17. bis 18. Jahrhundert
Klaus A.E. Weber
Höfische Pracht und Macht - Glas │ Fayence │ Porzellan
Barock - Kulturepoche zwischen Lust und Last
In der Epoche des "großen Theaterspielens" entwickeln sich durch wachsende Ansprüche bei der adligen und gehobenen bürgerlichen Tafelkultur Gläser verstärkt zu kostbaren Objekten der Repräsentation – vornehmlich an den Höfen absolutistischer Fürsten.
Als weit verbreiteter Gefäßtypus imponiert der großformatige Humpen, dessen Dekor mit Emailmalerei – neben Darstellungen des Handwerker- und Bürgerstandes - die Einheit, Macht und Ordnung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation beschwor.
Eine besondere Stellung nahmen im 17. Jahrhundert das massive Goldrubinglas und der effektvolle Glasschnitt ein.
Seit dem frühen 18. Jahrhundert kamen - mit Einführung des modischen Konsums der Heißgetränke Schokolade, Kaffee und Tee - konkurrierend Fayence-Tafelgeschirre wie auch solche aus (Hart-)Porzellan als führende keramische Erzeugnisse hinzu.
Neben den Glasmanufakturen entstanden hierbei auch Fayence-und Porzellanmanufakturen.
Ausschnitt aus dem "Portrait of Machteld Muilman"
ca. 1745 - ca. 1747
Frans van der Mijn (1719-1783) │ Öl auf Leinwand
Rijksmuseum Amsterdam
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Mit Beginn des 18. Jahrhunderts hielt kostbares Hartporzellan an den Fürstenhöfen seinen dominierenden Einzug.
Die Glaskunst, die in der vorherigen handwerklichen Generation für lange Zeit eine große Blütezeit erlebt hatte, wurde nun eher nachrangig.
Hierzu die "Zwischengoldglas-Dose" als ein eindrucksvolles Beispiel aus dem Kunstpalast Düsseldorf.
Becher │ Humpen mit polychromer Emailmalerei
Als „Humpen“ gelten recht breite, ausgesprochen voluminöse Glasbecher ohne wesentliche Fußausprägung.
∎ Reichsadlerhumpen mit Pokaldeckel
Nachbildung
Quaternionen-Adler
datiert 1716
Umschrift: Das heilige Römische Reich mit sampt seinen Gliedern Umschrift Pokaldeckel: Gott lasse nichts forthin zu trennen diese Bandt, ⎸ So steht es wohl um dich, du liebes Teutsches Landt
Vom 16. bis ins späte 18. Jahrhundert waren die dekorativen, emaillebemalten Reichsadlerhumpen ein beliebtes gläsernes Trinkgefäß im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation - als Ausdruck der Verbundenheit des Eigentümers mit dem Reichsgedanken.
„Mit dem Reichsadler wurde ein Bekenntnis zur Reichsidee abgegeben. Mit dem doppelköpfigen Adler konnten die Befürworter oder Anhänger der Reichsidee – mittelbar oder unmittelbar – an die Tradition des Römischen Reiches mit einem westlichen und einem östlichen Teil anknüpfen oder diesen Anspruch verfolgen.“[6]
∎ Kurfürsten-Humpen
Nachbildung
Willkomm-Humpen
16./17. Jahrhundert
Darstellung des deutschen (röm.) Kaisers mit sieben Kurfürsten:
CHVR Trier ⎸CHVR Mentz ⎸CHVR Cöllen ⎸CHVR Sachsen ⎸CHVR Branten. B. ⎸CHVR │ Bemen ⎸CHVR Pfaltz
∎ Fränkischer Ständehumpen
Nachbildung
datiert 1653
Wappen der Schlosser/Hufschmiede
Kristallglas
SPPS * NOSTER * IN * DEO - mit Sinnspruch
∎ Humpen mit Wappen
Nachbildung
~ 18. Jahrhundert
Spessart
∎ Großer Römer
Nachbildung
Willkommbecher
Beerennuppen
Grünglas
18. Jahrhundert
Deutschland
Walzen-Krug (Bierkrug)
Humpen aus „unechtem Porcellain“ mit Zinnmontierung (Reinzinn): ausladender Scharnierdeckel mit Gravur und Kugeldaumenrast
glänzende Zinnoxidglasur mit polychromen szenischen Bemalungen in Schaffeuerfarben (Unterglasurfarben): Manganviolett, Antimongelb, Kobaltblau, Kupfergrün, Eisenrot
∎ Berliner Fayence-Walzenkrug
Nachbildung
Architekturbild: Kirchdorf zwischen Palmen, 13 Farben
Manufactur Menicus in Berlin
um 1780
∎ Erfurter Fayence-Walzenkrug
Nachbildung
Musikant in zeitgenössischer Tracht auf Landschaftssockel zwischen Blüten und Blumenstaffage
unbekannte Manufaktur
frühes 18. Jahrhundert
∎ Potsdamer Fayence-Walzenkrug
Nachbildung
„unächte Porcellein-Fabrique“ in Potsdam
um 1750
∎ Steinzeug-Walzenkrug
Nachbildung
brauner Walzenhumpen
um 1700
Becher │ Römer
∎ Barock-Becherlein
Nachbildung
Grünglas
17. Jahrhundert
Deutschland
∎ Glastasse
Nachbildung
mit floral bemaltem Dekor
farbloses Glas
18. Jahrhundert
Böhmen
∎ Kleine Römer
Nachbildung
glatte Nuppen / Beerennuppen
Grünglas
1624/1625
Hils
Kelchgläser
∎ Kelchglas
Nachbildung
Stichblase im Fuß
Region Hessen oder Lauenstein
um 1735 [4]
Lauensteiner Trinkgläser
∎ Pokalglas
Nachbildung
blauer Lippenrand
Empire
um 1800
Osterwald
∎ Portweinglas
Nachbildung
blauer Lippenrand
Dekor: Spiegel-Monogramm „C“ für Herzog Carl I.
Osterwald
∎ Spitzkelch
Nachbildung
vergoldeter Lippenrand
Rokoko
18. Jahrhundert
Osterwald
∎ Branntweinglas „Goethe-Glas“
Nachbildung
Stichblase im Fuß
blauer Lippenrand
Empire
um 1800
Osterwald
Alpenländische Pilgerflasche
18. Jahrhundert │ Sankt Gilgen
Platt- und Kugelflaschen │ Taschentrinkflaschen
∎ Wolfgangiflaschl
Nachbildung
Abbildung: Heiliger Wolfgang, Klause am Falkenstein
kobaltblaues Glas, Zinn-Schraubverschluss
alpenländische Pilgerflasche
18. Jahrhundert
älteste Glashütte des Fürsterzbistums Salzburg (1701-1825) in Sankt Gilgen
Neuauflage 1994
∎ Barocke französische Trinkflasche „Gourde“
Nachbildung
Feldflasche, Nabelflasche
~ 1720-1730
Grésigne, Languedoc
∎ Kugelflasche mit Fadendekor
Nachbildung
Weinflasche
kobaltblaues Glas
Dekorfäden am Flaschenhals
Längsfäden am Gefäßkörper
ausgehendes 17. Jahrhundert
Alpenraum , Südtirol?
∎ Kugelflasche „Gutter“
Nachbildung
doppelt gestalteter Körper
16 Rippen vom Boden bis zum Hals
türkis-blaues Glas
17. Jahrhundert
Niederlande
∎ Zylindrische Flasche
Nachbildung
farbloses Glas mit Milchglasfäden
17. Jahrhundert
∎ Miniatur-Weinflasche
Nachbildung
bräunliches Glas
hoheitliche Glasmarke mit bekröntem „C“ (Carl I.)
um 1748
Hils
Weißes Gold und Glas in Ilmenau │ Thüringer Wald
Glas – und ein exzellenter Herzoglicher Hofglasschneider
Der 1723 in Weimar geborene Johann Heinrich Balthasar Sang stammte aus einer namhaften thüringischen Glasschneiderfamilie und siedelte als Glasschneider von Ilmenau nach Braunschweig über, wo er von Herzog Carl I. 1747 zu seinem Herzoglichen Hofglasschneider berufen wurde.
Es erscheint sicher, dass Sang Glas von der fürstlichen Schorborner Glasmanufaktur in Braunschweig bearbeitete.
Ilmenau im Thüringer Wald:
Herstellung von Glas und Porzellan
Porzellanschale von 1973: "700 Jahre Stadt Ilmenau"
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
1776 kam Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) erstmals in die 1273 gegründete thüringische Stadt, wo er die Porzellan- und Glasherstellung förderte.
1777 wurde in der Bergstadt Ilmenau mit der Porzellanfabrikation begonnen und dauerte bis 2002 an – heute in der ESCHENBACH Porzellan GROUP mit der Marke „Graf von Henneberg“ vertreten (Porzellanwerk Triptis).
Die Ilmenauer Glasindustrie im Thüringer Wald hat eine lange Tradition.
Hier waren bereits über 30 Glashüttengründungen erfolgt, bis in Ilmenau 1675 die erste Hütte unter der Leitung des Glasmachers Elias Wenzel entstand, aber bereits 1679 geschlossen werden musste.
Ihr folgte 1731-1748 die zweite herrschaftliche Hütte.
Ab 1852 produzierte als vierte und erste erfolgreich betriebene Glashütte Ilmenaus die Sophienhütte bis zu ihrer Stilllegung 1991.
∎ Porzellanschale
„700 Jahre Stadt Ilmenau“
1973
DDR
∎ Goethe-Wasserglas
Nachbildung
18. Jahrhundert
Thüringen
Schmucklose "Wachtmeister" fürs Schnapstrinken
"Schlichte" Trinkgläser sind per definitionem nach HELLER [3] jene Gebrauchsgläser mit einer einfachen "brauchbaren gefälligen", teils robusten Form, die nur mundgeblasen und mit den Grundformen und Glasmacher-Werkzeugen vor dem Werkofen ohne Applikationen, Schliff oder Bemalung entstanden sind und ggf. Farbbandränder oder Spiralfäden integrieren.
Während der der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand in Norddeutschland mit breitem Formenspektrum ein spezieller Schnapsglastyp als volkstümliches Gebrauchsglas - der beliebte, kompakte und dickwandige "Wachtmeister".[1]
Das abgebildete mundgeblasene, kompakte, 11,8 cm hohe farblose Branntwein-Glas mit Hohlschaft (Blase), dicker, getreppter Fußplatte und trompetenförmiger Kuppa kann dem Solling als Entstehungsort zugeordnet werden, entstanden im Zeitraum um 1800.[1][2]
Schnapsglas vom Standardtyp "Wachtmeister"
Höhe: 11,8 cm
norddeutsch/Solling │ um 1800
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
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[1] HELLER 2020.
[2] vergl. WIELAND 2020 Abb. 17, 18, 25.
[3] HELLER 2021.
[4] vergl. POSER 2021.
[6] KOCH 2023.