Rodungen im 12.-14. Jahrhundert

Klaus A.E. Weber

 

Landgewinnung durch Abrodung

Sachsenspiegel, um 1230

Universitätsbibliothek Heidelberg [12][13]

 

Historische Rodungen dienten vor allem der Schaffung oder erweiterung von Siedlungsflächen und der Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflächen, verbunden mit gewinnbringendem Holzverkauf.

Waren die unwirtlichen Höhenzüge des Sollings für eine dauerhafte Siedlung zunächst wenig geeignet, so war der Solling im Frühmittelalter teilweise erschlossen und Waldgebiete nicht mehr länger siedlungsleer.[3]

Beispielhaft sind hier die beiden interdisziplinär untersuchten Dorfwüstungen Smedersen/Schmeessen mit Wölbäcker, Kirche und Kirchhof [8] und Winnefeld mit Wüstungskirche und Friedhof [9] im Hochsolling zu benennen.

Die in fränkischer Zeit einsetzende und bis etwa 1300 andauernde Siedlungsperiode mit Rodung, Gründung und Erweiterung von Dörfern „ist dadurch charakterisiert, daß Grundherren – besonders in Gestalt der Klöster – jetzt stärker in den kulturgeographischen Ausbau eingriffen und diesen zeitweise dominierten“.[3]

Wie KÜNTZEL [5] ausführt, okkupierten im Weserraum in der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert Grafen- und Edelherrengeschlechter (Grafen von Everstein) zahlreiche große Waldgebiete der Mittelgebirge, so auch im Solling, die sie durch das Anlegen von Burgen sicherten.

Damit ging der Burgenbau mit einer intensiven Waldnutzung einher, wobei die Wälder eine starke Auflichtung erfuhren, in dem sie als

  • Rohstofflieferanten (Brenn- und Bauholz)

  • Jagdreviere

  • „Landreserven“, welche durch Rodungen schrittweise für eine agrarische Nutzung, wie auch zur Ausbildung eigenständiger Herrschaftsbereiche mit Jagd- und Forstrechten erschlossen wurden

sowie dem Ausbau bestehender Siedlungen dienten; Dorfgründungen waren eher nachrangig.[5]

Um 1300 wurden landesherrliche Rodungsverbote erlassen und im 13. Jahrhundert kam es zu einem Stillstand im Zusammenhang mit der Entstehung von Burgen und Städten.[12]

Im (braunschweigischen) Weserbergland lag der Höhepunkt mittelalterlicher Rodungen nach STEPHAN [1] in den Jahrzehnten um 1200-1350.

Zwar gelten während des 12. Jahrhunderts die Klöster nicht als Träger planmäßiger Rodungen im unwirtlichen Solling [3], so rodete nach 1200 das Kloster Amelungsborn im Rahmen seiner den Besitz erweiternden Kultivierungsarbeiten auch im Solling; noch1308 sei das Kloster mit dem Roden von Wäldern beschäftigt gewesen.[2]

 

Ergebnis spätmittelalterlicher Rodungsprozesse:

"Das Helldahl" mit "Wiesen"

Ausschnitt

"ABRIS DES SOLLINGS. Anno Christi 1603"

Johannes Krabbe (1553-1616) [6]

NLA WO, K 202 Blatt 3

 

Pionierfunktionen von Waldglashütten

Nach STEPHAN [11] waren sehr wahrscheinlich Glashütten „an der Erschließung des hochmittelalterlichen Kulturlandes beteiligt“.

Die mittelalterliche „Konjunktur der Glaserzeugung wirkte sich ökologisch und kulturgeographisch stark aus“, wobei „sich im späteren 12./13. Jahrhundert eine Pionierfunktion von Glashütten für die Waldrodung und die Anlage neuer Siedlungen nachweisen“ lassen.[10]

So hatten möglicherweise Glashütten auch Pionierfunktionen für die hoch- bis spätmittelalterlichen Raumerschließung in der Sollingregion, so beispielsweise für „den Ausbau des Ackerlandes im Bereich zwischen Nienover, Dankwardessen und Helmwardessen von 1150-1250“.[7]

Im Kontext der Landerschließung ist zu diskutieren, ob das Anlegen von Waldglashütten zudem gezielt der Rodung von Waldgebieten gedient haben könnte, um machtpolitische wie territoriale Grenzen zu markieren.

Dem gegenüber herrscht in der Literatur die Auffassung vor, dass die welfischen Fürsten sehr darauf bedacht gewesen seien, dass im Solling aus den Wanderglashütten keine ortsgebundenen, dauerhaften agrarisch-dörflichen Siedlungen entstanden.[1]

Denn war der Glashüttenbetrieb eingestellt, „wurden Häuser und Nebengebäude abgerissen, das verbliebene Holz bekamen die Köhler zum Kauf angeboten“.[4]

 

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[1] STEPHAN 2010, S. 65, 134.

[2] HEUTGER 1968, S. 52-53.

[3] STREICH 1996, S. 25-28.

[4] STREICH 1996, S. 150-152.

[5] KÜNTZEL 2010, S. 24-25.

[6] Edition: ARNOLDT/CASEMIR/OHAINSKI 2004.

[7] STEPHAN 2010, S. 68-69, 140.

[8] STEPHAN 2010, S. 83-85.

[9] STEPHAN 2010, S. 74-83.

[10] DBU 2018, S. 26.

[11] STEPHAN 2022b, S. 59.

[12] Blog-Artikel des Schweizerischen Nationalmuseums vom 01. Juli 2022 von André Perler, Dialektologe und Historiker und arbeitet als Mundartredaktor bei SRF.

[13] Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 164 - Eike <von Repgow> - Heidelberger Sachsenspiegel — Ostmitteldeutschland, Anfang 14. Jh.