Im Rausch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

Klaus A.E. Weber

 

1933-1945

Die Folgen der Zerstörung der Weimarer Republik

Die grausame Phase der „braunen“ völkischen Ideologie, der menschenverachtenden Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus und eines erneut von Deutschland ausgehenden „Großen Krieges“ - dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) - zeichnete sich in der demokratischen Weimarer Republik zunehmend an verschiedenen Konturen ab.[9]

 

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Brand des Reichstagsgebäudes

Berlin

Nacht vom 27.

auf den 28. Februar 1933

Morgen-Ausgabe

des "Vorwärts"

Parteizeitung der

Deutschen Sozialdemokratie

© Historisches Museum Hellental

 

Die Weimarer Republik wurde schließlich durch Angriffe antidemokratischer und antirepublikanischer Kräfte sukzessiv zerstört, gepaart mit der Hetze gegen die liberale Demokratie und die freiheitlich-demokratischen Parteien.

Der Nationalsozialismus wurde dabei von einer zunehmend breiteren Zustimmungskultur in Deutschland getragen - und erhielt Schmiergeld für die Macht und die Zerstörung..

Wieder sollte es, wie kurz zuvor beim Ersten Weltkrieg, deutsche Profiteure geben; nunmehr solche der gewaltigen nationalsozialistischen Vernichtungspolitik (Personen aus Justiz, Kirchen, Wohlfahrtseinrichtungen, Kultur, Publizistik, Wissenschaft, Medien, Polizei, Wehrmacht, tragende Personen aus NSDAP, SA und SS).[1]

In der Zeit von August bis Oktober 1942 wurde rund ein Viertel der jüdischen Holocaust-Opfer binnen drei Monaten ermordet.[19]

1934 beteiligten sich 683 deutsche Frauen und Männer an einem Preisausschreiben des US-amerikanischen Soziologen Theodore Abel (1896-1988) in Zusammenarbeit mit der NSDAP (Propagandaministerium) zum Thema "Warum ich Nazi wurde".

Die archivierten und gesichteten biografischen Berichte offenbaren die freiwillige Begeisterung für den "mustergültigen Mann" Hitler und seine propagierten Ideen; sie zeichnen zugleich aber auch ein erschreckend aktuelles Gesellschaftsbild.[8]

 

Dunkles Kapitel der Kirchengeschichte

Sonderausstellung im Lutherhaus Eisenach: „Erforschung und Beseitigung. Das kirchliche ‚Entjudungsinstitut‘ 1939–1945“

 

Demokratie – aber zu wenig Demokraten

Zerstörung der Weimarer Republik im konservativen Deutschland durch antidemokratische und antirepublikanische Kräfte

Am 24. März 1933 trat das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ in Kraft, das schließlich am 20. September 1945 durch den Alliierten Kontrollrat förmlich aufgehoben wurde.

Mit dem Ermächtigungsgesetz und der Macht der Straße fand die erste deutsche Demokratie mit ihrem parlamentarischen System im konservativ geprägten Deutschland ein fatales Ende.

Hieran gedenkend schreibt WIDMANN [3] im Feuilleton der Frankfurter Rundschau vom 24. März 2023:

Die letzten freien Wahlen der Weimarer Republik hatten im November 1932 stattgefunden.

Stärkste Fraktion war mit 31,1 Prozent der Wählerstimmen die NSDAP.

Ihr folgten die SPD mit 20,4 und die KPD mit 16,9 Prozent.

Das Zentrum erhielt 15 Prozent, die Deutschnationale Volkspartei 8,3 Prozent und die ihr folgende Deutsche Volkspartei gerade noch 1,9 Prozent.

Eine Fünf-Prozentklausel gab es nicht.

Das Zentrum hatte schon seit Kaisers Zeiten eine Einigung mit der Bayernpartei, wie sie heute noch die Zusammenarbeit von CDU und CSU charakterisiert.

Gegenüber den Wahlen vom Juli 1932 hatten die NSDAP 4,2, die SPD 1,2 Prozent verloren, die KPD dagegen 2,6 und die Deutschnationale Volkspartei 2,4 Prozentpunkte gewonnen.

Nach langem Zureden gelang es Franz von Papen, den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg dazu zu überreden, den von ihm verachteten Adolf Hitler als Reichskanzler zu akzeptieren.

Papen war selbst vom 1. Juni 1932 bis zum 3. Dezember 1932 Reichskanzler gewesen.

Die entscheidende Tat seiner Regierung beging er am 20.Juli 1932.

Mit Hilfe einer „Notverordnung“ des Reichspräsidenten von Hindenburg setzte er die legale sozialdemokratische Regierung des Freistaates Preußen ab und unterstellte das Land der Zentralregierung.

Jeder Protest dagegen stand unter Strafe.

Der Rechtsweg war ausgeschlossen.

Nach den Wahlen vom November 1932 wurde Hitler am 30. Januar Reichskanzler.

Er eroberte nicht etwa gegen tausend Widerstände die Kanzlerschaft.

Von einer Machtergreifung der Nationalsozialisten kann zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein.

Die NSDAP wurde von antidemokratischen bürgerlichen Parteien kooptiert.

Franz Josef Strauß erklärte einmal, es sei ihm gleichgültig, wer unter ihm Kanzler sei.

Ähnlich dachte wohl von Papen über Hitler. …“

Die Sympathisanten von Hitler und seiner NSDAP „zerstörten Parteilokale der Linken von KPD bis SPD, verprügelten Oppositionelle und brachten ein paar Dutzend um“.[3]

 

"Die Verantwortung vor unserer Geschichte kennt keine Schlussstriche" [17]

Mit der Reichstagswahl 1930 konnten die Nationalsozialisten ihren Wirkungsschwerpunkt nach Norddeutschland und somit auch nach Niedersachsen und in die hier betrachtete Dorfregion verlagern.

Dort konnten in zahlreichen Kreisen bzw. Ämtern über 40 % der Wählerstimmen erzielt werden.

Das „platte Land“ wurde zu einer nationalsozialistischen Hochburg, mit Ausnahme der katholischen Gebiete.

  • Einen umfassenden Überblick zum Aufstieg und zur Herrschaft der Nationalsozialisten im Weserbergland zwischen 1921 und 1936 bietet das Buch von REICHARD/SCHÄFER.[12]
  • Zur nationalsozialistischen Propaganda im Kreis Holzminden von 1930 bis 1932 wird auf einen etwa gleichlautenden Aufsatz von SEELIGR [5] verwiesen.

Hierzu eine Frage:

Ist die Anerkennung aller Opfer der nationalsozialistischen Willkür in Deutschland inzwischen selbstverständlich?[2]

 

Holzmindener Verwaltungsschriftstück

"Indikation zur

Unfruchtbarmachung"

um 1936

© Historisches Museum Hellental

 

Mit dem „Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ (GVG) vom 03. Juli 1934 und seiner drei Durchführungsverordnungen wurden unter dem NS-Regime das kommunale und staatliche Gesundheitswesen in der örtlichen Instanz der Gesundheitsämter zusammengeführt und damit die Kreisärzte zum 01. April 1935 durch staatliche Gesundheitsämter ersetzt.

 

Handbuch zur

Anwendung des

„Gesetzes zur Vereinheitlichung

des Gesundheitswesens“ (GVG)

vom 03. Juli 1934 1935

Aus der Bibliothek

eines Holzmindener

NS-Kreisarztes

© Historisches Museum Hellental

 

LABISCH/TENNSTEDT [4] zeichneten anlässlich der fünfzigjährigen Verabschiedung des GVG ausführlich sozialhistorisch die Entstehung des "Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens" vom 3. Juli 1934 nach wie auch Entwicklungslinien und-momente des staatlichen und kommunalen Gesundheitswesens in Deutschland vor 1933.

 

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[1] s. hierzu das Personenlexikon zum Dritten Reich von KLEE 2003, das als Standartwerk über die wichtigsten Personen aus Justiz, Kirchen, Wohlfahrtseinrichtungen, Kultur, Publizistik, Wissenschaft, Medien, Polizei, Wehrmacht, tragende Personen aus NSDAP, SA und SS informiert.

[2] NONNENMACHER 2022.

[3] WIDMANN 2023.

[4] LABISCH/TENNSTEDT 1985a/b.

[5] SEELIGER 2008a, S. 1-30.

[8] TKALEC 2018.

[9] WIDMANN 2020b

[10] LENZ 2020.

[12] REICHARDT/SCHÄFER 2016.

[17] Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am 03. Oktober 2017: „Die Verantwortung vor unserer Geschichte kennt keine Schlussstriche.“

[19] JÄRKEL 2019.