Reichsabtei Corvey

Klaus A.E. Weber

 

Heute imponiert Corvey als eine vom norddeutschen Frühbarock geprägte Anlage auf einem rund 80.000 m² großem Areal.

Nach KOCH [13] bestand zwischen 822 und 1792/1794 Corvey als reichsunmittelbare Fürstabtei und nach der ersten Säkularisation, bei der aus Ordensbrüdern Domkanoniker wurden, bis 1803 als Fürstbistum.

Seine verkehrsstrategisch günstige Lage wie auch die engen herrschaftlichen Beziehungen prädestinierten im 10.-12. Jahrhundert die Corveyer Abtei zu einer Klosterpfalz, die mehrfach kaiserliche Herrschaftsaufenthalte aufweist.

Nach der zweiten Säkularisation Corveys im Zuge der Umgestaltung der europäischen Staatenwelt, angestoßen durch die Französische Revolution und Napoleon, war es zunächst 1802/03-1806 Teil des Fürstentums Oranien-Nassau, gehörte 1807-1813 zum Königreich Westphalen und seit 1813/15 zum Königreich Preußen.“

 

Blick auf die barocke Corveyer Klosteranlage

mit dem karolinigischen Westwerk

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Ein früher mittelalterlicher Think-Tank am Weserbogen

Gründung der Abtei vor rund 1.200 Jahren

Die Reichsabtei Corvey entstand als Benediktinerkloster um 822 mit karolingischer Hauptaufbauphase um 800-856 am Südrand des Sollings an der Weser.

Das fränkische Kloster entwickelte sich zu einer der bedeutendsten karolingischen Klostergründungen des mittelalterlichen sächsischen Stammesherzogtums.

Der Aufstieg der Reichsabtei liegt in seiner Bedeutung als Wallfahrtsort, den die Überführung der Reliquien der Heiligen Stephanus und Vitus begründete.

Mit Scriptorium und herausragender Bibliothek wurde Corvey zu einem blühenden monastischen Mittelpunkt - zu einem hervorgehobenen kulturellen, geistigen und wirtschaftlichen Zentrum seiner Zeit.

Gerne wird die Abtei mit der im 8. Jahrhundert entstandenen Klosterinsel Reichenau am Bodensee verglichen.

Die Geschichte und Kunst des karolingischen Klosters wurde 1966 umfassend im Rahmen einer aufwändigen Ausstellung des Landes Nordrhein-Westfalen in Corvey dargestellt.[1]

Das karolingische Jahrhundert kann als das goldene Zeitalter der Corveyer Geschichte bezeichnet werden.

Es hat Corvey zu einer Bedeutung in Sachsen aufsteigen lassen, die nur mit der Stellung Fuldas in Franken und der Reichenau in Schwaben vergleichbar ist.“[2]

Infolge der Säkularisation im Jahr 1803 ist Corvey kein Kloster mehr.

 

Klosterdatenbank

 

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die strategische Überlegung, zur Festigung des Frankenreiches und als Zentrum christlicher Glaubenverkündigung ein Mönchskloster inmitten des sächsischen Stammesgebietes zu gründen, wird Karl dem Großen (768-814) zugeschrieben - nach seinem Sieg über die Sachsen um 804.

 

Hethis │ 815/816

Gründungsversuch

Nach Zustimmung des Reichstages in Paderborn im Jahre 815 gründeten im ersten Versuch 815/816 Mönche aus dem nord-französischen Kloster Corbie an der Somme an einem Ort namens Hethis ihre Missionszelle (mit Klosterschule), die im nahegelegenen Solling vermutet wird.

Das Benediktinerkloster Hethis gilt als erstes Mönchskloster in Niedersachsen.

Aus verschiedenen Gründen verlegten 822 die Mönche das Kloster an den Weserbogen bei Höxter, um dort mit einen Neuanfang zu beginnen.

 

Corvey │ Nova Corbeia │ 822/823

822/823 Klosterneugründung als Nova Corbeia

Das mit Unterstützung sächsischer Adelskreise flussaufwärts an die Weser verlegte Benediktinerkloster wurde 823 durch Ludwig der Fromme (778–840) - Sohn und Nachfolger von Karls des Großen und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von 814 bis 840 - im Weserbogen der "villa Huxori" gegründet, dem späteren Höxter.

Durch die "marka Huxori" bis zur Weserbrücke führte einst eine bedeutende westfälische Fernhandelsroute, der mittelalterliche Hellweg - "der den Niederrhein im Westen mit dem Harzraum im Osten verband und der hier die Weser querte, der Bremer bzw. Frankfurter Straße in Nord-Süd-Richtung und dem Weserstrom."[13]

Ein Vetter und zeitweise enger Vertrauter von Karl dem Großen war Adalhard, (Adalhard der Ältere, um 751/752-826), ab 821 Abt der angesehenen fränkischen Abtei Corbie an der Somme und in Personalunion 822-826 Abt von Corvey.[9][12]

Obgleich die Klostergebäude noch nicht vollendet waren, zog der Konvent am 25./26. September 822 von Hethis an den Weserbogen.[10]

Die Klosterbaustelle wurde von dem Paderborner Bischof Badurat (vor 785-862) geweiht.

Im Andenken an das nordfranzösische Mutterkloster nannte er den Klosterort Nova Corbeia, Neu-Corbie.

 

Kirchenpatron Stephanus

mit dem Attribut Märtyrerpalme

vor dem Westwerk

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Silberne Reliquienbüste des heiligen Stephanus

Düsseldorf │ 1662-1675

Museum.Welterbe Corvey

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Silberne Reliquienbüste des heiligen Vitus

fraglich Augsburg │ 1700

Museum.Welterbe Corvey

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Klostergeschichte mit Höhen und Tiefen

Als erste Stätte des Benediktinerordens im Weserraum war Corvey das älteste und bedeutendste Reichskloster im frühmittelalterlichen Sachsen und blieb in dieser Region mehr als 100 Jahre lang das einzige Kloster.

Die Erteilung des königlichen Münz- und Marktprivilegs erfolgte durch Kaiser Ludwig dem Frommen im Jahr 833.

Ludwig der Fromme schenkte um 833 sein Königsgut mit Salinenanteilen an die Benediktiner.

Von ihm erhielt das Kloster die Stiftungsprivilegien und aus der kaiserlichen Pfalzkapelle in Aachen Reliquien des Schutzheiligen Stephanus.

Im Jahr 836 wurden die Reliquien des Heiligen Vitus als Schenkung des Abtes Hilduin von Saint-Denis nach Corvey überführt.

Das königsnahe Kloster wurde als Reichsabtei privilegiert und unterstand seit 981 dem den Heiligen Stuhl (Exemption).

"Die Exemtion in Bezug auf die Diözesanrechte führte zum Konflikt mit dem betroffenen Paderborner Bischof, der außerordentlich große Umfang an Zehntrechten zum Konflikt vor allem mit dem Osnabrücker Bischof.“[8]

Es sollten in der Folgezeit der Reichsabtei Corvey zahlreiche weitere Benediktiner*innen-Klöster folgen.[4]

Nach STEPHAN [5] kam ihm als geistlichem, politischem und ökonomischem Zentrum für das Weserbergland im 9.-12. Jahrhundert eine herausragende Bedeutung zu.

"Aufgrund umfangreicher Schenkungen entwickelte sich Corvey im frühen und hohen Mittelalter zum größten Grundbesitzer in Norddeutschland."[8]

Während des 9. und 10. Jahrhunderts das ökonomisch gestärkte Corvey umfangreiche Außenbesitzungen erlangt, die "die Grundlage für eine wirksame innere Missionierung Norddeutschlands" bildete, steuerte es seit dem 11. Jahrhundert auf seinen allmählichen Verfall zu.[12]

Die Reichsabtei erlebte ihre „letzten großen monastischen Blütezeiten als kirchliches Reformzentrum und zeitweise auch als wichtiger Stützpunkt des Königtums um 1080–1160“ - mit einer Zerstörung des Klosterbezirks im Jahr 1103.[6]

Für die Klosteranlage sind Renovierungen, Neu- und Umbauten um 1150 gesichert.[6]

Die ältesten Aufzeichnungen des Klosters sind die so genannten Corveyer Traditionen (Traditiones Corbeienses).

In dem quasi Schenkungsregister zeichneten Corveyer Mönche auf Pergamentrollen auf, „welche Besitzungen dem Kloster zwischen 822 und 1037 von überwiegend sächsischen Adeligen übertragen wurden“ … auch „als Ausdruck der Christianisierung, die in Sachsen mit den Kriegszügen Karls des Grüßen zwischen 772 und 804 durchgesetzt wurde“.[7]

Verstärkt seit den 1630er Jahren wurde das Kloster während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) wiederholt überfallen, geplündert und verwüstet.

 

Umbau zur barocken Residenz

Während des Zeitalters des Barock kam das Kloster Corvey zu einer weiteren Blüte.

Im Jahr 1664 wurde der ursprünglich frühmittelalterliche Kirchenbau abgerissen, wobei das Westwerk in seiner ursprünglichen Bausubstanz bestehen blieb.

Mit dem Neubau der Abteikirche im gotischen Stil in den Jahren 1667-1674 wurde von dem Fürstbischof von Münster und damaligen Verwalter von Corvey Christoph Bernhard von Galen (1606-1678) die größte Bauperiode der Klosteranlage eingeleitet, die das Stift bis 1740 erfuhr.

Der Umbau zur barocken Residenz und die Ausstattung der Kirche mit zeitgenössischem Inventar ermöglichte es den residierenden Fürstbischöfen, vor einer pompösen Kulisse herrschaftlich zu repräsentieren.

Wenige Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde 1685 im Fürstentum Corvey ein Hexenprozess gegen das Mädchen Anna Maria Elisabeth Wiegandt geführt, dokumentieert von Friedrich Schlegel.[11]

 

Äbte des Corveyer Klosters

KURTE [3] beschreibt die Biografien der

  • Äbte der frühen Zeit │ 1. - 32. Abt │ 822 - 1216

  • Fürstäbte │ 33. - 65. Abt │ 1216 - 1776

  • Fürstbischöfe │ Epoche des Bistums Corvey │ 1776 - 1803

 

Geschichte von Höxter und Corvey

 

Museum.Welterbe Corvey

1.200 Jahre Kulturgeschichte - Von der karolingischen Glaubensbastion zur barocken Residenz

Dauerausstellungen

 

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[1] NORDRHEIN-WESTFALEN 1966a/b.

[2] STÜWER 1966.

[3] KURTE 2017.

[4] NORDRHEIN-WESTFALEN 1966a, S. 226-228.

[5] STEPHAN 2022b, S. 56; STEPHAN 2017a.

[6] STEPHAN/MYSZKA/WILKE 2018, S. 326.

[7] PISCHKE 2023, S. 84.

[8] KOCH 2023, S. 113.

[9] KURTE 2017, S. 28-32.

[10] KURTE 2017, S. 21.

[11] SCHREGEL 1995.

[12] BRÜNING/HENZE 1991, S. 6.

[13] KOCH 2023b, S. 4.