Brotbacken im Museumsbackofen

Klaus A.E. Weber

 

 

Brot aus dem Gemeinde-Backofen in Hellental

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte:

֍ Brotbacken im Gemeindebackhaus ⃒ Löhndorf 1970

 

Darstellung im ehemaligen ostwestfälischen Westfälischen Brotmuseum Nieheim │ Mai 2013

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Brot auf traditionelle Weise backen

Jenseits heutiger Industrialisierung des Brotgewerbes wird in dem historischen Museums-Backofen duftend frisches Brot gebacken - im Solling seit jeher mehr als ein bloßes Lebensmittel.

Öffentliche Brotbacktage – seit 2008

Das Fachwerkgebäude des Museums aus dem frühen 19. Jahrhundert ist ein lebendiges volkskundliches Zeugnis eines zentralen Gemeinde-Backhauses mit Lohnbäckerei im ehemals braunschweigischen Weserdistrikt und zugleich ein Herzstück des LandMuseums.

Als ehrliches Handwerk im Trend zeigt sich hier die Kunst des dörflichen Brotbackens - mit Zeit, Geduld, Sorgfalt und Mehl.

Auf den wenigen Ackerflächen der Gemarkung Hellental wurde als Getreide einst vornehmlich Roggen angebaut.[3]

 

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Regionales Mehl aus der „Bartels-Mühle" in Mackensen

Zum traditionellen Brotbacken wird im Museum im Backhaus des [hmh hochwertiges regionales Roggen-, Weizen- und Dinkelmehl von der mit Wasserkraft betriebenen Mühle von Georg Bartels (allgemein „Bartels Mühle" genannt) verwendet.

Die nahe gelegene Getreide- und Ölmühle steht - seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar - im benachbarten Sollingranddorf Mackensen.

 

Mehlsäcke der „Oelmühle G. Bartels“ in Mackensen

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Hellentaler Spontan-Sauerteig

Traditionell mit frisch gemahlenem Vollkornmehl aus der Getreidemühle gebackenes Brot enthält wichtige Nährstoffe und hochwertiges Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe sowie wertvolle, für die Verdauung und den Stoffwechsel wichtige pflanzliche Ballaststoffe.

 

Zutaten

  • Roggenmehl Type 1150 und Weizenmehl Type 1050

  • Wasser

  • Salz

  • Backhefe

  • eigener Sauerteig

  • Brotgewürz (Fenchel, Anis, Koriander, Kümmel)

 

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Zubereitung

  • „Anstellgut“ eines Roggensauerteigs mit einem Gemisch aus Roggenvollkornmehl und Wasser wöchentlich „füttern“

  • im Kühlschrank lagern

  • immer wieder vermehren und teilen

 

Schritt 1

  • Sauerteig aus Anstellgut ansetzen

  • etwa 40 g Anstellgut

  • 560 g Roggenmehl Type 1150

  • 560 ml Wasser, ca. 40° C

  • gut verrühren

  • 18 Stunden bei einer Raumtemperatur von 20-24° C abgedeckt stehen lassen

  • ergibt 1.120 g Sauerteig für den Hauptteig

 

Schritt 2

  • Hauptteig herstellen

  • 120 g Roggen-Sauerteig

  • 840 g Roggenmehl

  • 600 g Weizenmehl

  • 40 g frische Backhefe

  • 40 g Salz

  • 900 ml Wasser, ca. 40° C

  • 1 TL Brotgewürz

 

Schritt 3

Hauptteig

  • verrühren

  • 8-10 Minuten kräftig kneten

  • 10 Minuten ruhen lassen

  • in 4 Portionen zu jeweils 750 g teilen und formen

 

Schritt 4

Hauptteig

  • genaues Abwiegen einzelner Portionen des vorbereiteten Brotteigs auf einer Gleichgewichts-Balkenwaage – einer Bäckereiwaage, um 1900

  • Setzen der weichen, runden Brotlaibe in Gärkörbchen aus Peddigrohr zum „Gehen" für 50 Minuten

 

Schritt 5

Hauptteig

  • Teiglinge auf den Brotschieber stürzen und „einschießen“

 

Als im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Sollingdörfern noch selbst Brot gebacken wurde, pflegten die backenden Frauen zuhause drei Kreuze über dem Brotteig (Sauerteig) zu machen, um die Hexen von ihm fern zu halten.

Schnitt der alte Bauer Nickel aus Dinkelhausen ein Brot an, machte er stets zuerst drei Kreuze unter dem Brotlaib und sprach „In Gottes Namen“.[1]

 

Zum Vergleich:

֍ Bauernbrot Anno 1913

֍ Milchbrötchen

 

Phasen traditionellen Brotbackens

Wenn der Duft von frischem Brot das Museum im Backhaus durchzieht, steht in Hellental wieder das alltagskulturell tradierte Brotbacken im Vordergrund der öffentlichen Museumsarbeit des [hmh.

 

I. Aufheizen mit Buchenholz aus dem Solling

Bei den Öffentlichen Brotbacktagen wird seit 2008 in dem material- und maßstabgerecht wiederhergestellten Herdgewölbe des Gemeinde-Backofens über die „Einschießtür“ (Einschuböffnung) direkt auf der leicht ansteigenden Backfläche aus trockenem Buchenholz ein knisterndes Feuer entfacht, das dann lodernd den Herdinnenraum nach hinten durchzieht.

Die sich beim mehrstündigen Aufheizen entwickelnden Rauchgase werden durch drei Schachtöffnungen über in ganzer Länge der Brennkammer aufliegenden Rauchkanäle und den neu errichteten Schornstein abgeführt.

Die bei der Restaurierung mit neuen eisernen Drosselschiebern versehenen Rauchabzüge mit gleichem Zugverhalten erlauben von der Stirnseite des Backofens her, die Luftzufuhr und Temperaturverteilung im Herdinnern manuell zu steuern.

Durch Öffnen und Schließen der Kanäle kann die Flammenintensität und -richtung geregelt, die Anfangshitze auf die Seiten verteilt und die Luftzufuhr gefördert oder verringert werden.

 

Beim Anheizen des Museumsbackofens mit Buchenholz

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

So optimal reguliert, erwärmte die entstandene Hitze das Backgewölbe für den dann folgenden Backvorgang lange anhaltend und gleichmäßig.

Über einen Zeitraum von etwa vier Stunden Aufheizzeit wird das Herdgewölbe des Steinbackofens frühmorgens durch Feuerholz für eine lang anhaltende Ofenhitze angeheizt.

Hierzu wird über die Einschuböffnung direkt auf der leicht ansteigenden Backfläche aus trockenem Buchenholz ein knisterndes Feuer entfacht, das lodernd den großen Herdinnenraum nach hinten durchzieht.

Der Holzbedarf beträgt etwa 0,5 m³ getrocknetes Buchenholz [ca. 0,5 Raummeter].

Hierfür sind in dem Mauergewölbe unter der historischen Herdplatte etwa 0,5 m³ getrocknetes Buchenholz lose aufgeschichtet, was ca. 85 l Heizöl oder ca. 85 m³ Erdgas entspricht.

Dabei sind die Eigenschaften des Hartlaubholzes Rotbuche (Fagus sylvatica) als klimafreundlicher Brennstoff entscheidend:

  • neutrale CO2-Bilanz

  • hoher Heizwert - entwickelt viel Glut

  • gleichmäßige, lang anhaltende Nutzwärme

  • preisgünstig verfügbar, da im Solling heimisch.

 

II. Ausräumen mit „Aschekratzer" und „Bäckerfahne"

Nach dem Abbrennen des Buchenholzes und der Glut werden die Aschereste mit dem Aschekratzer (Ascheausziehkrücke) aus dem Backofen gezogen.

Die Ofeninnenfläche wird mit einem Auskehrbesen ausgefegt und mit einer „Bäckerfahne" (langer Stiel mit befestigtem feuchten Lappen) feudelnd gereinigt.

 

III. Einschießen der Brotteiglinge

Ist nach der hohen Anfangsbacktemperatur (ca. 320° C) eine Einschieß-Temperatur von ca. 280° C erreicht, werden auf der großen Grundplatte nach einer kurzen Abstehzeit gleichzeitig die vorbereiteten Brotlaibe mit dem hölzernen Brotschieber „eingeschossen“.

Die hohe Anfangsbackhitze fällt über Stunden hinweg allmählich ab.

Durch die langsam abgegebene Speicherwärme der Ofensteine des Herdgewölbes wird das Backgut über etwa 1 Stunde schonend und gut ausgebacken.

 

Einschießen eines Brotteiglings

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

IV. Ausschießen mit dem Holzschieber

Ohne Nachzuheizen werden nach gelungenem Abschluss des Backvorgangs die in bester Qualität gebackenen Brote mit dem langstieligen Holzschieber „ausgeschossen“.

Nach dem „Ausschießen" durchzieht der Duft von frisch gebackenem Brot das alte Dorfbackhaus und die Museumsräume.

 

Hellentaler Natur-Sauerteig

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

"Pures Leben und Einwanderungspolitik im Glas" [2]

umsorgter Hellentaler Spontan-Sauerteig - ein Vorteig als „Anstellgut“ eines Roggensauerteigs

  • „gefüttert“ mit einem Gemisch aus Roggenvollkornmehl und Wasser

  • immer wieder vermehrt und geteilt

Sauerteige enthalten eine mikroskopisch kleine Lebensgemeinschaft von Milchsäurebakterien und Hefepilzen, wodurch ein Teig in Gärung gehalten wird.

Dabei entsteht Kohlendioxid (CO2), wodurch der Sauerteig als Triebmittel zur Lockerung des Brotteiges beiträgt.

Typische Arten von Milchsäurebakterien (Lactobacillales - Laktobazillen):

  • Lactobacillus plantarum (homofermentativ)
  • Lactobacillus brevis (heterofermentativ)
  • Lactobacillus fructivorans

Typischer Backhefestamm:

  • Saccharomyces cerevisiae

 

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[1] nach SOHNREY: Die Sollinger. Berlin 1924, S. 267.

[2] nach FRANKE im TAH vom 14./15. Oktober 2017.

[3] HAUS BÜRGEL 2010, S. 74-75.