Der Dreisitz - ein besonderes Ausstattungsstück

Klaus A.E. Weber

 

Der Dreisitz (Levitenstuhls) ist ein prächtiger Steinaufbau mit gotischem Maßwerk, Wimpergen und Tabernakel-Fialen, wo einst die Zelebranten der Messe saßen.

Der auf der Südseite zwischen die mittleren Pfeiler des Chorquadrates eingepasste, kunsthistorisch besonders herausragende Steinaufbau des Dreisitzes soll aus dem 3. Viertel des 14. Jahrhunderts (um 1370–1390) stammen.[2][8][13][26]

Auf dem prachtvollen Gestühl aus regionalem Buntsandstein mit

nahmen während der Messen die drei Leviten Platz - der an der Spitze des Mönchskonvents stehende Prior und zwei Diakone.[13]

Links davon steht die knabenhohe, plastische Freifigur des tonsurierten Zisterziensermönchs Berhard von Clairvaux, dem geistlichen Vater des Zisterziensordens.

 

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Der prächtige Dreisitz mit vier bildlichen Tugenddarstellungen

an den Schitzwangen │ 3. Viertel 14. Jahrhundert

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Nach MAIER [1] vereinigt der als Teil der Abschrankung des erhöhten Presbyteriums (Binnenchor) zwischen zwei Chorpfeilern aufgestellte Dreisitz in sich Formelemente hölzerner Chorgestühle und der monumentalen Steinarchitektur.

In der Mitte des Dreisitzes saß der vor dem Hochaltar die Messe zelebrierende Priestermönch/Prior, rechts und links flankiert vom Diakon und Subdiakon, die lesenden Leviten.[34]

 

Vorderseite

Die Vorderansicht des Dreisitzes bedecken die schmalen Schitzwangen im Halbrelief mit figürlichen Darstellungen mönchischer Tugenden.

GÖHMANN ⦋8⦌[13], HEUTGER [26] und DRÖMANN/GÖHMANN [17] beschreiben die vier originellen bildlichen Präsentationen wie folgt zusammengefaßt:

Die reich verzierte Arbeit aus dem roten Buntsandstein der Gegend bildet einen Teil der Abschrankung des Hohen Chores zwischen zwei südlichen Arkadenpfeilern.

Sie ist von Baldachinen mit unterschiedlichen tabernakelartigen Aufsätzen überdacht, die mit Fialen und Wimpergen dekoriert sind.

Schmale Schitzwangen illustrieren die vier Grundtugenden der Zisterziensermönche:

 

1. Gestühlswange

Frömmigkeit

Mönche mussten fromm sein

  • in Gestalt eines betenden, bärtigen Mannes von fürstlichem Geblüt mit langem gegürteten Mantel - möglicherweise jener König Hiskia, der um 700 v. Chr. gegen die Feinde Israels kämpfte und gegen den Götzenkult vorging

 

2. Gestühlswange

Tapferkeit │ Mut

Mönche mußen tapfer sein und die Pforten der Hölle überwinden

  • tapferer Simon mit flammendem Haar (Feuerhaar), der - als Sinnbild der Überwindung der Höllenpforte durch Christus - einem aufgerichteten Löwen den Rachen aufreißt

 

3. Gestühlswange

Klugheit │ Schlauheit

mit dem Gewand der Demut umhüllte Schlauheit / mit Wachsamkeit vor den Ränken des Bösen

  • humorvoll selbstironisierend ein in die Mönchskutte gekleideter Fuchs, dem ein Buch an das Vorderbein geheftet ist und vor dem zwei Gänse schlafen

  • ein kleines Füchslein verbirgt sich in der Kapuze

  • so weiß sich Schlauheit mit dem Mantel der Demut zu umhüllen - als Sinnbild der Schlauheit, die sich mit dem Mantel zu tarnen pflegt

 

4. Gestühlswange:

Schweigsamkeit

  • rosettenartiges Blattwerk.

 

Auf der Rückseite des Dreisitzes befinden sich drei Felder mit flachen, figürlichen und ornamentalen Reliefs.

 

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Flachrelief auf der Rückwand des gotischen Dreisitzes

roter Buntsandstein │ 3. Viertel 14. Jahrhundert

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Rückwand

Fasst man STEINACKER [14], HEUTGER [28], GÖHMANN [13] und DRÖMANN/GÖHMANN [17] zusammen, so ist die Rückwand des gotischen Levitenstuhls, die in den südlichen Seitenchor zeigt, von vier aus der Fläche hervortretenden Strebepfeilern in drei hochrechteckige Felder geteilt, welche mit flachen figürlichen und ornamentalen Reliefs geschmückte sind – Mittelfeld mit seitlich angebrachten Nebenfeldern.

 

Mittelfeld

  • hoher, reich gegliedert ausgearbeiteter Aufbau eines Fenstermaßwerks

  • über zwei Spitzbögen eine prächtige, plastisch herausgearbeitete Rose, aus Vierpässen gebildet,

  • darüber tabernakelartige Gebilde mit Fialen, zwischen denen bärtiger Kopf mit Judenhut und gekrönter Frauenkopf

  • diese Darstellung von Synagoge und Ecclesia, der Juden- und Christenheit, vereint „Kirche“ oder „Judenchristen“ und „Heidenchristen“, folgt einem besonders in gotischer Zeit weit verbreiteten ikonografischene Typus

 

linkes Nebenfeld

  • unter einer Maßwerkwimperge tiefer herausgearbeitet der bärtige, barhäuptige Apostel Jakobus der Ältere als Pilger mit Heiligenschein in langem Mantel mit seinem Attribut der Muschel auf der rechten Seite, in der linken Hand ein Buch haltend

 

rechtes Nebenfeld - mit frömmigkeitsgeschichtlicher Bedeutung

  • unter ähnlicher Wimperge mit einer fensterartigen Fiale eine Erscheinung Christi vor zwei Männern

  • links in der Höhe ein als Vision gedachtes Haupt Christi vor einem mit Kreuz belegten Heiligenschein

  • tiefer zwei bärtige Figuren in wallenden Gewändern – offenbar zwei Apostel

  • jedoch nur die linke Gestalt - der Visionär (Protomärtyrer) Stephanus - mit Heiligenschein, die mit den Schwurfingern der rechten Hand nach dem Christuskopfe emporzeigt und mit der linke Hand ein Schriftband mit der Inschrift in gotischen Minuskeln: video domin̅ i celo ("Ich sehe den Herrn im Himmel"; Paulus) führt, während die rechte Gestalt ein Buch hält.

 

An der äußersten linken Wange des Levitenstuhls

vollplastische Freifigur des Bernhard von Clairvaux

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

An Stelle des linken Baldachins am Levitenstuhl steht die vollplastische, knabengroße Freifigur des tonsurierten Zisterziensermönchs Bernhard von Clairvaux (um 1090 - 1153) im Mönchgewand mit Hirtenstab in der Rechten und einem beschlagenen Buch in der Linken.[13][35]

Der Abt der Zisterzienserabtei Clairvaux in der Region Grand Est gilt als einer der bedeutendsten Mönche des Zisterzienserordens.

 

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[1] MAIER 1990, S. 49 Abb. 19.

[2] MAIER 1990, S. 48-50.

⦋8⦌ GÖHMANN 1991, S. 54 Anm. 28.

[13] GÖHMANN 1982, S. 85.

[17] DRÖMANN/GÖHMANN 2008, S. 21.

[26] HEUTGER 1968, S. 36.

[34] OSTERMANN/SCHRADER 1985, S. 104.

[35] OSTERMANN/SCHRADER 1985, S. 137-138.