Dreizug-Ofenanlage
Klaus A.E. Weber
Energieeffiziente Steuerung mit einer Dreizug-Ofenanlage
Bei dem historischen Backofen konnten durch die gemauerten Rauchabzugskanälen die Heizgase zum einen planvoll geführt, zum anderen gleichzeitig die Verbrennung gefördert werden.[1]

Schema eines Backofens mit direkter Heizung (Innenbefeuerung)
um 1920 [2]
Durch Öffnen und Schließen der eisernen Drosselschieber in den drei Rauchkanälen konnte an der Stirnseite des Backofens die Flammenrichtung manuell geregelt, die Hitze auf die Gewölbeseiten verteilt und die Luftzufuhr gefördert oder verringert werden.
So reguliert, erwärmte die entstandene Hitze zusätzlich den der Kugelform angenähert gestalteten Backraum.
Die ursprüngliche Zuführung von Zuluft zum Backofen erfolgte vermutlich seitlich, konnte aber nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Die entsprechenden Zuluftöffnungen waren nicht mehr erkennbar, was auch am gestiegenen Erdniveau zum historischen Ursprung liegen kann.
Die sich beim mehrstündigen Aufheizen entwickelnden heißen Rauchgase wurden am hinteren Backofenraum über drei schräge Schachtöffnungen zu den drei in ganzer Länge der breiten Herdkuppel mittelbar aufliegenden Abzugskanäle abgeführt.
Während des Backvorgangs blieben die Rauchabzugskanäle geschlossen.

Schematischer Querschnitt eines „Dreizugofens“ um 1926 [4]
Dieses nach vorn spitz zulaufende Abzugssystem von gleicher Breite, Höhe und Länge wies ein gleiches Zugverhalten auf.
Die drei gemauerten Rauchzüge waren bei ihrer Freilegung von einer dicken, lockeren Lehmauffüllung (Isolationsmasse) umgeben und auf einem mehrlagigen Mantel aus Ziegelsteinen über dem Backofengewölbe aufgelagert.
Mit einer Lage von Schamott-Steinen war der jeweilige Kanalverlauf dicht abgedeckt.
Vereinzelt fanden sich dabei auch Ofensteine mit der Stempelprägung „FÜRSTENBERGER P.[orzellan] F.[abrik]“.
Die Öffnung der Rauch abführenden Kanäle ergab, dass diese innen von rußgeschwärzten Gängen für die flachen rechteckigen Rauchschiebern aus Eisen überlagert waren, die erlaubten, den Rauchabzug in der Anheizphase und die Temperaturverteilung im Herdinnern von der Stirnwand des Backofens aus mechanisch zu steuern.


Baubefunde September 2007
Drei freigelegte Rauchkanäle über dem Backofengewölbe
Geschlossenes und geöffnetes Abzugssystem
aus Rauchkanälen über dem Backofengewölbe
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Beim Durchstreichen der dreizügigen Kanäle gaben die Flammengase ihre Hitze auch an die aufgeschüttete lehmhaltige Füllmasse zur Aufspeicherung ab, wodurch eine effektivere Energieausnutzung erzielt wurde.
Einerseits konnte dabei das Ofengewölbe selbst besser durchheizt werden, andererseits war die Oberhitze des Backofens gleichmäßiger.

Baubefund September 2007
vor der Sanierung geöffneter Schieberkanal
senkrechter Schacht zum darunterliegenden Rauchkanal
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Der Luftzug wurde durch das Öffnen der Backofentür und mit den eisernen Drosselschiebern in den Rauchschächten gesteuert.
Die entstandene Hitze erwärmte das innere Backgewölbe gleichmäßig, unterstützt durch das Dreizugsystem.
Die Rauchgase könnten in einen Schornstein zwischen Haupthaus und Anbau abgeführt worden sein.
Da aber das Backofengewölbe teilweise verschüttet war, konnte diese Abluftleitung nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden.
Auch in dem 1875 angebauten Spritzenhaus waren keine Spuren eines Schornsteins oder sonstiger Abluftöffnungen zu erkennen.

März 2008 - nach der Ofensanierung
Mit eisernen Drosselschiebern geschlossene Schächte
zu den darunterliegenden Rauchkanälen
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Aus mehreren Steinlagen quadratisch errichtete, aber verstürzte Öffnungen konnten jeweils am Ende der drei Rauchkanäle sowie eine aus einer Schamott-Steinlage gemauerte, rußgeschwärzte Abluftöffnung über dem mittleren Rauchkanal in Richtung der Stirnsite des Backofens freigelegt werden. Hieraus wäre herzuleiten, dass - wie für Backhäuser oft noch um 1800 üblich - die Backofenanlage ursprünglich keinen Schornstein für einen geregelten Rauchabzug besaß.
Vermutlich quoll der Rauch aus dem Ofen unmittelbar in die davor liegenden Backstube und/oder in den darüber liegenden Gebäudebereich durch eine nachgewiesene Öffnung im mittleren Rauchkanal.[5]
Um im Backofen ein gutes Backergebnis zu erzielen, war die genaue Einhaltung der Aufheiz- und Backzeit sowie der Backtemperatur ganz entscheidend, ebenso das Temperaturverhältnis von Ober- und Unterhitze.
Zum Brotbacken musste der Holzbackofen durch „Brustbefeuerung“ über die „Einschießtür“ immer vorgeheizt werden, wofür seinerzeit wahrscheinlich „Backespliten“[6] verwendet wurden.
Die folgende Verwendung von ortsnahem Buchenholz [7] hatte den Vorteil einer nicht allzu starken Rauchentwicklung.
Das Brennholz lagerte zum Trocknen in einem aus groben Buntsandsteinen gemauerten und mit Lehm verfugten tonnenförmigen Gewölbe mit Rundbogenöffnung, welches links versetzt unterhalb des Backgewölbes in das anstehende Erdreich eingebaut war.
War das aufgeschichtete Brennholz und die Glut im Backofeninneren abgebrannt, wurden die Aschereste aus dem Backraum mit einer „Ascheausziehkrücke“ (langer Aschekratzer) entleert.
Mit einer „Bäckerfahne"[8] wurden die Bodenplatten der Backfläche gereinigt und zugleich die Luftfeuchte im Backraum erhöht.
Nach dem Ascheausfegen und der Reinigung mit einem nassen „Feudel“ stand der vorgeheizte Ofen noch für eine gewisse Zeit ab, damit sich die gespeicherte Hitze gleichmäßig im Backraum verteilen konnte.
Durch die pyrolytische Selbstreinigung blieb die Luft nach jedem Aufheizen der Backofeninnenraum rußfrei und stets geruchs- und geschmacksneutral.
Durch die hochwertigen Ofensteine (Schamott- und Ziegelsteine) konnte die hohe Anfangshitze direkt gespeichert und als Speicherwärme lang anhaltend und gleichmäßig wieder an das Backgut abgeleitet werden.
Die Ofensteine dürften die Feuchtigkeit („Schwitzwasserbildung“) optimal aufgenommen und sie während des Backvorganges wieder an das Backgut abgegeben haben.
Somit konnte in der Backofenanlage durch die hohe Hitzespeicherungsfähigkeit über mehrere Stunden hinweg gebacken werden.
Hatte der Backofen die gewünschte Temperatur erreicht, wurden die manuell vorbereiteten Brotteiglinge aus ihrer Form auf einen langen, rechteckigen, ovalen oder runden Brotschieber aus Buchenholz gestürzt, ohne Form in das Ofeninnere „eingeschossen“ und schonend bei abnehmender Speicherhitze gebacken.[9]
War das Backgut ohne Nachzuheizen ausreichend durchgebacken, wurde es mit einem Backschieber „ausgeschossen“.
Die Krustenbildung des Brotes war von der Höhe der Luftfeuchtigkeit im Backofen abhängig und wurde daher durch diese gesteuert.
Zu bedenken ist, dass die flache Gewölbestruktur zugleich eine unterschiedliche Backraumhöhe bedeutete. Durch den im gesamten Backraum ungleichen Abstand der Backofendecke zum Backgut entstand eine ungleiche Temperaturverteilung mit ungleichmäßiger Wirkung der Strahlungshitze, was zu ungleichmäßigen Backergebnissen führen konnte.
Dies ausgleichend, war während des Backvorganges stets ein „Umschieben“ des Backgutes erforderlich.
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[1] ZIMMERMANN 1929/2006, S. 63.
[2] ZIMMERMANN 2006, S. 63 Abb. 28.
[4] MOHS 1926, S. 109.
[5] Im Rahmen des Sanierungsprojektes war bei den Rückbauarbeiten auf die entsprechenden Zu- und Abluftöffnungen zu achten und für den Nachbauen zu dokumentieren.
[6] In Hellental alte mundartliche Bezeichnung von kurzen Holzstücken zum vorbereitenden Anheizen von Öfen.
[7] Nach eigenen Beobachtungen beträgt heute der Holzbedarf etwa 0,5 m³ getrocknetes Buchenholz (ca. 0,5 Raummeter). Hierfür sind in dem Mauergewölbe unterhalb der historischen Herdplatte etwa 0,5 m³ getrocknetes Buchenholz lose aufgeschichtet. Dabei sind die Eigenschaften des Hartlaubholzes Rotbuche (Fagus sylvatica) als klimafreundlicher Brennstoff entscheidend.
[8] langer Stiel mit befestigtem feuchten Lappen.
[9] Ist heute nach der hohen Anfangsbacktemperatur (ca. 320° C) eine Temperatur von ca. 280° C erreicht, werden auf der Grundplatte nach einer kurzen Abstehzeit gleichzeitig die vorbereiteten Brotlaibe mit dem hölzernen Brotschieber „eingeschossen“. Die hohe Anfangsbackhitze fällt über Stunden hinweg allmählich ab. Durch die langsam abgegebene Speicherwärme der Ofensteine des Herdgewölbes wird das Backgut über etwa 1 Stunde schonend ausgebacken.