Eversteinsches Doppelgrabmal

Klaus A.E. Weber

 

Sandsteintumba

dem Grafen Hermann III. und seiner Gemahlin Gräfin Adelheid zugeordnet

Aus der Mitte/Ende des 14. Jahrhunderts (um 1350), der Zeit der Errichtung des Chores, stammt das zwar schwerfällig gearbeitete, aber dennoch prunkvolle, sarkophagähnliche Doppelgrabmal der Kirche – die im südlichen Seitenschiff aufgestellte Sandsteintumba von Graf Hermann III. von Everstein († 1350) [8] und seiner Gemahlin Adelheid, geborene Gräfin zur Lippe.[5][9]

Vermutlich erfolgte eine Erdbestattung.

Zu dieser Zeit haben die Eversteiner Grafen ihre Machtposition im Klosterumfeld bereits eingebüßt.

1284 verkauften sie ihre Stammburg auf dem Burgberg an die Welfen, um 1300 Holzminden an das Erzstift Köln.

Nachweislich sind 20 Mitglieder der Eversteiner Grafenfamilie im Klosternekrolog aufgeführt.

 

Adlige Begräbnisstätte einer Stifterfamilie des Klosters

Sandsteinernes Doppelgrabmal mit Liegefiguren:

Eversteiner Graf Hermann III. von Polle († 1350/1351)

und seine Gemahlin Adelheid zur Lippe [3][8]

Sandstein-Hochrelief │ Mitte/Ende 14. Jahrhundert

verlegt in die Mitte des südlichen Chorseitenschiffs

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

In der Klosterkiche von Amelungsborn wurde das größte und prächtigste, sarkophagähnliche Grabmal aus dem 14. Jahrhundert (um 1350) in die Mitte des südlichen Chorseitenschiffes verlegt.⦋2⦌

Es bezeugt eine Erbverbrüderung des kinderlosen Grafen Hermann von Everstein mit den Lippern.[4]

Der Eversteiner Graf Hermann III. zu Polle [38] wird gepanzert dargestellt, seine Ehefrau Gräfin Adelheid im Faltenkleid mit Kopf- und Kinntuch.

 

1907

STEINACKER [1] veröffentlichte folgende Beschreibung:

Im Chore südlich zwischen dem ersten und zweiten Pfeiler von der Vierung das Grabdenkmal aus rotem Sandstein eines Ehepaares des gräflichen Eversteinschen Hauses.

Schwerfällige Arbeit vom Ende des XIV. Jahrhunderts.

Die etwa lebensgroßen Figuren sind in starkem Hochrelief ausgeführt und liegen, der Mann links, die Frau rechts, unter einem Maßwerkbaldachin auf der tumbenartig erweiterten Chorbrüstung, wozu den Übergang an den Längsseiten eine Schräge über einer auch an der Kopfseite herumgeführten Kehle bildet.

Vor den Füßen ist Platte und Untersatz bis fast an den Pfeiler verlängert.

Breite 123 cm, Länge vom Fußrande der Figuren bis zur Höhe des Baldachins 250 cm.

Vermutlich lag dieses Grabmal noch 1840 im Chor vor der Vierung und neben dem damaligen kleinen Altare.

Die Köpfe ruhen auf Kissen.

 

Eversteiner Graf Hermann III. zu Polle († 1350/1351)

barhäuptig, halblanges Haar, spitzer Vollbart

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Der barhäuptige Graf trägt halblange Haare mit spitzem Vollbart, Lederkoller, vorn mit Knopfreihe, darunter Kettenhemd, an Armen, Beinen, Knieen und Füßen Panzerplatten.

Ein Gürtel mit einer Reihung von mit Vierpassen ausgefüllten Kreisen umgibt die enge Taille.

Die Linke ruht auf einem Wappenschilde mit dem eversteinschen nach heraldisch rechts schreitenden gekrönten Löwen.

Die Rechte fasst auf den Griff des Schwertes, das senkrecht zwischen den Beinen steht.

Die Füße ruhen je auf einem Löwen.

 

Gräfin Adelheid zur Lippe mit Kinn- und Kopftuch

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die Frau trägt über dem Untergewande einen faltenreichen Mantel, vor der Brust an einem Bande ein Schild mit fünfblättriger Rosette, Kinn- und Kopftuch.

Die Hände liegen nach oben gegeneinander gerichtet vor der Brust.

Die Faltenrichtung ist die einer stehenden Figur.

Die Füße ruhen je auf einem Hunde.

Der ursprünglich über den Häuptern angebrachte, aus einem Stück gearbeitete Baldachin ist jetzt zur Seite gestellt.

Er war unvollendet geblieben und ist neuerdings leider ersetzt in der Absicht, am neuen Stück die am alten unterbliebene Arbeit auszuführen und zu verbessern.“

 

1998

RÖCKENER ⦋5⦌ beschreibt das Grabmal des nebeneinander liegenden Paares als eine Stifterfamilie des Klosters:

Die beiden nebeneinander liegenden Figuren sind fast vollplastisch aus dem Stein herausgearbeitet; die Frau hat die Hände betend vor der Brust, der Mann Trägt seine Waffen und das Schild mit Wappen, welches auf einem der Schlusssteine im Chorgewölbe wiederkehrt.

Trotz der Plastizität sind Körper und Gesichter etwas flach dargestellt; die Züge der Verstorbenen weisen keine individuellen Merkmale auf, sie sin mit einer idealisierten und schematisierten Physiognomie ausgestattet, ein typisches Stilmerkmal dieser Zeit1.

Unter den Füßen der beiden finden sich ein Löwen- und ein Hundepaar.

Die Köpfe werden von plastischen Wimpergen umgeben, die in ihrer jetzigen Form nicht original sind.

Das etwas erhöhte Grabmal, erst nachträglich an diesen Platz versetzt, erweist sich als gängiges Beispiel einer adeligen Begräbnisstätte im späten Mittelalter und zeugt von der der Bedeutung der Dargestellten für das Kloster.“

 

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[1] STEINACKER 1907.

⦋2⦌ GÖHMANN 1991, S. 19 Anm. 45.

[3] RAULS 1974, S. 29.

[4] KOCH/KÖNIG/STREICH 2015, S. 57.

⦋5⦌ RÖCKENER 1998, S. 18.

[6] GÖHMANN 1982, S. 86.

[7] RAULS 1974, S. 29.

[8] OSTERMANN/SCHRADER 1985, S. 101.

[9] MAIER 1990, S. 50.