Kostbares aus Salinen: Siedesalz und Asche

Klaus A.E. Weber

 

Söltjerbrunnen

vor dem Rathaus

Bad Münder

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Salinen und ihre wertvolle "Sodasche"

Salzquellen im Weserbergland und regionale Siedeasche nahmen eine bedeutende Rolle bei der mittelalterlichen Glasproduktion im Solling ein, "denn die beim Salzsieden anfallende salzhaltige Asche war vermutlich relativ problemlos und preiswert von den Glasmachern zu erwerben".[5][9]

 

"Salz, das aus Sole gewonnen ist"

Der Mineralstoff Speisesalz - Kochsalz: Natriumchlorid (NaCl) - gilt als ein "geschichtsmächtiger Stoff", auch begehrt als Handelsgut.[20]

Wie für den Kaufunger Wald gut belegt [16], wurde im 16./17. Jahrhundert Siedesalz als mischungstechnisch nur begrenzt einsetzbarer Natrium-Rohstoff aus Salinen bezogen

  • als Nebenprodukte des Siedeprozesses in Solepfannen

  • als Verbrennungsasche („Siedeasche“)

Ein kurzgefasster Überblick zu Salinen im ehemaligen Land Braunschweig ist bei JARCK/SCHILDT [10] zu finden.

 

Rohstoff Salinenasche

Nebenprodukt als Flussmittel

Die "gute" Holzasche, die im Siedeprozeß bei der Befeuerung der Siedepannen in den Salinen entstand, war wegen des erhöhten Natriumgehaltes (Natriumcarbonat (Na2CO3)) ein gutes Flussmittel, weshalb Salinenasche als Nebenprodukt an Glashütten verkauft wurde.[15][17]

In den Glashütten wurde die „Salz-Sieder-Asche“ als Flussmittel umfangreich genutzt.

So war nach LOIBL [8] die Salinenasche "in Glashütten als Flussmittel besonders begehrt, da diese aufgrund des hohen Natriumanteils mehr Quarzsand zum Schmelzen brachte, als jede andere Aschensorte.“

Im Einzelnen führt LOIBL [8] hierzu weiter aus:

Da die enorme Energiegewinnung zur Erhitzung der Sudpfannen auf allen Salinen durch Holz erfolgte, produzierten die Salzsiedereien in den Salzorten – quasi als Abfallprodukt – riesige Quantitäten an Holzasche, die sich Glashütten zunutze machen konnten.

Die hervorragende Wirkung als Flussmittel resultierte wahrscheinlich aus den getrockneten Salzresten, die beim Erhitzen der Sudpfannen durch Überkochen, Unachtsamkeit oder undichte Gefäße in die Asche gelangt waren und dadurch den Natriumgehalt der Verbrennungsrückstände wesentlich erhöht hatten.

Möglicherweise begünstigten die Prozeduren der Salzsieder die Bildung von Natriumkarbonat (Na2CO3) in der Asche, wodurch beim Glashütteneinsatz “eine ähnliche Flussmittel-Wirkung wie bei der Soda erzielt worden wäre.

Vermieden wurden damit offenbar die negativen Begleiterscheinungen des Kochsalzes, das auf Glashütten immer wieder vergeblich als Flussmittel versucht worden war.“

 

Planmäßige Zugabe von Kochsalz

Salz mit dem Hauptbestandteil Natriumchlorid ist neben calciumreicher Holzasche die Grundlagen zur Herstellung von Holzasche-Kalk-Glas.

Die Verwendung von Salz (Steinsalz, Schwarzsalz, rohes Salz) als alkalischer Rohstoff lässt sich für neuzeitliche Gläser anhand der Natriumoxid-Konzentration (Na2O) und des Chlorgehaltes nachweisen.[25]

Zur Frage der Verwendung von Siedesalz als Ergänzungs- oder Ersatzmittel bei der historischen Glaserzeugung wird auf die Ausführungen von LOIBL [7] verwiesen.

Während chemische Analysen die Zugabe von Salz in die Glasschmelze bereits für das Mittelalter bestätigten, ist seit der frühen Neuzeit nunmehr aus Schriftquellen bekannt, dass Salz der Glasschmelze zugegeben wurde.[23]

So behandelt AGRICOLA [5] in seinem in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erschienenen 12. Buch "Von den Salzen und vom Glas" sowohl die Salzgewinnung als auch die Herstellung von Glas.

Dabei nennt er in einem Rezept zur Glasherstellung ausdrücklich Salz, das aus Salzsole oder Meerwasser gewonnen wurde und demnach unzweifelhaft Speisesalz ist.[23]

Wie AGRICOLA [19] auch ausführt, wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bei der Glasherstellung als „Salz“ auch „weißes, durchscheinendes Steinsalz“ verwendet und bei der Mischung der Rohstoffe „Soda, Steinsalz oder aus Salzkraut hergestelltem Salz“ oder alternativ „etwas Salz, das aus Sole oder Meerwasser gewonnen ist,“ hinzugesetzt.

Im Hinblick auf die Asche für mecklenburgisches Glas berichtete der Alchemist und Glasmacher KUNKEL [18], dass sich Salzasche aus Salinen auf Grund des hohen Alkaligehaltes gut zum Glasmachen eigne:

In Hollstein und Mecklenburg wird fast nichts als Asche und gar wenig Sand zum Glas gebraucht. … Die nun die Asche von denen Salzsiedern, als von Lüneburg und dergleichen Arten haben können, die thun wohl wann sie solche gebrauchen, denn sie ist sehr von Salz und kann Sand als alle andere Asche vertragen.“

Wie der französische Wissenschaftler, Glasmaler und Emaille-Künstler Bernard Palissy (1510-1589/1590) erwähnte, sei es unmöglich, ohne Salz Glas zu machen.

Erst das Salz bewirkt, dass sich fein zermahlene Kieselsteine zur Glasmasse verbinden.“[23]

Der schweizerisch-deutsche Kupferstecher und Verleger Matthäus Merian (der Ältere, 1593-1650) schrieb:

Zum Fensterglaß machen muß Soetasche [Sudasche], welche in den Saltzwangen vnd Kothen gebrannt, nebst dem Sande gebraucht werden“.[23]

 

Siedepfanne aus Blei

zum Verkochen der Sole zu Salz

März 2023

Museum Lüneburg

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Örtliche Siedehütten und natrium-haltige Salinenasche

Sowohl Schriftquellen aus der frühen Neuzeit als auch chemische Untersuchungen von Mittelalterlichen Gläsern haben gezeigt, dass der Glasschmelze in kleinen Mengen Kochsalz zugegeben wurde.“[22]

So ist bekannt, dass im 17. Jahrhundert „von einer Glashütte in der Blankenroder Mark bei Paderborn die Asche der Salinen der benachbarten Klöster Salz- und Westernkotten angekauft“ wurde [23][24] - Salzquellen: Saline Salzkotten / Westernkotten.

 

Herbeischaffung der begehrten Salzasche unter hohen Kosten

Wie in der Saline Münder am Deister, so gewann man auch andernorts aus vorkommender salzhaltiger Sole durch Sieden auskristallisiertes Kochsalz, wobei zum Eindampfen der Sole die Salinenbetreiber Buchenholz verwendeten.

Die beim Sieden anfallende „Salz-Sieder-Asche“ war als Nebenprodukt ein begehrtes Handelsobjekt und fand bei den regionalen Glashütten schnell Absatz.[13]

So hatten die Besitzer der hannoverschen Salinen in Salzhemmendorf und Münder als Aschelieferanten eine nicht unbedeutende Stellung im Wettbewerb des Aschehandels, da sie ihre Salinenasche nicht den einheimischen Glashütten, sondern vielmehr nach "außerhalb des Landes" transportierten.[13]

 

Salz und mittelalterliches Holzasche-Glas

Zum Einsatz von Kochalz bei der Herstellung von mittelalterlichem Holzasche-Glas führt BERGMANN [1] aus, dass regional mit einem Zusatz von 5-8 % Kochsalz ein Defizit an Kalium durch die wertlosere Holzasche kompensiert wurde.

Dies sei an einem Rest von 0,7-1 % Chlor zu erkennen, nach dem der Kochsalzzusatz beim Erhitzen zum Teil verdampfte.

In der Laboranalyse einer aus dem Nordsolling stammenden Holzasche-Glasprobe des 15. Jahrhunderts konnte Natrium (Na2O) mit 1,04 Gewichtsprozent nachgewiesen werden.[21]

Bei ALMELING [4] werden als Minorbestandteile in zwei Glasproben um 1600 0,02 % und 0,07 % Chlor angegeben.

Analysen von Buchenasche von verschiedenen Standorten erbrachten den, wenn auch geringen Nachweis an Natriumchlorid.[2]

Wie bei STEPHAN [6] ausgeführt wird, ergaben Probeanalysen des „Holzasche-Kalk-Glastyps aus Wittenberg“, dass bei deren Herstellung eine erhebliche Salzzugabe – Kochsalz (NaCl) und Natriumsulfat (Na2SO4) als Beimengung erfolgte, um den Natriumgehalt der Glasschmelze anzureichern.

 

1868 errichtetes, scheunenartiges

Fachwerkgebäude

mit zwei hölzernen Solebehältern

Saline Salzderhelden

Oktober 2021

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Saline Salzderhelden in der Leineniederung

Der Solling mit seinem Umland bot im Mittelalter günstige Standorte mit Salzquellen zur wirtschaftlichen Solenutzung.[3]

In dem zuvor beschriiebenen Kontext findet um 1760 auch die "genehme" Salinenasche aus der Saline Salzderhelden Beachtung, die sich allerdings außerhalb der Kurfürstlichen Kammer in Hannover befindet.[15]

Zeichnerische Rekonstruktion

von Wolfgang Braun

 

Wie STROHMEIER [13] ausführt, befindet sich unter dem Leinetal in dem Raum Sülbeck [14], Salzderhelden und Vogelbeck "ein mächtiger aufgestiegener Salzkörper aus Zechstein-Salzen der Ober-Perm".

In dem historisch bedeutenden Salzwerk im alten Ortskern von Salzderhelden wurde bereits im 12. Jahrhundert aus einem Brunnen eine etwa 6%ige Sole geschöpft und in 15 Salzkoten (Salzsiedepfannen) zu Salz gesiedet.

Zwischen den beiden Salzwerken Sülbeck (Saline mit stärkerer Solequelle) und Salzderhelden (verkehrsgünstigere Lage nach Einbeck) bestand eine andauernde wirtschaftliche Konkurrenz, einhergehend mit historisch bedingten Ressentiments.[14]

Bislang ungeklärt ist noch die Frage, welche Bedeutung „Salz-Sieder-Asche“ aus Salzderhelden möglichweise für die relativ nahe gelegenen Waldglashütten im Umfeld des Hellentals im Solling gehabt haben.

  • Fürstlich Braunschweigisch-Lüneburgischer Amtmann Conrad Schoppe (~ 1565-1639) von Salzderhelden

 

Museum Salzderhelden

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Bekannt ist, dass von Salzhemmendorf [12] - auch im Schleichhandel - Salinenasche zur geografisch nahen, besser bezahlenden Glasmanufaktur Schorborn im benachbarten Herzogtum Braunschweig gelangte.[10]

Für die Schorborner Filialglashütte am Pilgrimsteich ist belegt, dass 1802 "besonders Salzasche ... von Nordheim, Eimbeck und aus dem Hildesheimschen … hergeholt" worden war.[11]

 

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[1] BERGMANN 2008, S. 89.

[2] LOIBL 1996, S. 28.

[3] STEPHAN 2010, S. 143-144.

[4] ALMELING 2006, S. 33 Abb. 10, 34.

[5] STEPHAN 2017a.

[6] STEPHAN 2021, S. 285.

[7] LOIBL 1996, S. 185-187.

[8] LOIBL 1996, S. 61.

[9] zit. in WENDT 1977, S. 20.

[10] JARCK/SCHILDT 2000, S. 501-502.

[11] HASSEL/BEGE 1802, S. 164-165 (3).

[12] KRAMER 2022e, S. 93.

[13] STROHMEIER 2003, S. 11.

[14] Zusammenfassung der Geschichte der Saline Sülbeck: STROHMEIER 2003, S. 11-33.

[15] STROHMEIER 2003, S. 14,16.

[16] STEPHAN 2021, S. 285.

[17] GEBHARDT 2021b, S. 58.

[18] DBU 2018, S. 28, 184.

[19] AGRICOLA 1556, S. 501. Georg Agricola/Georg-Agricola-Gesellschaft zur Förderung der Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik e. V. (Hg.): Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen (München 1994), S. 501.

[20] VOHN-FORTAGNE 2016, S. 180-181.

[21] DBU 2018, S. 167 Tab. 4.

[22] DBU 2018, S. 180.

[23] DBU 2018, S. 184.

[24] SCHLICHT 2000.

[25] MUCHA 2022, S. 112-113.