Tabakanbau und Tabakverarbeitung

Klaus A.E. Weber

 

Mit der Einführung der Tabakpflanze in Europa bekamen die Ackerbauern eine neue Kulturpflanze (noch vor der Kartoffel!), die eine Lücke in der Drei-Felder-Wirtschaft ausfüllen konnte, für den Handel eine zusätzliche Ware bot und dem Staat eine neue Steuerquelle erschloß.“[4]

Weiterverarbeitung der von Oktober bis Dezember stufenweise geernteten Tabakpflanzen ab dem 17. Jahrhundert erfolgte zu

 

Tabakfabrikanten

Nach KAUFHOLD [1] weisen gewerbegeschichtliche Quellen des späten 18. Jahrhunderts – neben Handwerk und Heimgewerbe – eine weitere Form der gewerblichen Produktion auf, für die vorindustriell meist der Begriff „Fabriken“ verwendet wurde.

Auch das Berufsverzeichnis in den genealogischen Untersuchungen enthält mehrere Hinweise auf die im 18./19. Jahrhundert nicht selten gebrauchte Bezeichnung „Fabrikant“, auch unter konkretem Produktbezug, wie beispielsweise „Glasfabrikant“ oder „Tabakfabrikant“.

Die Bezeichnung „Fabrik“ und „Fabrikant“ ist als ein vieldeutiger, willkürlicher und unscharf gebrauchter Begriff des 18. Jahrhunderts einzustufen.

Der alte Fabrikbegriff - und damit auch der Begriff Fabrikant - darf eben nicht mit dem neuen gleichgesetzt werden, der „eine großgewerbliche Betriebsform mit Arbeitsteilung und Maschineneinsatz meint“.[1]

Somit kann definitionsgemäß die Berufsbezeichnung „Fabrikant“ für jene Personen herangezogen werden, die im Heimgewerbe, Handwerk, Verlag oder sonstigen Gewerbe tätig waren und dabei ggf. auch ein spezifisches Produkt (z.B. Glas, Tabak) herstellten, welches sich in der Berufsbezeichnung wieder findet.

Hierunter können sich durchaus, wie für Heinade, Hellental und Merxhausen vermutet werden darf, auch so genannte Einmann-Betriebe „verstecken“.

Charakteristisch für die im „Fabrikwesen“ hergestellten Waren ist, dass diese als Konsumgüter vornehmlich für den gehobenen Bedarf hergestellt wurden, so auch in den hier betrachteten Dörfern (z.B. Glas, Schachteln, Tabak, Zigarren).

 

Tabak und Zigarren

Seit der Tabak in der frühen Neuzeit den gesamten Globus eroberte, galt Rauchen insgeheim als Sinnbild von Weltläufigkeit und Eleganz.

Gegner und Befürworter des zunehmenden „Blauen Dunstes“ stritten zeitweise sehr heftig miteinander.

Nach MURKEN [5] kam die Zigarrenherstellung „in unserer Region erst weit nach der Mitte des 19. Jhs.“ auf und erreichte besonders um die Wende vom 19. Jahrhundert zum 20. Jahrhundert einen Höhepunkt.

Im 19. Jahrhundert begann das Tabakwesen, insbesondere das Zigarrengeschäft, auch im Herzogtum Braunschweig zu prosperieren.

Die industrielle Zigarrenherstellung und deren Vertrieb waren auch für den Braunschweiger Weserdistrikt wirtschaftlich begünstigt, nachdem dieser zum 01. Januar 1844 dem Deutschen Zollverein angeschlossen worden war.

Das manuelle Zigarrenmachen oder -drehen erfolgte in jener Zeit auch in Heimarbeit als Nebenerwerbszweig in nichtzünftiger landhandwerklicher Spezialisierung.

Zigarren in Heimarbeit herzustellen, war eher unkompliziert bei einfachen Arbeitsmitteln (Tisch, Messer) und trug zur Stabilisierung des Familieneinkommens bei.

Alle erforderlichen Arbeiten wurden dabei meist in jenem Raum durchgeführt, in dem zugleich auch gegessen und geschlafen wurde.

Auch in der hier betrachteten Dorf:Region gab es nachweislich Tabakfabrikanten und Tabakspinner sowie Zigarrenmacher.[2]

Ungeklärt ist die Frage, woher der Rohtabak für die Hellentaler Zigarrenmacher kam, denn für einen Anbau der anspruchsvollen und witterungsabhängigen Tabakpflanze war das Umfeld von Hellental denkbar ungeeignet.

 

Tabaktopf

Westerwälder Steinzeug

um 1900

© Historisches Museum Hellental, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

∎ Tabaktopf │ um 1900

»Marburger Kautabak aus der Fabrik von Stephan Niderehe & Sohn«

salzglasierter grauer Tabaktopf mit blauer Schrift

Westerwälder Steinzeug

1 Liter │ 3 Luftlöcher im Deckel

[hmh Inv.-Nr. 5139

Im Marburger Stadtteil Weidenhausen gründete 1817 Stephan Niderehe [3] gemeinsam mit seinem Sohn Peter die mittelhessische „Rauch & Kautabak-Fabrik Stephan Niderehe & Sohn“.

 

Hellentaler Tabakwesen

Spinner und Fabrikanten

Für Hellental gab es im 18. und 19. Jahrhundert ein dörfliches Tabakwesen mit selbständig arbeitenden Tabakfabrikanten, wahrscheinlich durch eine nebenberufliche Tätigkeit.

Unter den Steuer zahlenden Handwerkern des Jahres 1765 wurde ein „Tabakspinner" benannt (Caspar Wedel).

Tabakspinner arbeiteten Rohtabak auf, indem sie Tabakblätter zu langen, festen Rollen („Tabakseilen“) für den Pfeifen- und Kautabakkonsum zusammendrehten

Georg Heinrich Konrad Timmermann war als „Tabakfabrikant“ im Hellentaler Tabakwesen tätig gewesen, ebenso auch der Gastwirt Georg Friedrich Daniel Theodor Timmermann und Karl Friedrich Ludwig Schütte.

Zwischen 1906 und 1910 sollen kurzzeitig in dem Haus Ass.-№ 9 Karl Brackmann und in dem Haus Ass.-№ 29 Karl Gehrmann als Zigarrenmacher gearbeitet haben; letzterer soll bis etwa 1930 Zigarren hergestellt haben.

Das Fachwerkhaus des Tabakfabrikanten Georg Timmermann wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet, wie es die schlichte Hausinschrift zur Selbstdarstellung des Bauherrn mit Namen und Jahreszahl am ehemaligen Hauseingang an der traufenständigen Gebäudeseite ausweist:

GEORG TIMMERMANN │ ANNO

FRIEDERIKE │ GB │ KROP │ 1836

Der 28-jährige Georg Timmermann hatte am 17. November 1811 in Heinade die am 15. November 1792 in Merxhausen geborene, 19-jährige Eleonore Friederike Luise Karoline Kropp geheiratet.

 

Zigarrenpressform

Holz

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Zigarren herstellen

Die Zigarre gilt als eines der ältesten Genussmittel.

In ihrer heutigen Wickelform fand die Zigarre erst in der Kolonialzeit ab dem 15. Jahrhundert eine globale Verbreitung.

Hierbei gehören Zigarrenpressformen (Wickelpressen) zu den wichtigsten Utensilien der manuellen Zigarrenherstellung.

Später zogen Raucher*innen die Zigarette der Pfeife und dem Kautabak vor.

 

Zigarrenpressform

Tabakpresse aus Holz

  • zwei einzelne, gleich lange Holzteile (Ober- und Unterteil) mit verleimten Einzelteilen für 20 Zigarren

  • Pass-Stifte (1/2) zur passgenauen Zusammenführung von Ober- und Unterteil

Eingebranntes Firmenlogo

  • Carl Intelmann Komm.-Ges. │ Gegr. 1862 │ Ciag │ Bad Zwischenahn i/O. │ № 19315 │ 306

  • Coroma 4.5.6

[hmh Inv.-Nr. 1076

 

∎ Zigarrenschneider

1. Hälfte 20. Jahrhundert

Zigarrenanschneider in Holzform

Holz, Eisen

[hmh Inv.-Nr. 1296

Zigarrenschneider werden benutzt, um nicht eingekerbte Zigarren vor dem Rauchen an einem Ende anzuschneiden.

 

________________________________________________________

[1] KAUFHOLD 1983, S. 200 f.

[2] CREYDT 2002. S. 33-64.

[3] in der Literatur unkorrekt auch "Niederehe" genannt.

[4] MURKEN 1998, S. 262.

[5] MURKEN 1998, S. 264.