kolonial - Rohstoff Baumwolle für Industriewaren

Klaus A.E. Weber

 

Der nachwachsende Rohstoff Baumwolle verdeutlicht mit seinen Warenketten zentrale Aspekte des Kolonialismus und der Kultur- und Globalgeschichte.

 

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Gesetzlich erlaubte Sklaverei in den USA um 1860

Sonderausstellung “100% Baumwolle”

Übersee-Museum Bremen │ 2022

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Als globales Handelsgut beschleunigte sie die Sklaverei auf den Plantagen – nicht zuletzt mit Folgen bis in unsere Zeit:

  • Sonderausstellung “100% Baumwolle” im Übersee-Museum Bremen │ 2022-2023
  • Kleine Sonderausstellung "Schicksalsfaser Baumwolle - Baumwollboom und Leinenkrise" im Historischen Museum Hellental │ 2023

 


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100% Baumwolle │ Kulturgeschichten [1]

Sonderausstellung 2022-2023 │ Übersee-Museum Bremen

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die Baumwolle prägte die Menschheitsgeschichte

Facettenreich prägte die Baumwolle die Menschheitsgeschichte - in Kultur und Wirtschaft:

  • Anbau, Verbreitung, Handel, Verarbeitung

  • Gewalt, Versklavung, Zwangsarbeit, Enteignung, koloniale Ausbeutung
  • Entkörnen - Spinnen - Weben - Färben

Die einzigartige feine und weiche Naturfaser der tropischen und subtropischen Baumwollpflanze (Gattung Gossypium) hat eine jahrtausendealte Geschichte, wobei sie zunächst auf drei Kontinenten zur Fertigung von Tuch und Kleidung diente.

Baumwolle gilt heute als die global wichtigste und meistgehandelte Naturfaser in der Textil- und Modeindustrie – allerdings mit zweifelhaftem wirtschaftlichem, sozialem und ökologischem Ruf.[4]

Die temperaturausgleichende, widerstandsfähige, waschbare und leicht zu färbende Baumwolle wurde einerseits zum Motor der Industrialisierung und zur global bedeutendsten Industrie.[5]

Andererseits schaffte sie mit der kolonialen Ausbeutung im Baumwollanbau, mit Enteigung, Zwangsarbeit und Versklavung von Millionen von Menschen durch Kolonialmächte und Menschenhändler neue Gesellschaftsformen.

 

Komplexes stoffgeschichtliches Themenfeld [1] - in Kultur und Wirtschaft

Die weiche Naturfaser der tropischen und subtropischen Baumwollpflanze dient noch heute zur Fertigung von Tuch und Kleidung.

Baumwolle gilt als die global wichtigste und meistgehandelte Naturfaser – allerdings bislang mit zweifelhaftem wirtschaftlichem, sozialem und ökologischem Ruf.

Die widerstandsfähige, waschbare und leicht zu färbende Baumwolle

  • wurde zum Impulsgeber der Industrialisierung

  • schaffte mit der Verschleppung, Zwangsarbeit und Versklavung von Millionen von Menschen durch Kolonialmächte und Menschenhändler neue Gesellschaftsformen.

Im 18. Jahrhundert führten Baumwollspinnmaschinen zur maschinengeprägten industriellen Revolution in England – mit weitreichenden gesellschaftlichen und globalen Folgen.

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich gegenüber der Flachspflanze als Konkurrenzfaser die Baumwolle und deren maschinelle Verarbeitung rasch durch.

 

Getrocknete Zweige einer Baumwollpflanze (Gattung Gossypium)

Weiße Baumwollfaserneiner geöffneten Samenkapsel

Sonderausstellung 2022-2023 „100% Baumwolle“ │ Übersee-Museum Bremen

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Textilindustrieller Baumwollboom und handwerkliche Leinenkrise

Etwa bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Kulturtechnik des Spinnens und Webens in Heimarbeit als hausindustrielles Textilgewerbe ausgeübt.

Das arbeitsintensive Kleingewerbe bot ein wichtiges, aber nur dürftiges Zubrot bei geringem Verdienst.

Die um 1764/1765 von dem britischen Baumwollweber James Hargreaves (1721-1778) entwickelte Baumwollspinnmaschine „Spinning Jenny“ führte gemeinsam mit der wasserradbetriebenen Spinnmasche („Waterframe“, 1769) des Textilindustriellen Richard Arkwrights (1732-1792) zur maschinengeprägten industriellen Revolution in England - mit weitreichenden gesellschaftlichen und globalen Folgen.

Als weitere schlüsseltechnolgische Verbesserung trat um 1793/1794 in den USA die Egreniermaschine hinzu, die Entkörnungsmaschine "Cotton Gin".

Ab 1780 kam die mechanisierte Fabrikproduktion als Errungenschaft des aufstrebenden Kapitalismus auf, die durch ihre enorme maschinelle Produktivitätssteigerung weltweit billige Baumwolltextilien liefern konnte.[5]

Als soziale Folge der aufkommenden Mechanisierung der Baumwollverarbeitung entstand in der Baumwolltextilindustrie eine ausgebeutete Textilarbeiterschicht.

Im ausgehenden 18. Jahrhundert und im frühen 19. Jahrhundert spielte die Baumwolle eine zentrale Rolle in der Herausbildung der industriellen Revolution.“[1]

 

Verarmung und Verelendung

Der Aufstieg der Baumwollindustrie und der Niedergang des handwerklichen Leinengewerbes verschärfte die soziale und wirtschaftliche Notsituation der armen Leute in Hellental.

Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts verdrängt die billige, in Textilfabriken maschinell verarbeitete Baumwolle auch die Leinenproduktion der „kleinen Landleute“ auf dem rauen Solling.

Immer mehr Hellentaler Leinenweber waren zur Aufgabe ihres häuslichen textilen Gewerbes gezwungen.

So verschärfte der Aufstieg der Baumwollindustrie und der Niedergang des handwerklichen Leinengewerbes auch die soziale und wirtschaftliche Notsituation der armen Leute in dem Sollingdorf Hellental.

Die „Leinenkrise“ lies zahlreiche Familien der ländlich-dörflichen Unterschicht erwerbslos werden; sie drückte die Stimmung der ohnehin notleidenden Bevölkerung.

 

Bauwolle-Spinnmaschine "Spinning Jenny" │ gebaut etwa ab 1790

verkleinertes Modell

Hintergrund: Abbildung des Spinning-Room in Shadewell [2]

Sonderausstellung 2022-2023 „100% Baumwolle“ │ Übersee-Museum Bremen

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Industrielle Revolution im kolonialen Deutschen Kaiserreich

Der Motor des industriellen Aufschwungs im Deutschen Reich während des 19. Jahrhunderts ist die Baumwolle – nicht jedoch die Kohleindustrie oder die Eisen- und Stahlindustrie.[7]

Die Textilindustrie wurde zum führenden Industriebereich im Deutschen Kaiserreich.

So produzierte 1897 die deutsche Textilindustrie (in Preußen, Bayern und Sachsen) Waren im Wert von einer halben Milliarde Reichsmark – 36% mehr als die Kohleindustrie, 45% mehr als die Eisen- und Stahlindustrie erwirtschafteten.[3]

 

Baumwollstadt Bremen

1788 erreichten die drei ersten nordamerikanischen Rohbaumwollballen den Bremer Hafen.[7]

Zum Baumwollimport wurden im 19. Jahrhundert bremische Auswandererschiffe in den USA vor ihrer Rückreise nach Bremen u.a. mit Rohbaumwolle beladen.

Dank langjähriger, gut vernetzter Handelsbeziehungen der Bremer Kaufmannschaft mit den USA war Bremen gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit seinem Baumwollhafen der bedeutendste Rohbaumwollumschlagplatz Kontinentaleuropas.[3]

Am 01. Oktober 1872 wurde die Bremer Baumwollbörse gegründet, ein Rohstoffkompetenzzentrum des globalen Baumwollhandels.[6]

 

Bremer Baumwollbörse seit 1872

Sonderausstellung 2022-2023 „100% Baumwolle“ │ Übersee-Museum Bremen

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

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[1] GREIM 2022, S. 12.

[2] GREIM 2022, S. 13 Abb. 1.

[3] GREIM 2022, S. 18, 103.

[4] GREIM 2022, S. 20.

[5] GREIM 2022, S. 85-86.

[6] GREIM 2022, S. 94-101.

[7] GREIM 2022, S. 102-103.