Glaube und Macht │ Gewissen und Protest

Klaus A.E. Weber

 

Glaubenskultur im 16. Jahrhundert [5]

 

Zeichen von Macht

und Herrschaft

16. Jahrhundert

Historisches Museum

Basel

November 2021

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Reformator Luther und die Folgen der konfessionellen Polarisierung 1517-1648

 

Dr. Martin Luther

von Lucas Cranach d. Ä.

1529 erstelltes Porträt

Galleria degli Uffizi

Firenze

2017

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Rebellischer Mönch ⎸ Entlaufene Nonne

Größter Bestseller aller Zeiten: Die Bibel  ⎸ Die Kunst des Buchdrucks

500 Jahre Reformation und "Der große Leitkulturstreit" [3]:

Im Jahr 2017 wurde das 500. Reformationsjubiläum begangen (Evangelische Kirche in Deutschland: reformation2017), so auch in Kirchengemeinden des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Holzminden-Bodenwerder.

Dabei gilt der Wittenberger Theologe Dr. Martin Luther, einer städtischen Oberschicht entstammend (Mansfeld), gemeinhin als theologischer Urheber der Reformation.

Luther veröffentlichte im Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen die römisch-katholische Praxis des Ablasswesens.

Es folgten Luthers Bibelübersetzungen ins Hochdeutsche, wodurch die Lutherbibel zugleich auch "ein Sargnagel" der niederdeutschen Sprache wurde.[12]

 

Stiftung Lutherhaus Eisenach

Martin Luther soll in dem thüringischen Fachwerkhaus in Eisenach als Schüler von 1498-1501 gewohnt haben.

 

Der Buchdruck des Johannes Gutenberg (1394/1404 - 1468)

"Gutenbergjahr 2018" in Mainz

Der um 1400 in Mainz geborene, facettenreiche Patriziersohn Henne Gensfleisch zur Laden - genannt Gutenberg - gilt als Entwickler bzw. Erfinder des bahnbrechenden Buchdruckens mit Druckerpresse und beweglichen Lettern/Typen - Buchstaben und Zeichen ("Figuren").

Mit den Frühdrucken nach Gutenberg - dem "Mann des Jahrtausends" [2] - setzte weltweit eine "Medienrevolution" ein, die die Welt veränderte.

 

Rekonstruierte Gutenberg-Werkstatt

Auf einem "Schiff"

zur Form gesetzte

Buchseite eines Bibeltextes

Gutenberg-Museum Mainz

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Gutenbergs Meisterwerk war der Druck der 1.282-seitigen, 42-zeiligen lateinische „Vulgata“ in den Jahren 1452-1455 - der in Mainz gedruckten Gutenberg-Bibeln.

 

Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553)

Die "Luther-Bibel" von 1534 ist als Vollbibel die erste Gesamtausgabe mit Holzschnitten und Bildinitialen aus der Werkstatt von Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553).[30]

 

"Am Anfang war das Wort"

Reformator und Mediengenie mit Selbstinszenierung:

Dr. Martinus Luther (1483-1546) - Der "Lautere" und "Pöbler vor dem Herrn" [12]

Durch die von Martin Luther ausgehende Reformation wurde „die Sicherheit eines einigen, christlichen Glaubens, die im Mittelalter alle Lebensbereiche durchdrungen hatte“, radikal in Frage gestellt.

Das jahrhundertalte christliche Bild des übermächtigen „strafende Gottes“ wandelte sich hierbei in das eines nahen „gnädigen Gottes“.[6]

Der Mönch und Theologieprofessor Dr. Martin Luther hatte mit seinen "95 Thesen" zum Ablasswesen seiner Zeit („Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum“ / Ablassthesen „Disputation zur Erläuterung der Kraft des Ablasses“) im Oktober 1517 in der Universitätsstadt Wittenberg eine Erneuerung der Kirche gefordert.

Indem Luther die Praxis des Ablasshandels kritisierte und die Kraft des Glaubens, der allein auf die Gnade Gottes vertraut, dagegen stellte, stieß er eine Entwicklung an, die Bauern, Bürger und Fürsten gleichermaßen kritisch bewegte.

„Misstrauisch geworden gegen die Priesterschaft, begann man nun selbst nach den Worten und der Bedeutung der Bibel zu forschen.“

Dadurch wurde die Autorität der machtvollen katholischen Kirche in ihren Fundamenten bedroht und aus der Glaubensfrage alsbald eine Machtfrage, die sowohl den Papst als auch den Kaiser zu beschäftigten wusste.[8]

Martin Luther wurde zur Leitfigur für unerwünschte Veränderungen und deshalb von dem spanischen Habsburger und Kaiser Karl V. (1500-1458) und Papst Leo X. (1475-1521) gleichermaßen bekämpft.

Seine drastischen Schimpfkanonaden ließen ihn zum „Pöbler vor dem Herrn“ werden.[12]

1520 erging die römische Bannbulle von Papst Leo X. gegen den "Ketzer Luther".

 

"Causa Luther"

Luthers umjubelter Einzug zum Verhör beim Reichstag zu Worms des Jahres 1521 gestaltete sich zu einem Event wie auch "zu einem Symbolereignis seines Lebens und Wirkens".[7]

Seinen gut vorbereiteten "Hier stehe ich, ich kann nicht anders"-Auftritt kennzeichnen Fake News, PR-Shows und reale Gefahren.[7]

Die sächsischen Kurfürsten, u.a. Friedrich III., der Weise (1463-1525), hielten hingegen ihre schützende Hand über Martin Luther und sein Werk.[9]

Im Schutze und durch Förderung der sächsischen Kurfürsten konnte sich die reformatorische Bewegung entwickeln und verbreiten.[11]

 

Erinnerung an den Wormser Reichstag 1521

Wormser Landesausstellung "Hier stehe ich. Gewissen und Protest - 1521 bis 2021"

Museum Andreasstift in Worms │ 03. Juli - 30. Dezember 2021

 

Katharina von Bora

von Lucas Cranach d. Ä.

1529 erstelltes Porträt

Galleria degli Uffizi

Firenze

2017

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Katharina von Bora (1499-1552) - Die Frau an Luthers Seite

Damit nicht genug der öffentlichen Provokation von kirchlichen wie weltlichen Machtstrukturen, denn am 13. Juni 1525 heiratete der 42-jährige Priester Dr. Martinus Luther in Wittenberg die 26-jährige Adlige und Ordensschwester Katharina von Bora.

Es war die berühmteste Hochzeit jener Jahre.

Als polarisierende "Lutherin" wurde Katharina Luther zur bekanntesten Frau ihrer Zeit.

In einem kühnen Schritt war zuvor die junge Nonne Katharina von Bora Anfang April 1523 mit elf Mitschwestern aus dem Kloster Marienthron in Nimbschen bei Grimma in einem Planwagen in die Residenzstadt Wittenberg geflohen und hatte die Ordenstracht abgelegt - eine erste Weichenstellung hin zur Gleichberechtigung der Frau.

 

Dr. Martin Luther und das "Ainpöckisch Bier"

Erstmals wurde die Einbecker Brauerei im Jahr 1378 erwähnt.

Offenbar gilt das besondere "Ainpöckisch Bier" aus der hiesigen Region als des Reformators Lieblingsbier.

Angeblich soll Martin Luther vor 500 Jahren ausgesprochen haben:

"Der beste Trank, den einer kennt, der wird Einbecker Bier genennt"

 

"Von der Freyheyt eyniß Christenmenschen."

Der Reformator Martin Luther entwickelte sich schließlich zum "Mediengiganten" indem er für seinen raschen Aufstieg wie kein anderer vor ihm Print-Produkte nutzte (Bücher und Flugblätter).[29]

Die Theologie und Religionswissenschaft an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) Göttingen verfügt über wertvolle historische Bestände u.a. im Bereich der Reformationszeit mit zahlreichen Luther- und anderen Reformationsdrucken (s. auch Handbuch der historischen Buchbestände).

Das geistige Zentrum des neuen Glaubens und der Reformation war die Wittenberger Universität.

Das politische Zentrum entwickelte sich am kursächsischen Hof in der Residenzstadt Torgau an der Elbe.[11]

Der rasch und heftig entbrannte Streit um den „richtigen Glauben“ führte zur militärischen Eskalation und wurde gewaltsam auf den Schlachtfeldern entschieden.

Die religiös-sozialen Unruhen, vor allem die große Erhebung süd- und mitteldeutscher Bauern, wurden in den Bauernkriegen 1524/1525 von den Fürsten blutig niedergeschlagen.

Um 1546/1547-1551 kam es im „Schmalkaldischen Krieg“ zu einem bewaffneten Kampf zwischen den Heeren der Protestanten (Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige) und der Papsttreuen (Kaiser Karl V., Kurfürst Moritz von Sachsen).

1552 folgte der so genannte Fürstenaufstand, der die Wende bringen sollte.

Schließlich fanden die Gegner im Augsburger Religionsfrieden die bekannte Kompromissformel „Cuius regio, eius religio“.[10]

Der 1555 in Augsburg geschlossene Religionsfrieden führte einerseits zur reichsrechtlichen Anerkennung des „Augsburger Bekenntnisses“ von 1530, andererseits wurde die Trennung in zwei Konfessionen Reichsgesetz.

Damit war für die Protestanten Rechtssicherheit geschaffen und die christliche Kirche endgültig gespalten.

Herzog Julius (1528-1589) führte in seinem Fürstentum Braunschweig, nach frühen reformatorischen Bestrebungen, 1568 endgültig die Reformation ein.

 

Katholiken │ Protestanten │ Reformierte

 

Luthers Thesen und die Folgen

Deutsche Geschichte im Zeichen der konfessionellen Polarisierung

 

Gottesdienst "500 Jahre Reformation"

Klosterkirche Amelungsborn

Am Montag, 30. Oktober 2017, 18:00 Uhr,, wurde auf Einladung des Kirchenkreises Holzminden-Bodenwerder und des Klosters Amelungsborn in der Klosterkirche Amelungsborn der (Abschluss-)Gottesdienst "500 Jahre Reformation" mit Abt Eckhard Gorka und Superintendent Ulrich Wöhler begangen.

Die auch kirchenhistorisch beeindruckende Predigt hielt Horst Hirschler (* 1933), Abt des 1163 gegründeten Zisterzienserkloster Loccum und Landesbischof i.R. der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover.[1]

 

______________________________________________________________________

[1] JBO 2017.

[2] "Time"-Magazin 1999.

[3] THOMAS 2017b.

[4] Aus der Meißener Altargarnitur der Kaiserin Wilhelmine Amalia │ Meißen │ um 1737-1741.

[5] knapp gefasste Übersicht bei KRÄMER 2021, S. 92-106.

[6] Informationsunterlagen zur 2. Sächsischen Landesausstellung in Torgau, Schloss Hartenfels (24.05. – 10.10.2004): „Glaube & Macht – Sachsen im Europa der Reformationszeit“.

[7] FRANK 2021.

[8] Informationsunterlagen zur 2. Sächsischen Landesausstellung in Torgau, Schloss Hartenfels (24.05. – 10.10.2004): „Glaube & Macht – Sachsen im Europa der Reformationszeit“.

[9] BORNKAMM/EBELING 1983.

[10] „Wessen das Land, dessen die Religion“.

[11] STAATLICHE KUNSTSAMMLUNGEN DRESDEN 2015a/b.

[12] KAEHLBRANDT 2022.

[29] TIEKE, HENDRIK: Der Mediengigant. Martin Luther nutzte für seinen raschen Aufstieg wie kein anderer vor ihm Print-Produkte - Seine Gegner konterten zu spät, um ihn noch aufhalten zu können. In: Frankfurter Rundschau, Nr. 306, Silvester 2016, S. 32-33.

[30] Biblia/das ist/die gantze Heilige Schrift Deudsch. Mart. Luth. Wittemberg. Begnadet mit Kürfürstlicher zu Sachsen freiheit. Gedruckt durch Hans Lufft. A. D. XXXIIII. Die Propheten alle Deudsch. D. Mar. Luth. Gedrückt zu Wittemberg durch Hans Lufft. A. D. XXXIIII. Weltdokumentenerbe der UNESCO 2015.