kolonial - Nahrungs- und Luxuskonsumgüter
Klaus A.E. Weber
Kolonialhandel - Plünderung und brutale Ausbeutung
Durch Fernhandelsimporte überseeischer Nahrungs- und Genussmittel durch europäische Kolonialmächte vollzieht sich eine grundlegende - teils langsame, teils rasante - Veränderung der traditionellen Alltagskultur und Ernährungsgewohnheiten.
In der Folge wandelt sich in allen sozialen Schichten das Nahrungsspektrum und das Speisegefüge, wie auch die Konservierung und Vorratshaltung von Nahrungsmitteln.
Vor etwa 300 Jahren etablieren sich drei bisher unbekannte, exotische Heißgetränke in Norddeutschland:
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Kaffee
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Tee
- Kakao (Schokolade).
Mit Zucker gesüßter Kaffee und Tee verändert insbesondere auf dem Land die Nebenmahlzeiten.
Die Ausstellung „Die heißen 3 – Kaffee, Tee und Schokolade in Norddeutschland“ 2020/2011 wie auch das Begleitbuch zur Ausstellung [6] führten eindrücklich vor Augen, wie die kolonial profitabel angelegte Kultivierung von Kaffee, Tee und Kakao/Schokolade mit Begegnungen zu fremden Kulturen die Welt mit nachteiligen ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen veränderten, aber auch nachhaltig intensiv kulturgeschichtlich und kunstgewerblich die Alltagskultur beeinflussten.
Hierzu führte SCHWARK [1] in seinem Vorwort 2010 aus:
„Freilich weniger spektakulär als die politischen Umwälzungen seiner Zeit – doch nicht eben folgenlos für das Leben der Menschen – war die allmähliche Verbreitung von Kaffee, Tee und Kakao in Kreisen des Adels und des wohlhabenden Bürgertums.
Noch waren es Luxusgetränke, aufwendig auf dem Seeweg zu beschaffen, Symbole der Zugehörigkeit zu hohen und höchsten gesellschaftlichen Kreisen.
Und mit diesen Getränken waren es die Behältnisse, Trinkgefäße, Bestecke und Gerätschaften, die den Luxus des Genusses erst perfekt machten.“
Die Kultivierung der Kaffeebohne veränderte die Welt mit nachteiligen ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen.
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Rohe und geröstete Kaffeebohnen
© [hmh, Fotos: Klaus A.. Weber
© [hmh, Foto: Klaus A.. Weber
Sensoria – Haus der Düfte und Aromen, Holzminden
© [hmh, Foto: Klaus A.. Weber
Allgegenwärtige koloniale Weltwirtschaftspflanzen
Nach wie vor sind tropische Nutzpflanzen als nachwachsende Rohstoffe, wie Kaffee, Kakao und exotische Früchte, Bestandteile unseres Konsumverhaltens im Alltag – allerdings verbunden mit sozialen und ökologischen Auswirkungen in ihren Anbauländern.
Hierzu zählen zudem in tropischen oder subtropischen Regionen angebaute pflanzliche Fette für Nahrungsmittel und Kosmetika, Futtermittel, Energiepflanzen für Biokraftstoffe, industrielle Rohstoffe wie Kautschuk und Faserpflanzen wie auch Arzneipflanzen.
Im Gewächshaus für Tropische Nutzpflanzen des Botanischen Gartens der Johannes Gutenberg-Universität Mainz kann man sich mit wichtigen Pflanzen, ihrer Verwendung und Ihren Anbaubedingen auseinanderzusetzen:
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Ananas | Ananas comosus
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Annattostrauch | Bixa orellana
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Chinesische Wasserkastanie | Eleocharis dulcis
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Erdnuss | Arachis hypogaea
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Faserbanane | Musa textilis
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Gelbe Yamswurzel | Dioscorea x cayenensis
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Gurkenbaum | Averrhoa bilimbi
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Ingwer | Zingiber officinale
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Kakaobaum | Theobroma cacao
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Maniok | Manihot esculenta
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Nonibaum | Morinda citrifolia
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Ölpalme | Elaeis guineensis
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Pfeffer | Piper nigrum
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Reis | Oryza sativa
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Riesengrenadille | Passiflora quadrangularis
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Süßkartoffel | Ipomoea batatas
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Taro | Colocasia esculenta
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Vanille | Vanilla planifolia
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Wasserspinat | Ipomoea aquatica
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Zuckerrohr | Saccharum officinarum
Chiquita-Bananen - Produkte neokolonialer Ausbeutung
© [hmh, Foto: Klaus A.. Weber
Die Banane
Die Banane (Musa) stammt ursprünglich aus der tropischen bis subtropischen südostasiatischen Inselwelt.
Die heutige Dessertbanane, eine Art aus der Gattung der Bananen, wird als „gelbes Gold“ für Exportzwecke in Monokulturen auf riesigen Plantagen angebaut.
Die Spanier pflanzten die Banane bereits um 1400 in Plantagen auf den Kanarischen Inseln an, von wo aus sie auf den amerikanischen Kontinent gelangte.
Die ersten Bananen-Plantagen in der Karibik und in Mittelamerika wurden um 1502 von portugiesischen Siedler gründet.
Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Bananen von den Kanarischen Inseln.
Noch in den Nachkriegsjahren waren Bananen ein teurer Luxus.
Bananen-Plantage mit Fruchtständen an der „Staude“
Kanarische Insel Teneriffa │ 2016
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Die Kartoffel
Im Hochland der Anden wurde bereits vor rund 8.000 Jahren die Kartoffel als anspruchsloses Gewächs angebaut.
Somit stammt die Kartoffel (Solanum tuberosum) ursprünglich aus dem Südwesten Südamerikas, wo sie mit einer Vielzahl domestizierter Sorten von Siedlungsgemeinschaften in den Hochanden von Peru, Chile und Bolivien zur Ernährung genutzt wurde.
Im Imperium der Inka (1200 n. Chr. - 1550 n. Chr.) lernten spanische Konquistadoren die Kartoffel(-knolle) erstmals in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kennen.
Im 15.-16. Jahrhundert hatten die Inka mit der Hauptstadt Cuzco das größte Reich im präkolumbischen Amerika errichtetet und herrschten als erste Großmacht des amerikanischen Doppelkontinents über die Anden und die Pazifikküste.
Spanische Konquistadoren eroberten ab 1532 das Inkareich, um es brutal zu unterwerfen und auszuplündern - nicht ohne Widerstand.
Über eine Zwischenstation auf den spanischen Kanarischen Inseln gelangte die sehr alte Kulturpflanze Kartoffel auf dem Schiffsweg von Südamerika nach Europa, wo sie ihre größte kulturgeschichtliche Bedeutung erlangte - zunächst mit Frauennamen.
Die Kartoffeln wurden auf den Kanarischen Inseln im 16. Jahrhundert weitergezüchtet, woraus die traditionellen kanarischen Sorten entstanden - die Papas Antiguas de Canarias.
Heute zählt die Kartoffel mit ihrer Kulturgeschichte zu den sortenreichen Weltwirtschaftspflanze.
Kanarische Kartoffeln in Salzkruste (Papas arrugadas)
Teneriffa │ 2016
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Kartoffeln auf einem Markt in Portugal │ März 2011
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Die Tomate
An die Geschichte der Kartoffel erinnernd, hat die heute weltweit intensiv kultivierte, überaus sortenreiche Tomate (Solanum lycopersicum) ihren Ursprung im präkolumbischen Mittel- und Südamerika – mit einer spannenden Kulturgeschichte.
Die Tomate war einst ein wesentlicher Bestandteil der Ernährung und Kultur der indigene Volksgruppe der Nahuae in Mexiko.
Mit den Eroberungen spanischer Konquistadoren in Mesoamerika gelangten kultivierte Tomatenpflanzen als exotische koloniale Kriegsbeute Anfang des 16. Jahrhunderts nach Spanien.
Das anfänglich als Zierpflanze eingesetzte, später als aromatisches Fruchtgemüse verwendete rote Nachtschattengewächs fand über Italien (als „Pomi d’oro“) ihre allmähliche Verbreitung in Südeuropa und letztlich auch im Norden von Europa.
Dabei wurde die stimmungsaufhellende pralle Tomatenfrucht lange Zeit als „Teufelskraut“ bezeichnet und als Aphrodisiakum („Liebesapfel“) gehandelt.
Heute ist die Tomate eine sortenreiche Weltwirtschaftspflanze.
Tomaten in der Toskana │ Oktober 2017
Tomate-Mozzarella in Sizilien │ März 2019
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
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[1] KRUEGER/URBAN 2010. S. 5.