem Jahr 1574 erkennen lässt, ist das Hellental - "De Heldaell" - im späten 16. Jahrhundert völlig (wieder-)bewaldet und ohne agrarische Nutzfläche bzw. Siedlungsspur dargestellt.[3]

 

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[1] BERGMANN 2008, S. 27.

[2] STEPHAN 2010, S. 73, 92.

[3] OHAINSKI/REITEMEIER 2012, Tafel 6 Amt Fürstenberg, S. 186-187 / Tafel  28 Amt Wickensen, S. 230-231.

[4] STREICH 1996, S. 29-30.

[5] GLASER 2008, S. 202, 249.

[6] GLASER 2008, S. 230-231.

[7] GLASER 2008, S. 59.