Kolonial - Spuren in der Konsumkultur
Klaus A.E. Weber
Klassische "Colonialwaren" - Produkte der frühen Globalisierung
Direkte Berührung mit der dunklen menschenverachtenden Kolonialgeschichte
Kolonialwaren („colonial goods“) als überseeische Lebens- und Genussmittel, wie die Erzeugnisse deutscher Kolonien, erreichten als exotische Luxusgüter nach und nach auch die Konsumkultur im dörflichen Alltag - wie
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Gewürze, wie Muskat, Gewürznelken, Kardamom, Kurkuma, Pfeffer, Safran, Gewürzvanille, Zimtstangen
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Kaffee [4]
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Kakao (Schokolade) [6]
- Reis
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Tee [5]
Die Verbreitung von Kolonialwaren im europäischen Lebensmittelhandel verstärkte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
∎ Gewürze - einst nur für Privilegierte in Staat und Kirche
Kardamom
Das kostbare „Grüne Gold" Kardamom (Elettaria cardamomum) hat in Keralas feucht-warmen, üppig-grünen Westghats im Südwesten Indiens seinen Ursprung - seit Jahrhunderten Ziel des europäischen, kolonialherrschaftlichen Gewürzhandels.
Kurkuma
Die Tropenpflanze Kurkuma oder Gelbwurz (Curcuma longa) stammt aus Südasien/Indien, wo sie seit Jahrhunderten genutzt wurde.
Heute wird das „goldene Gewürz“ in tropischen Plantagen in Indien und Südostasien kultiviert und global verbreitet.
Wie zuvor arabische Händler brachten im 16. und 17. Jahrhundert bei ihrer kolonialen Expansion europäische Kolonialmächte, wie Portugal und die Niederlande, Kurkuma als abgepresstes Handelsgut und begehrtes Gewürz nach Europa.
Verwendung findet das importierte Kurkuma-Rhizom (Wurzelstock), frisch und getrocknet (Kurkumapulver), in vielen Küchen, als Heilmittel in der traditionellen Indischen Medizin wie auch in der modernen Medizin und als (Stoff-)Färbemittel.
Muskat
Muskatnüsse werden hauptsächlich als Gewürz verwendet.
Der Muskatnussbaum (Myristica fragrans) war ursprünglich beheimatet auf den Banda-Inseln und auf der nördlichen Inselgruppe der Molukken.
Heute werden Muskatbäume in Sri Lanka, Südindien, Grenada und Südafrika angebaut.
Getrocknete Gewürznelken
Gewürznelken („Nelken“) sind getrocknete Blütenknospen des Gewürznelkenbaums (Syzygium aromaticum), ursprünglich beheimatet auf den Molukken (Gewürzinseln)
Schwarzer Pfeffer
Pfeffer war als Gewürz und ideales Fernhandelsgut bedeutsam, einst als kolonialer Luxusartikel gewonnen vom Pfefferstrauch (Piper nigrum) in Südwest-Indien
Safran
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Safran (Crocus sativus) │ Farbstoff und Extraklasse-Gewürz vom iranischen Hochland
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Safranfäden der Sorte „Negin"
- handgepflügtes und verlesenes Luxusgut
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Bourbon-Vanille
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Vanille [1][2]
Bereits die Ureinwohner*innen der mexikanischen Golfregion kannten das Geheimnis des Vanilleanbaus.
In vorspanischer Zeit lagen die Ursprungsgebiete der exotischen Gewürzvanille (Echte Vanille / Vanilla planifolia) - der mexikanischen Vanille - in den tropischen Regenwäldern von Südost-Mexiko und Mittelamerika.
Die Kletterpflanze ist eine trügerische Schönheit mit genetischer Vielfalt.
Das indigene Volk der Totonaken Opferte das edle Gewürz den Göttern in dem es im Tempel verbrannt wurde.
Vanille war als "Pflanze des Lebens" nur der Oberschicht vorbehalten und zählt zur kulturellen Identität der einst mächtigen indigenen totnakischen Kultur im Bereich der mittleren Golfküste des heutigen Mexiko.
Das Volk der Totonaken (800 n. Chr. - 1200 n. Chr.) war eine mesoamerikanische Hochkultur, die um 800 n. Chr. ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Die Totonaca-Kultur wurde von den Tolteken und Azteken unterworfen und tributpflichtig gemacht.
Mit der Eroberung Mexikos durch die Spanier wurde Vanille auch in Europa bekannt.
Die spanischen Eroberer zwangen die Totonacas zur Aufgabe ihrer Überzeugungen und den katholischen Glauben anzunehmen.
Das als "schwarze Blume“ verwendete Luxusgewürz gelangte im 16. Jahrhundert durch Konquistadoren nach Spanien.
Ab dem 17. Jahrhundert erblüht der Handel mit der Vanille (Kapseln), die an europäischen Herrscherhöfen in Verbindung mit heißer Schokolade zum geschätzten Modegetränke avanciert, um den bitteren Geschmack des Kakaos zu maskieren.
Auch wurde einst die "Königin der Gewürze" als Aphrodisiakum und Arzneimittel verwendet.
Noch Ende des 19.Jahrhunderts kann sich das Luxusgewürz Vanille nur eine reiche soziale Schicht leisten, wie Familien von Adligen , Großgrundbesitzern, Industriellen und Kirchenfürsten - es war ein Gewürz für privilegierte Reiche.
Das einstige Zentrum des Anbaus und Handels der mexikanischen Vanille ist die kleine Stadt Papantla de Olarte nahe der mexikanischen Golfküste.
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zweitteuerstes Gewürz der Welt
- Plantagenanbau im "Vanille-Äquator":
Indien, Indonesien, Komoren, La Réunion [ehemals Île Bourbon], im Norden Madagaskars („Vanille-Dreieck“), Mauritius, Mexiko, Papua-Neuguinea, Uganda, Tahiti (Tahiti-Vanille, Vanilla tahitensis)
Zimtstangen
Sri Lanka (bis 1972 Ceylon) ist die Wiege des Ceylon-Zimts, einem Gewürz aus der getrockneten Rinde eines Zimtbaums.
Europäische Kolonialmächte eroberten die strategisch wichtige Insel vor der Küste Indiens und errichteten das weltweite Monopol auf Zimt: 1518 die Portugiesen, 1656 die Niederländer und 1796 die Briten.
Ausgestellte Gebrauchsgegestände im kolonialen Kontext
◼ Keramikbecher „Guaraní“
Ausgestellt ist ein nachempfundener südamerikanischer Becher zum rituellen Trinken von Mate-Tee indigener ländlicher Gemeinschaften der Guaraní, die als eines der ersten Völker von kolonisierenden Europäern kontaktiert wurden
Das ursprünglich spirituelle Aufgussgetränk wird aus grünen Blätter einer aus Südamerika stammende Stechpalmenart (Ilex paraguariensis) gewonnen.
Die indigenen ländliche Bevölkerungsgruppen Gemeinschaften der Guaraní, für die Land der Ursprung allen Lebens ist, besiedeln in Südamerika weite Gebiete von Paraguay, den Süden von Brasilien und Bolivien sowie das nördliche Argentinien.
Frühneuzeitlich von spanischen und portugiesischen Konquistadoren kolonisiert und unterdrückt, werden ländliche Gemeinschaften der Guaraní heute von Landraub und Abholzung für Sojaanbau mit Unrecht, Rassismus und Gewalt bedroht und ausgebeutet.
So wurde in den letzten 500 Jahren den Guaraní nahezu ihr gesamtes Land im braslianisschen Bundesstaat Mato Grosso do Sul genommen.
∎ Muskatreibe mit kleinem Vorratsbehälter
1960er Jahre
zum manuellen Reiben von frischen Muskatnüssen
Hellental
∎ Blechdose Hardy Kakao
um 1955
Blechdose für ca. 500 g
Hersteller: Hardy Schokolade GmbH Darmstadt, Holzhofallee │ Ende der 1960er Jahre geschlossen
Dekor: Hardy Kakao │ Entwurf: 1950er Jahre
Höhe: 160 mm │ Breite/Durchmesser: 95 mm │ Tiefe: 85 mm │ Gewicht: 30 g
Material: Metall
[hmh Inv.-Nr. 1319
"Auf die Handelswaage gelegt"
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
∎ Kaufmannswaage │ um 1950
Stadtoldendorf
ADE Neigungs-Schaltgewichtswaage, emailliert
Typ Junior D.B.P.
Schnellwaagenfabrik Walter R. Mayer, Hamburg
[hmh Inv.-Nr. 1154
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Messlöffel für das Kaffeegetränk "Kornfranck" │ um 1920
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
∎ Messlöffel für das Kaffeegetränk "Kornfranck" │ um 1920
Aluminium, industriell gefertigt
"Kornfranck │ feinherb im Geschmack! │ Maß für 1 Liter“
Der ca. 11 cm lange Meßlöffel wurde aus Aluminium gestanzt, die Ränder sind umgebogen und so abgerundet.
Der Stiel ist relativ kurz und geschwungen, auf diesem kann man erhaben die Worte "Maß für 1 Liter" erkennen.
Die Laffe ist in Schaufelform gearbeitet, auf dem Boden ist erhaben zu lesen "Kornfranck │ feinherb im Geschmack!".
Der Löffel weist Gebrauchsspuren auf.
Haushalt in Hellental
[hmh Inv.-Nr. 1053
∎ Kaffee-Vorratsdose
1960er Jahre
ehemalige Lungenheilstätte bei Langen-Brombach/Odenwald
Blech
"Cofetino / Ein Kaffeesurrogat / Mit Coffein"
Blechdose mit italienischem Urlaubsmotiv
5 kg Fassungsvermögen
[hmh Inv.-Nr. 1054
Kaffee-Vorratsdose für Großküchen
mit italienischem Urlaubsmotiv │ 1960er Jahre
Deckelinnenseite: Zubereitungsempfehlung [3]
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
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[1] KUHSE 2012, S. 31-41.
[2] MITZKAT 2024, S. 19.
[3] Tino van Doeren Nahrungs- und Genussmittel-Gesellschaft mbH│1983 wurde die Firma aus dem Handelsregister gelöscht.
[4] KRUEGER/URBAN 2010. S. 12-13.
[5] KRUEGER/URBAN 2010. S. 13-14.
[6] KRUEGER/URBAN 2010. S. 15-16.