Nova Corbeia │ ab 822
Klaus A.E. Weber
Abteikirche Corvey │ 9. Jahrhundert
Modell im Museum.Welterbe Corvey
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Klosterneugründung als Nova Corbeia an der Weser
Abt Adalhard und sein Bruder Wala [28], der unter Karl dem Großen Sachsen verwaltete und dann Mönch von Corbie war, „erwirkten beim Kaiser die Schenkung eines geeigneten Platzes auf dem Gelände bei der villa Huxari am linken Weserufer“.[29][34]
Das mit Unterstützung sächsischer Adelskreise flussaufwärts an die Weser verlegte Benediktinerkloster wurde dann im Jahr 822 gegründet.
Ein der Lage des Mutterklosters an der Somme ähnlicher Platz im Weserbogen lag in unmittelbarer Nähe zu dem Landgut "villa Huxori" ("Huexori", "Hucsori", "Huxori"), dem späteren Höxter.
Bereits um 800 bestand als würzburgische Missionszelle an der Weserfurt die Furtsiedlung und spätere Fernhandels-/Marktsiedlung, erstmals 822 im Kontext seiner Übertragung durch Kaiser Ludwig dem Frommen an das Benediktinerkloster Corvey erwähnt.[1]
Denn durch die "marka Huxori" führte bis zur Weserbrücke die bedeutende westfälische Fernhandelsroute, der mittelalterliche Hellweg - "der den Niederrhein im Westen mit dem Harzraum im Osten verband und der hier die Weser querte, der Bremer bzw. Frankfurter Straße in Nord-Süd-Richtung und dem Weserstrom."[13]
Aus dem Exil zurückgekehrt, war Adalhard der Ältere ab 821 wieder Abt der fränkischen Benediktinerabtei Corbie an der Somme und in Personalunion 822-826 Abt von Corvey an der Weser.[9][12][18]
Im Andenken an das nordfranzösische Mutterkloster Corbie (Département Somme) nannte er den Klosterort Nova Corbeia, Neu-Corbie.
Nach der Auffassung von SAGEBIEL [14] wurden die Abteikirche wie auch das Westwerk in dem hochwasserbedrohten Gebiet an der Weser „ohne Zweifel von westfränkischen Fachleuten errichtet, und man darf diese Bauleute wohl mit einiger Sicherheit unter den Benediktinerbrüdern des Mutterklosters Corbie suchen.“
Obgleich die Klostergebäude noch nicht vollendet waren, zog der Konvent am 06. August 822 von Hethis an den Weserbogen und "nahm das neue Klostergelände nach kirchlichem Ritus in Besitz".[25]
Die Klosterbaustelle mit dem Altar wurde am 25. August 822 von dem zuständigen Paderborner Bischof Badurad (vor 785-862) geweiht sowie mit dem Errichten der Gebäude begonnen und der Name (nova) Corbeia gegeben.
Am 26. September übersiedelte der Konvent endgültig von Hethis nach dem Standort Neu-Corbie.
Blick auf das karolingische Westwerk
Mai 2024
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Klostergeschichte mit Höhen und Tiefen
Das karolingische Jahrhundert gilt als das goldene Zeitalter der Corveyer Klostergeschichte.[26]
Als erste Stätte des Benediktinerordens im Weserraum war Corvey das älteste und bedeutendste Reichskloster im frühmittelalterlichen Sachsen und blieb in dieser Region mehr als 100 Jahre lang das einzige Kloster.
822-844
Karolingischer Gründungsbau mit Scheitelkapelle im Osten
823-836
Am 27. Juli 823 bestätigte Ludwig der Fromme beim Reichstag zu Ingelheim die Gründung der Abtei - in zwei Urkunden die Schenkung des königlichen Landgutes „villa Huxori" mit Salinenanteilen an das Corveyer Benediktinerkloster.
"Die königliche Villa Huxori schenkte er mit allen Äckern, Wäldern und Gewässern auf ewig dem Kloster zum Eigentum, und zugleich bestätigte die Stiftungen, die bereits durch edle Sachsen dem Kloster gemacht waren.“[21]
Zudem nahm er am 27. Juli 823 das Kloster unter seinen unmittelbaren kaiserlichen Schutz, gab ihm die Rechte und Privilegien der fränkischen Kirche, wie eigene Gerichtsbarkeit und die Befreiung von allen Abgaben wie vom Heerbann.
In der Urkunde erwähnte Ludwig der Fromme ausdrücklich die Stiftung des Klosters zur Festigung des Christentums unter den Sachsen.
Am 08. August 823 verlieh Ludwig der Fromme den Corveyer Mönchen freie Abtswahl.
Im Jahr 833 erteilte der Kaiser dem Kloster das Markt- und Münzprivileg.[2]
Neben den Stiftungsprivilegien erhielt das Kloster aus der kaiserlichen Pfalzkapelle in Aachen Reliquien des Schutzheiligen Stephanus.
Im Jahr 836 wurden die Reliquien des Heiligen Vitus als Schenkung des Abtes Hilduin von Saint-Denis nach Corvey überführt.
Die früh gegründete Klosterschule wurde von dem Benediktinermönch Ansgar (801-865) geleitet, der sich unter den neu angekommenen Mönchen des Mutterklosters Corbie befand und zum "Apostel des Nordens" und der erste von dem Corveyer Kloster ausgegangenern Missionare und Bischöfe wurde..
Im Rahmen der Corveyer Christianisierungsarbeit war Ansgar im Jahr 826 beauftragt worden, in den nordischen Ländern das Evangelium zu predigen.
873
Abt Adelgar (Abbatiat 856-877) erwirkte am 15. Oktober 873 von Papst Hadrian II. ein Privileg, „das Corvey dem Schutz des Heiligen Stuhles unterstellte“; es gilt als „das erste bekannte Papstprivileg für einen sächsischen Empfänger“.[16]
Das königsnahe Kloster wurde als Reichsabtei privilegiert und unterstand seit 981 dem den Heiligen Stuhl (Exemption).
"Die Exemtion in Bezug auf die Diözesanrechte führte zum Konflikt mit dem betroffenen Paderborner Bischof, der außerordentlich große Umfang an Zehntrechten zum Konflikt vor allem mit dem Osnabrücker Bischof.“[8]
Es sollten in der Folgezeit der Reichsabtei Corvey zahlreiche weitere Benediktiner*innen-Klöster folgen.[4]
Nach STEPHAN [5] kam ihm als geistlichem, politischem und ökonomischem Zentrum für das Weserbergland im 9.-12. Jahrhundert eine herausragende Bedeutung zu.
"Aufgrund umfangreicher Schenkungen entwickelte sich Corvey im frühen und hohen Mittelalter zum größten Grundbesitzer in Norddeutschland."[8]
Während des 9. und 10. Jahrhunderts das ökonomisch gestärkte Corvey umfangreiche Außenbesitzungen erlangt, die "die Grundlage für eine wirksame innere Missionierung Norddeutschlands" bildete, steuerte es seit dem 11. Jahrhundert auf seinen allmählichen Verfall zu.[12]
Die Reichsabtei erlebte ihre „letzten großen monastischen Blütezeiten als kirchliches Reformzentrum und zeitweise auch als wichtiger Stützpunkt des Königtums um 1080–1160“ - mit einer Zerstörung des Klosterbezirks im Jahr 1103.[6]
Die Reichsabtei beherbergte eine namhafte Klosterschule und eine hervorragende Bibliothek, was sie im Mittelalter zu einer der bedeutenden Vermittler christlicher Kultur werden ließ.
Reliquienbüste des Heiligen Ansgar
1. Drittel 18. Jahrhundert
Museum.Welterbe Corvey
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Die früh gegründete Klosterschule wurde von dem Benediktinermönch Ansgar (801-865) geleitet, der sich unter den neu angekommenen Mönchen des Mutterklosters Corbie befand und zum "Apostel des Nordens" und der erste von dem Corveyer Kloster ausgegangenern Missionare und Bischöfe wurde..
Im Rahmen der Corveyer Christianisierungsarbeit war Ansgar im Jahr 826 beauftragt worden, in den nordischen Ländern das Evangelium zu predigen.
Das Corveyer Traditionsbuch
Die ältesten urkundlichen Aufzeichnungen des Klosters, in denen seit 822 die Tradtionen und Güterübereignungen festgehalten wurden, sind die so genannten Corveyer Traditionen (Traditiones Corbeienses).[10][33]
In dem quasi Schenkungsregister zeichneten Corveyer Mönche auf Pergamentrollen auf, „welche Besitzungen dem Kloster zwischen 822 und 1037 von überwiegend sächsischen Adeligen übertragen wurden“ … auch „als Ausdruck der Christianisierung, die in Sachsen mit den Kriegszügen Karls des Grüßen zwischen 772 und 804 durchgesetzt wurde“.[7]
Memorialbuch des Klosters Corvey
Die reich illustrierte, gebundene Pergamenthandschrift „Liber memorialis Corbeiensis“ von 822 bis 1146/1147, mit einer Fortsetzung von 1164 bis 1200, entstand in den Jahren 1154-1200 (1158-1160) im nahegelegenen Kloster Helmarshausen vom Malermönch Hermann.
Das „Fraternitätsbuch“ umfasst ein Abtsverzeichnis und eine Mönchsliste für das Kloster Corvey.
Hierzu wird auf den Aufsatz von SCHMID [3] verwiesen.
1146-1158
Für die Klosteranlage sind Renovierungen, Neu- und Umbauten um 1150 gesichert.[6]
In den Jahren 1146-1158 erfolgte unter Abt Wibald von Stablo ein Umbau des Westwerks von der Dreiturm- zur Zweiturmfassade.
1265
Das Corveyer Kloster wird 1265 überfallen, wobei das nahe gelegene Kloster "tom Roden" möglicherweise in Mitleidenschaft gezogen wurde.[38]
1505
In der „Bursfelder Kongregation“ schließen sich Benediktinerklöster zusammen, wobei die bedeutendste monastische Reformbewegungen im Mittelalter entsteht.
Um den drohenden weiteren Verfall des Klosters abzuwehren, wurde mit der Urkunde vom 20. April 1505 die Corveyer Abtei Mitglied der Bursfelder Kongregation, „nachdem sich die Verhandlungen über ihre Aufnahme in die Union annähernd 20 Jahre hingezogen hatten“.[37]
17. Jahrhundert
Verstärkt seit den 1630er Jahren wurde das Kloster während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) wiederholt überfallen, geplündert und verwüstet [27]:
-
die Abteikirche war eine Ruine
-
der kostbare Kirchenschatz wurde geplündert
-
die Vitus-Reliquien wurden 1634 beim Sturm auf Höxter geraubt
- die Abteigebäude waren unbewohnbar geworden.
Die von Abt Arnold IV. von Valdois (Abbatiat 1638-1661) [30] im Jahr 1641 veranlasste Bestandsaufnahme „zeigt mit erschütternder Deutlichkeit das Ausmaß der Kriegsschäden, die Corvey bei mehrfacher Plünderung und Brandschatzung besonders in den Jahren 1631/34 erlitten hatte.
Kirche, Kloster und Wirtschaftsgebäude waren schwer beschädigt, Kunstschätze und Mobiliar großenteils geraubt oder zerstört, Archiv und Bibliothek praktisch vernichtet; von den ehemals reichen Viehbeständen hatte Abt Arnold bei seinem Regierungsantritt 1638 nur noch ein Rind und ein Schwein vorgefunden.“[31]
Das um 1596 renovierte Westwerk war aber relativ gut erhalten und der Johannes-Chor im Obergeschoss wurde bis 1674 als vorläufige Klosterkirche genutzt.[31]
Nach 1648 erlaubte die katastrophale Wirtschaftslage keinen raschen Wiederaufbau der weitgehend zerstörten Klosteranlage.
Wenige Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde 1685 im Fürstentum Corvey ein Hexenprozess gegen das Mädchen Anna Maria Elisabeth Wiegandt geführt, dokumentieert von Friedrich Schlegel.[11]
1792-1794
Nach den 1787 begonnenen Säkularisationsverhandlungen wurde am 23. April 1792 die altehrwürdige Abtei Corvey nicht widerspruchsfrei in ein Bistum umgewandelt.
Der seit Juli 1776 als Abt fungierende Theodor II. von Brabeck [24] wurde am 18. Juni 1792 zum ersten Fürstbischof von Corvey präkonisiert und kurz darauf am 01. Juni in Hildesheim zum Bischof geweiht und feierlich konsekriert.
Aber erst am 19. Februar 1794 wurde die Umwandlung in ein Domkapitel wirksam und das neue Corveyer Bistum Teil der Mainzer Kirchenprovinz geworden.
Die kaiserliche Bestätigung war erst im Januar 1794 erfolgt und vom 18.-20. Februar 1794 die päpstliche Errichtungsbulle vollzogen.
1803/1821
Das Fürstentum Corvey wird im Jahr 1803 säkularisiert und das Bistum 1821 aufgehoben.
Barocke Äbtegalerie │ ab 1714
ehemals Wohntrakt des Konvents
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
KURTE [3] beschreibt die Biografien der
-
Äbte der frühen Zeit │ 1. - 32. Abt │ 822 - 1216
-
Fürstäbte │ 33. - 65. Abt │ 1216 - 1776
- Fürstbischöfe │ Epoche des Bistums Corvey │ 1776 - 1803
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[1] PISCHKE 2000, S. 41.
[2] HUMBURG/SCHWEEN 2000. Katalog Nr. 94, S. 375.
[3] SCHMID 1970, S. 30-61.
[4] NORDRHEIN-WESTFALEN 1967a, S. 226-228.
[5] STEPHAN 2022b, S. 56; STEPHAN 2017a.
[6] STEPHAN/MYSZKA/WILKE 2018, S. 326.
[7] PISCHKE 2023, S. 84.
[8] KOCH 2023, S. 113.
[9] KURTE 2017, S. 28-32.
[10] HONSELMANN 1970, S. 73-74.
[11] SCHREGEL 1995.
[12] BRÜNING/HENZE 1991, S. 6.
[13] KOCH 2023b, S. 4.
[14] SAGEBIEL 1973, S. 9.
[16] KURTE 2017, S. 41-43.
[18] HAASE 1922, S. 154-158.
[21] HAASE 1922, S. 17-18.
[24] KURTE 2017, S. 248-251.
[25] STÜWER 1967, S. 6.
[26] STÜWER 1967, S. 9.
[27] STÜWER 1967, S. 14.
[28] KURTE 2017, S. 33-36.
[29] BUSEN 1967, S. 14.
[30] KURTE 2017, S. 211-215.
[31] REUTER 1967, S. 77.
[33] HONSELMANN 1967, S. 161.
[34] THÜMMLER 1967, S. 166-167.
[37] MIKAT 1967, S. 235-236.
[38] KOCH/KÖNIG/STREICH 2015, S. 49.