Das Hellentaler Gemeinde-Backhaus │ №ass. 53

Klaus A.E. Weber

 

"Bey jeglicher Gemeinde ein Back-Haus mitten im Dorfe"

zur „ansehlichen Holz-Ersparung“ und „Abwendung der Feuersgefahr

Zentrale Gemeinde-Backhäuser infolge der herzoglichen Verordnung vom Juli 1744 zur "ansehnlichen Holz-Ersparung".

Die Vorgabe zur "ansehnlichen Holz-Ersparung" und "Abwendung der Feuersgefahr" im Weserdistrikt flächendeckend "bey jeglicher Gemeinde ein Back-Haus" zu errichten, ist auf die Verordnung des Herzogs Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel von 1744 zurück zu führen.

Um dem "bisherigen Holz-Verderb" entgegen zu wirken, ordnete Herzog Carl I. das Abschaffen aller Privatbacköfen und die Anlegung besonderer "Gemeinde Back-Häuser" oder von "Gemeinde-Back-Oefen" genormter "Structur" und "vorbeschriebenen Maasse" an.

Die energiewirtschaftliche Bilanzierung der "Fürstlichen Cammer" in Braunschweig galt hierbei der Schonung des Holzes herzoglicher Waldungen - neben dem Wasser die wichtigste Energieressource jener Zeit.

Im Dezember 1772 folgte schließlich eine weitere Verordnung zur "gehörigen Einrichtung der Gemeinde=Backöfen".

Ein solches pflichtgemäßes zentrales Dorfbackhaus ist das Gemeinde-Backhaus in Hellental.

Im Sinne der Verordnung befindet sich der schlichte Fachwerkbau freistehend in der Dorfmitte, oberhalb des alten Mühlenteiches – wegen der Feuergefahr mit sicherem Abstand zu benachbarten Fachwerkgebäuden.

Der vor diesem Verordnungshintergrund um 1828 beim Neubau des Hellentaler Gemeinde-Backhauses errichtete und bis um 1900 betriebene Steinbackofen ist ein typischer bäuerlicher Backofen.

Dessen Konstruktion entspricht dem aus dem Mittelalter übernommenen Backofenbau mit direkter Backinnenraumbefeuerung.

 

Dorfstraße von Hellenthal" │ 11. September 1900 [1]

Gemeinde-Backhaus rechts am Bildrand

© Historisches Museum Hellental

 

Das zeittypische Dorfbackhaus befindet sich oberhalb eines alten Mühlenteichs inmitten des historischen Dorfkerns von Hellental, einem Waldarbeiter- und Landhandwerkerdorf, das durch geförderte Zuwanderung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im braunschweigischen Solling entstand.

Nach TACKE [2] gilt Hellental als ein ehemaliges „Manufakturdorf“ im Solling, aus dem später ein „fast reines Waldarbeiterdorf“, aber auch ein „Dorf in Not“ wurde.

Das Gemeinde-Backhaus [3] aus dem frühen 19. Jahrhundert war von Beginn an im kommunalen Eigentum, zunächst von der ehemals selbständigen Gemeinde Hellental, seit 1976 von der Gemeinde Heinade im südniedersächsischen Landkreis Holzminden.

Im ehemaligen, seit Jahren dringend sanierungsbedürftigen Hellentaler Gemeindebackhaus wurde durch bürgerliches Engagement am 03. Juni 2006 die mit Gipsplatten verkleidete Frontseite des bislang nur vermuteten Backofens mit seiner geradflächigen Stirnwand freigelegt.

Hierdurch konnte die weitgehend erhaltene, robust gemauerte Originalanlage des Backofens heimatpflegerisch erstmals näher erforscht und in Wert gesetzt werden.

 

Rekonstruiertes, mit Buchenholz beheiztes Ofengewölbe │ 2024

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

In den Monaten Oktober/November 2006 wurden an der Frontseite des Backofens erste Sanierungsarbeiten durchgeführt mit dem Ziel, im Rahmen des ehrenamtlichen Dorf-Projektes „Museum im Backhaus“ eine erste, vorläufige museale Präsentation der stillgelegten historischen Ofenanlage zu entwickeln und den Backofen wieder seiner ursprünglichen Nutzung zuzuführen.

Um das die Homogenität des Hellentaler Ortsbildes prägende Fachwerkgebäude des Dorfbackhauses als regional wertvolles ländlich-baukulturelles wie auch volkskundliches Erbe zu bewahren und nachhaltig für kulturhistorische und kulturtouristische Zwecke öffentlich zu nutzen, wurde es von September 2007 bis August 2008 umfänglich, aber nicht abschließend, umgebaut und saniert.

Seit seiner Teilsanierung ist das ehemalige Gemeinde-Backhaus einer der beiden Standorte des 2019 etablierten Historischen Museums Hellental, dem regionalen LandMuseum für Geschichte, Archäologie und Alltagskultur im Solling.

Jenseits heutiger Industrialisierung des Brotgewerbes wird in dem Museumsbackhaus seit 2008 an öffentlichen Brotbacktagen wieder duftend frisches Brot gebacken - im Solling seit jeher mehr als ein bloßes Lebensmittel.

Da die historischen Backhäuser der Region erheblich zum Bild der historischen Kulturlandschaft beitragen und somit ein wichtiges, erhaltenswertes Kulturgut bilden, soll die Entwicklung des in Teilen historisch authentischen, rund 200 Jahre alten Dorfbackhauses sowohl unter wirtschaftshistorischen Aspekten (Energieökonomie) als auch in sozialhistorischer Hinsicht (Wohnen und Arbeiten) baulich-technisch und funktional skizziert werden.

Archivalische und bauhistorische Spuren weisen auf mehrfache Umbaumaßnahmen des zweiteiligen Baukomplexes hin, ehemals bestehend aus dem Wohnbereich und dem Backofenbereich mit Holz beheiztem Innenfeuerungsofen.

 

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[1] Bleistiftzeichnung von Heinrich Meyer aus Hannover - von Rolf Klapproth Anfang März 2003 Dr. Klaus A. E. Weber für Vereinszwecke des Heimat- und Geschichtsvereins für Heinade-Hellental-Merxhausen überlassen.

[2] TACKE 1951.

[3] Mit dem Gemeinde-Backhaus in Hellental beteiligte sich der Heimat- und Geschichtsverein für Heinade-Hellental-Merxhausen e. V. als Partner bei dem Projekt „CARL 300“ im Jubiläumsjahr 2013 zum 300. „Geburtstag“ von Herzog Carl I. zu Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel.