Bau- und Nutzungsgeschichte des Backhauses

Klaus A.E. Weber

 

Dorfbackhaus Gemeindehaus Regionalmuseum

Im Rahmen des fürstlichen Landesausbaus wurde in einer staatlichen Forstfläche zu Beginn der 1750er Jahre eine zerfallende Glashüttensiedlung durch Neuansiedelung zur "Colonie im Hellenthale" planmäßig ausgebaut.

Die Siedlung wurde "abgesondert von allen Straßen" angelegt als man im 18. Jahrhundert in den Braunschweiger Staatsforsten verstärkt Holzhauer benötigte.

Im Kontext der ab 1753 planmäßig erfolgten Dorfentwicklung könnte auf der 1792 in der Dorfmitte noch als unbebaut verzeichneten Liegenschaft № 53 vermutlich erst um 1800 eine erste zentrale Fachwerk-Backstube mit angefügtem Backgewölbe errichtet worden sein.

Es ist zu vermuten, dass ein bislang nicht belegbarer Vorgängerbau um 1828 durch einen zweiteiligen Fachwerkgebäudekomplex ersetzt wurde.

Kosten sparend war in dieser Zeit noch brauchbares Abrissmaterial "des dazu angekauften alten Schulhauses" zum "Bau eines neuen Gemeindebackhauses" verwendet worden.

Die gemeindliche Baufinanzierung erfolgte durch ein "Anlehn" in Höhe von 280 Talern vom Herzoglichen Leihhaus in Holzminden.

1828 pachtete der Müller Georg Friedrich Düwel (1797-1861), Besitzer der Hellentaler Mahlmühle, das neu errichtete Gemeindebackhaus.

 

„Kundenfreundliche“ Lage inmitten des historischen Dorfzentrums

Malerisch am alten Mühlenteich liegt das teils historisch authentische Dorfbackhaus von Hellental im Solling - ein Spiegel der Hellentaler Ortsgeschichte.[6]

Für dörfliche Back-Gäste lagegünstig wurde das Hellentaler Gemeinde-Backhaus auf der ehemaligen Liegenschaft № 53 in der Dorfmitte nach den damals geltenden „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ errichtet – zwischen der als Brunnen gefassten Bergquelle mit damals noch offenem Bachlauf und dem ehemaligen Mühlenteich (heute Dorfteich) im historischen Ortskern.

Es kann davon ausgegangen werden, dass in dem relativ großen Gemeinde-Backhaus regelmäßig wöchentlich Backtage abgehalten wurden.

Durch den zentralen Backofen im Gemeindebackhaus bestand für alle Hellentaler Dorfbewohner gemeinschaftlich die Möglichkeit, in ihm Brot und andere Backwaren auf dem durch „Schüren” erhitzten Steinboden zu backen oder backen zu lassen.

Das frisch gebackene Brot wurde dann in den Kellern der Fachwerkhäuser auf einem hängenden Holzbrett zum Schutz vor Mäusen in kühlem Umfeld aufbewahrt.

Der Nutzung des Gemeindebackhauses kam in Hellental eine soziale Dimension im dörflichen Gemeinschaftsleben zu.

So ist zu vermuten, dass durch das gemeinschaftliche Backen wie auch durch die geregelte dörfliche Backgemeinschaft das soziale Miteinander begünstigt und die dörfliche Kommunikation zusätzlich gefördert wurde.

In kommunaler Trägerschaft der Gemeinde Heinade beheimatet der Fachwerkbau des frühen 19. Jahrhunderts heute das Museum im Backhaus des HISTORISCHEN MUSEUMS HELLENTAL.

Im sanierten "Museumsbackofen" - einem wertvollen Zeugnis jahrhundertealter Handwerkskunst und eigener dörflicher Kultur - wird an ausgewählten Backtagen wieder traditionell Brot gebacken.

Gemeinde-Backhäuser wurden in der Regel während der gesamten Woche betrieben.

Zeit und Brennmaterial konnten insofern eingespart werden, als die einmal im Ofen erzeugte Speicherwärme für viele nachfolgende Backvorgänge effektiv und effizient zugleich genutzt werden konnte.

Den zweifelsohne gegebenen ökologischen und ökonomischen Vorteilen stand aber eine Reihe von Nutzungsnachteilen gegenüber, so beispielsweise die Vorgabe, dass die einzelnen Dorffamilien nur zu vorher genau vorgegeben Zeiten backen durften (gemeindliche Backordnung).

Hierdurch war man in seinem Backverhalten von dem anderer Dorfbewohner abhängig und musste wechselseitig Rücksicht nehmen, was eine relevante soziale Dimension im dörflichen Gemeinschaftsleben bedeutete.

Zudem war es erforderlich, den eigenen Brotteig mühsam zum zentralen Backhaus zu bringen und die fertigen Backwaren von dort nach Hause zurück zu transportieren.

 

Zur "ansehnlichen Holz-Ersparung" und Energieeffizienz:

"Bey jeglicher Gemeinde ein Back-Haus"

Die verpflichtende Vorgabe für alle Dörfer im Weserdistrict des Herzogtums Braunschweig flächendeckend "Gemeinde-Back-Häuser" anzulegen, ist auf die umfassende Verordnung vom 04. Juli 1744 durch Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713-1780) zurückzuführen.[2]

Um primär in großen Umfang Bau- und Brennholz einzusparen bzw. dem "bisherigen Holz-Verderb" entgegen zu wirken, war die Abschaffung privater (bäuerlicher) Backöfen und die "Anlegung besonderer Gemeinde Back-Häuser" angeordnet worden – als „Zwangsbackhäuser“.

Die energiewirtschaftliche Bilanzierung der Fürstlichen Cammer in Braunschweig galt hierbei allgemein der Schonung der grundherrlichen Waldungen und namentlich dem Holz, dem damals - neben dem Wasser - wichtigsten Energielieferanten.

Die landesherrlichen Holzvorräte – hier im waldreichen Solling – sollten in möglichst großem Umfang den in den 1740er Jahren neu geschaffenen herzoglichen Manufakturen zur Eisenverhüttung, Porzellan- und Glasherstellung zur Verfügung stehen.[3]

Zielsetzung dieser staatlichen Intervention war es zudem, einerseits feuerpolizeilichen bzw. brandschutztechnischen Vorsorgeaspekten Rechnung zu tragen.[4]

Bis zu jener Zeit verfügten bäuerliche Hofhaushalte über ein eigenes privates Backhaus bzw. über einen eigenen im Gebäude selbst oder außerhalb gelegenen Backofen, was in der ökologischen Waldnutzungsbilanz einen wesentlich größeren Holzverbrauch bedeutete als durch die Nutzung eines einzelnen Gemeindebackhauses.

In ökonomischer Hinsicht fielen die Bau- und Betriebskosten eines gemeinschaftlich genutzten Dorfbackofens deutlich geringer aus als für die vielen einzelnen privaten Backöfen.

Allerdings dürfte über eine längere Zeitspanne hinweg das privat-häusliche Backen im eigenen Ofen und die rationellere, wirtschaftlichere Backhausbenutzung parallel verlaufen sein.

Die wiederholt "von Zeit zu Zeit ergangenen Verordnungen" konnten offenbar in den Dörfern die "Abschaffung der Privatbacköfen" nur allmählich durchsetzen, wie es die herzogliche Verordnung vom 21. Dezember 1772 erkennen lässt.[5]

 

"Brandversicherungs-Catastrum des Dorfes Hellenthal"

des 19. Jahrhunderts

benennt unter der Ass.-№ 53

ein "Gemeinde Backhaus incl. des Backofens".

© Historisches Museum Hellental

 

Das Gemeinde-Backhaus (Ass.-№ 53) im Dorfzentrum

Oberhalb des heutigen Dorfplatzes und unterhalb der Buntsandsteinquellfassung der Bergquelle steht im Zentrum des alten Hellentaler Oberdorfes noch heute das ehemalige Gemeindebackhaus mit der ehemaligen Ass.-№ 53.

Der Kernbereich dieses schlichten, mehrfach ungenutzten Fachwerkgebäudes dürfte der zentral gelegene Gemeindebackofen mit dem gemeindlichen Backhaus gewesen sein, welches vermutlich im Zusammenhang mit der Dorfentwicklung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtet worden ist.

Um 1828 soll das Gemeindebackhaus Kosten sparend aus dem noch brauchbaren Abrissmaterial des 1758 erstellten Kapellen- und Schulgebäude errichtet worden sein.[9]

Wiederverwendete (Eichen-)Balken weisen Zapfenlöcher und Abbundzeichen mit römischen Ziffern sowie Zusatzstriche auf.

Müllermeister Georg Düvel pachtete im Jahr 1828 das Backhaus; er war zugleich auch Besitzer der Hellentaler Mahlmühle am Berg (Ass.-№ 2).

Das "Brandversicherungs-Catastrum des Dorfes Hellenthal … vom Jahre 1834" benennt unter der Ass.-№ 53 ein "Gemeinde Backhaus incl.[usive] des Backofens".

Zudem besteht 1834 unter der gleichen Ass.-№ ein Wohngebäude, das 34 Fuß lang und 4 ½ Fuß breit war.[2]

Das Backhaus wurde zusammen mit dem Wohngebäude in der Versicherungssumme mit 425 Reichstalern veranschlag.[10]

Die späteren Brandversicherungsverzeichnisse der Jahre 1877 und 1895 weisen hierzu allerdings keine entsprechenden Einträge mehr auf.

Das neu errichtete Gemeindebackhaus zählte, neben dem Schul-, Armen- und Spritzenhaus, noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts zu dem wenigen Eigentum der ehemaligen Hellentaler Gemeinde, einer der ärmsten Kommunen im gesamten Weserdistrikt des Herzogtums Braunschweig.

Der Gemeindebäcker, dem der Betrieb des Gemeindebackhauses in Hellental oblag, wohnte mit seiner Familie im Wohnhaus und Mittelbau des zweiteiligen Gebäudekomplexes am alten Mühlenteich.

Während die „Backstube“ sich im unteren Raum befand, wohnte der Gemeindebäcker mit seiner Familie im Mittelbau des dreiteiligen Gebäudekomplexes.

Der letzte Gemeindebäcker war der 1896 in Hellental geborene Heinrich August Theodor Kempe (genannt „Albert“) gewesen, der sich als Bäckermeister im Dorf mit eigener Backstube selbständig machte.

Im größeren Kellerraum des alten Gemeindebackhauses hatte er ein „Gänsehaus“ eingerichtet, das im Dorf als „Kempes Gänsestall“ bezeichnet wurde.

Dem 1908-1909 von der Herzoglichen Kreisdirektion Holzminden geführten "Verzeichnis der Bäckereien im Kreise Holzminden (Acta, die Einrichtung und den Betrieb der Bäckerei … betreffend)" ist für Hellental kein Eintrag zu entnehmen.[11]

Dem hingegen unterhielten 1908 die beiden am nördlichen Sollingrand benachbarten Gemeinden Heinade und Merxhausen jeweils eine gemeindeeigene, verpachtete Bäckerei.[12]

Noch heute imponiert im Zentrum des alten Hellentaler Oberdorfes, oberhalb des heutigen Dorfplatzes „Am Teiche 2“ mit dem alten Mühlen- und späteren Feuerlöschteich und unterhalb der Buntsandstein-Quellfassung der Bergquelle gelegen, ein kleiner, schlicht gehaltener, dreiteiliger Baukomplex mit separaten Satteldächern - bestehend aus dem

  • ehemaligen Gemeindewohnhaus – Fachwerkhaus mit Erd- und Dachgeschoss mit Diele, Kammern (Stuben), Backvorraum („Backstube“) und Küche,
  • kleineren Mittelbau - Fachwerkhaus mit Erd- und Dachgeschoss und noch im Original erhaltenem Holzbackofen als Gemeinschaftsofen, um 1929 als „unbenutzt“ ausgewiesen [13],

 

In dem 1792 entstandenen "Grundriß des Dorfes Hellenthal nebst den dazugehörigen Grundstücken im fürstlichen Amte Allersheim im Sollinge belegen" sind zwei kleinere zusammenstehende Liegenschaften mit den № 53/54 in der Dorfmitte verzeichnet [14], gleich oberhalb des bereits bestehenden Mühlenteiches gelegen.

Eingedenk der herzoglichen Verordnungen von 1744 und 1772 sowie der planmäßigen Dorfentwicklung könnte auf dem um 1792 am Mühlenteich bestehenden Liegenschaft № 53 einst ein Vorgängerbau des dann um 1828 neu errichteten Gemeinde-Backhauses gestanden haben, wofür es bislang allerdings weder schriftliche noch archäologische Belege gibt.

 

Ausfachung Massivbau Wellerhölzer

Fachwerkarchitektur des Dorfbackhauses

Das freistehende Dorfbackhaus bestand ehemals aus einem eingeschossigen Wohnhaus mit Dachgeschoss und hanglagiger Unterkellerung sowie aus einem zweigeschossigen Anbau, der auch den Backofen beherbergt.[15]

Der Wohnteil ist in Fachwerk aus Eichenholz, der Keller aus Bruchsteinmauerwerk ausgeführt.

An der westlichen Traufenseite des Gebäudes verläuft die alte Hauptstraße des Sollingortes Hellental, von der aus das Haus ursprünglich durch einen Querflur erschlossen wurde.

Auf der Ostseite des Querflures befand sich ebenfalls eine Tür, die noch heute die Eingangstür des Hauses ist. Die Tür an der Westseite ist zwar nicht mehr vorhanden, aber deren ehemaliger Standort ist in der Fachwerkfassade noch deutlich zu erkennen.

Von dem zentralen Querflur werden zu jeder Seite zwei nahezu gleichgroße quadratische Räume erschlossen.

Zum Teil zeigen die Ständer und Riegel des Fachwerkes Beschlagspuren durch den Einsatz des Zimmermannsbeiles.

Dieses diente dazu, die Haltbarkeit des Putzes auf dem Holz zu vergrößern.

Bei einigen Hölzern handelt es sich um zweitverwendetes Abrissmaterial aus einem von der Gemeinde Hellental 1828 angekauften alten Schulhauses.

Diverse Hölzer weisen sichtbare Zapfenlöcher ("Nagellöcher") und Abbundstellen auf, die nicht entsprechend ihrer ursprünglichen Fachwerkverbindung verzimmert wurden.

Der Anbau (heute der mittlere Teil des Dorfbackhauses), in dem sich der Backofen befindet, ist ein zweigeschossiger Fachwerkbau, mit einem teilweise massiven Sockelgeschoss aus Solling-Sandstein.

Im Erdgeschoss befindet sich auf der westlichen Seite des Gebäudes der Backofen, auf der östlichen Seite ein Stall in Massivbauweise.

Das obere Geschoss ist aus Fachwerk und war ursprünglich durch eine Buntsandstein-Treppe neben dem Backofen zugänglich.

Diese Treppe wurde im Zuge von Umbaumaßnahmen im Laufe des 20. Jahrhunderts stillgelegt und verfüllt.

Im Querflur des vorderen Wohnteils wurde stattdessen eine Holztreppe eingebaut.

Die nördliche Giebelwand des mittleren Gebäudeteiles ist in Massivbauweise aus Bruchsteinmauerwerk ausgeführt.

Die Gefache des Fachwerkes wurden restauriert [16], wobei die mit Lehmziegeln ausgefüllten Ausfachungen innen mit einem Lehmputz überzogen wurden.

Die Decken zwischen den Deckenbalken bestehen aus „Wellerhölzern“ – mit Stroh umwickelte und mit Lehm verschmierte Vierkanthölzer.

Die Dächer des Gemeinde-Backhauses wurden in einer „Mischbauweise“ aus Sparrendach und Pfettendach errichtet und waren ursprünglich mit lokaltypischen Buntsandsteinplatten aus dem Solling gedeckt.

Archivalische Quellen und bauhistorische Spuren weisen auf mehrfache Umbaumaßnahmen des zweiteiligen Baukomplexes hin, ehemals bestehend aus dem

  • Wohnbereich – Haupthaus /Fachwerkbau mit Erd- und Dachgeschoss, Diele, Kammern, Küche
  • Backofenbereich – mittlerer Anbau /Fachwerkbau mit Erd- und Dachgeschoss und innen befeuertem Holzbackofen

Der solide mit Bruchsteinen gemauerte Raum im mittleren Anbau diente vermutlich als Stallraum mit Tierhaltung zur Selbstversorgung.

Die heute mit einer Holztür versehene Öffnung in der komplett aus Bruchsteinen errichteten Giebelwand weist darauf hin, dass hier vormals eine Ladeluke bestand und der Dachboden als Heu- bzw. Strohboden genutzt wurde.

An den mittleren Gebäudeteil ist das laut Giebelstein auf 1875 datierte, massiv gemauerte Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr Hellental angebaut, das über 100 Jahre - bis 1984 - als Feuerwehrgerätehaus genutzt wurd.

 

Das 280 Taler teure „neue Gemeindebackhaus“ von 1828

Der zweiteilige Gebäudekomplex des alten Gemeinde-Backhauses wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kosten sparend aus dem noch brauchbaren Abrissmaterial des 1758 erstmals erstellten Hellentaler Schulgebäudes errichtet.

Die gemeindliche Baufinanzierung erfolgte durch eine Anleihe in Höhe von insgesamt 280 Talern vom Herzoglichen Leihhaus in Holzminden.

Hierzu ist bekannt, dass sich der Superintendent Rögener in Bevern Anfang November 1824 an das "Fürstlich Braunschweigisch-Lüneburgische Consistorium" in Wolfenbüttel wegen der zwischenzeitlich eingetretenen, großen Baufälligkeit des Kapellen- und Schulgebäudes „zu Hellenthal“ gewandt hatte.

Daraufhin erging postwendend ein Antwortschreiben des Consistoriums an den Superintendenten.

Danach dürfte frühestens im Sommer 1825 der Abriss des alten Schul- und Kapellengebäudes erfolgt sein.

Das noch brauchbare Material "des dazu angekauften alten Schulhauses" wurde dann "zum Bau eines neuen Gemeindebackhauses" (Ass.-№ 53) verwendet.

Am 20. September 1828 wurde der Bau eines neuen Gemeindebackhauses durch die Hellentaler Gemeinde in einem Aktenvermerk des Herzoglichen Kreisamtes Stadtoldendorf im Rahmen einer Schuld- und Hypothek-Verschreibung zur gerichtlichen Bestätigung erwähnt.

Der unter dem Hellentaler Ortsvorsteher Carl Schütte errichtete Neubau bedurfte danach eines gemeindlichen Investitionsvolumens - als "Anlehn vom Herzoglichen Leihhause" in Holzminden - in Höhe von insgesamt 280 Talern.

 

[1]

 

A c t u m

Stadtoldendorf, im Herzoglichen Kreisamte, den 20sten September 1828

Es erschienen der Ortsvorsteher Carl Schütte und die Ortsgeschworenen Carl Engelbrecht und Conrad Meyer aus Hellenthal, welche nachstehende Schuld- und Hypothek-Verschreibung zur gerichtlichen Bestätigung vortrugen.

Die Gemeinde Hellenthal habe zum Bau eines neuen Gemeindebackhauses und zu Bezahlung des dazu angekauften alten Schulhauses, bereits ein Anlehn von 200 Thalern vom Herzoglichen Leihhause bekommen. Da solche aber zu Berichtigung sämtlicher Baukosten noch eines Anlehns von 80 Thalern bedurft, und sie diese Summe von dem Herzoglichen Leihhause in Holzminden vorgeliehen und bereits bar ausgezahlt erhalten hätten, so quittierten sie hiermit über den richtigen Empfang dieses Capitals von 80 Thalern, schreibe achtzig Thaler in grober Conventionsmünze, unter Entsagung der Einrede des nicht empfangenen, oder in der Gemeinde besten Nutzen nicht verwendeten Geldes, und versprachen, solches Capital nach einer, beiden Theilen freistehenden, halbjährigen Loskündigung in ungetrennter Summe und in empfangener Münzsorte wieder zu bezahlen; bis dahin aber jährlich mit Vier Pro Cent capitalmäßig zu verzinsen.

Zur Sicherheit wegen dieses Capitals sammt Zinsen und etwaigen Kosten, setzten sämmtliche Gemeindemitglieder der solidarisch ihr gesammtes gegenwärtiges und zukünftiges, bewegliches und unbewegiches Vermögen ohne irgend eine Ausnahme, sowohl zur General, als Spezialhypothek.

Nach geschehener Wiedervorlesung und Genehmigung haben Comparenten unterzeichnet:

Schütte, Engelbrecht, Conrad Meyer"

 

Die für das Gemeindebackhaus eingehende Pacht soll in früheren Rechnungen der Gemeinde Hellental nicht mit aufgeführt sein, wobei zu vermuten sei, dass entweder der Ortsvorsteher Carl Schütte mit seinen "Ortsgeschworenen" Carl Engelbrecht und Conrad Meyer die Rechnungslegung im Gemeindehaushalt deshalb nicht für nötig erachteten, da sie die fälligen Pachtgelder zu Reparaturen und sonstigen erforderlichen Gemeindeausgaben verwendeten, oder aber die drei Gemeinderäte im gemeindlichen Rechnungswesen so unerfahren waren, dass sie die an sich pflichtige Verbuchung der Pachteinnahmen für nicht erforderlich hielten.

 

Bau und Funktion des innen befeuerten Steinbackofens

Der im frühen 19. Jahrhundert beim Neubau des Hellentaler Gemeinde-Backhauses errichtete und bis um 1900 betriebene Steinbackofen mit flachem Herdraum ist ein typischer bäuerlicher Backofen, durch eine Innenfeuerung direkt beheizt.

Seine Konstruktion entspricht dem aus dem Mittelalter übernommenen Backofenbau mit direkter Backinnenraumbefeuerung.

Als so genannter Einschießofen gibt er die ursprünglichste Grundform des „Altdeutschen Holzbackofens“ wieder.

Zur gleichmäßigen Erwärmung wurde - einer Kugel angenähert - das Backraumgewölbe in „Brotlaibform“ gestaltet.

Aufgrund der Quellenlage, dass um 1828 das Gemeinde-Backhaus neu errichtet und noch im gleichen Jahr vom Müllermeister Georg Düwel, dem Besitzer der Hellentaler Mahlmühle, gepachtet worden war, kann vermutet werden, dass im Zuge des für die arme Gemeinde Hellental kostspieligen Neubaus im gleichen Jahr auch die Backofenanlage neu erstellt wurde.

Deren Betriebsdauer dürfte dann für den Zeitraum von 1828 bis maximal 1907 anzusetzen sein.

Die sich beim Aufheizen entwickelnden Rauchgase wurden über drei in ganzer Länge dem Brennkammergewölbe aufliegende Rauchabzüge abgeführt, die gleich lang waren und somit ein gleiches Zugverhalten aufwiesen.

Die konstruktive Ausführung der im Juni 2006 „wieder entdeckten“, wahrscheinlich in der Zeit zwischen 1876 und 1888 neu gemauerten Anlage des Innenbefeuerungsofens umfasste drei bautypische Abschnitte:

  • Grundplatte: ovale, doppellagige Herdsohle als Backfläche

  • Backraum: gemauertes Gewölbe mit Mundloch

  • Deckschale: Wärmedämmschicht aus Lehm mit drei Zugkanälen

Um das Mundloch nach dem Abbrand und während des Backvorganges zu verschließen bestand vormals ein Backraumverschluss.

Die vorgefundene Ofenguss-Einlassung an der Frontseite des Backofens - Fragment des ehemaligen Einbaurahmens der Backraumtür - wies eine Einschuböffnung auf.[17]

Dass hier vormals eine gusseiserne Frontplatte als Ofentür bestand, ist wahrscheinlich, war aber nicht mehr nachzuweisen.

Über die Einschuböffnung wurde direkt auf der im Grundriss ovalen Backfläche [18] ein Feuer aus örtlich gewachsenem Buchenholz entfacht, das dann das flache Gewölbe des Herdinnenraumes durchzog.

Die um wenige Prozent leicht ansteigende Backfläche bildeten quadratische Bodenplatten.[19]

Hierunter befand sich eine zweite Schicht einer möglicherweise auch älteren Backfläche.

Das Gewölbe des Backofenraumes bestand aus einem mit Lehm verfugten Mauerwerk aus senkrecht angeordneten rechteckigen Ziegeln.[20]

Zur Füllung und Wärmedämmung befand sich über der Brennkammer – in der Deckschale - eine dicke Schicht aus feinem Lehm, flankiert von groben Bruchsteinen aus örtlichem Buntsandstein.

Am hinteren Gewölbe führten drei Schachtöffnungen zu den der breiten Herdkuppel auf ganzer Länge aufliegenden Rauchkanälen, die zum Rauchabzug in der Anheizphase und insbesondere zur Wärmesteuerung durch manuelle Zugregelung dienten.

Der wahrscheinlich um 1880 errichtete Backofen weist nach seiner bautechnischen Rekonstruktion annährend die in der von Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel im Juli 1744 erlassenen Verordnung vorbeschriebenen Maasse auf:

  • die "neu anzulegende Back-Oefen nur ¾ Ellen in der Höhe halten" (42,8 cm; Baudokumentation: 35,0 cm)  
  • der Boden soll von "Barnsteinen 2 Steine hoch gemachet werden" (Baudokumentation: doppel-lagige Herdplatte)
  • das "Ofen-Loch soll eine Elle breit" (57,07 cm; Baudokumentation: 58,0 cm) "und 1½ Viertel hoch gemacht" (21,4 cm; Baudokumentation: 21,0 cm) und auch mit "einer eisernen Thür verwahret" werden.

Direkt auf der leicht ansteigenden Backfläche wurde vom Bäcker das Holzfeuer entfacht, das das flache Ofengewölbe durchzog.

An dessen hinterem Ende wurde der heiße Rauch über drei schräge Schachtöffnungen einem dem Tonnengewölbe aufgelagerten dreikanaligen, nach vorne spitz zulaufenden Abzugssystem zugeführt (Dreizug-Ofenanlage) und nach außen abgeführt.

Die langen Rauchkanäle führten vom hinteren Teil des Ofens als gemauerte Schamottestein-Gänge über das Tonnengewölbe hinweg durch eine dicke, lockere Auffüllung mit Lehmmaterial (Isolationsmasse) hindurch, ehe sie den Schornstein erreichten.

Beim Durchstreichen der dreizügigen Kanäle gaben die Flammengase ihre Hitze auch an die aufgeschüttete lehmhaltige Füllmasse zur Aufspeicherung ab, wodurch eine effektivere Energieausnutzung erzielt wurde.

Einerseits konnte dabei das Ofengewölbe selbst besser durchheizt werden, andererseits war die Oberhitze des Backofens gleichmäßiger.

Der Luftzug wurde durch das Öffnen der Backofentür und mit Klappen an den Rauchschächten gesteuert.

Die entstandene Hitze erwärmte das innere Backgewölbe gleichmäßig, unterstützt durch das Dreizugsystem.

Auch in dem angebauten Spritzenhaus waren keine Spuren eines Schornsteins oder sonstiger Abluftöffnungen zu erkennen.

Hieraus ist möglicherweise abzuleiten, dass - wie für Backhäuser oft noch um 1800 üblich - die Backofenanlage ursprünglich keinen Schornstein und damit auch keinen geregelten Rauchabzug besaß.

Vermutlich quoll der Rauch aus dem Ofen unmittelbar in den davor liegenden Backraum und/oder in den darüber liegenden Gebäudebereich durch eine nachgewiesene Öffnung im mittleren Rauchkanal.

Auf der etwa 7 m² großen steinernen Backfläche konnten dann die „eingeschossenen“ Brote durch die langsam abgegebene Speicherhitze schonend gebacken werden.

Die ehemalige Backstube [21] beherbergte im Erdgeschoss des Wohnhauses vor dem Mittelgebäude den großen, um 1929 als „unbenutzt“ bezeichneten Holzbackofen.

Den Fußboden der nicht unterkellerten Backstube soll ehemals eine Lage aus Bundsandsteinplatten gebildet haben.

Unmittelbar neben dem Backofen führte linksseitig eine Steintreppe [22] in einen Raum [23] im Obergeschoss des Mittelbaues.

Nach mündlicher Überlieferung soll die „Kammer“, in der sich ehemals eine tonnenförmige Aufwölbung („Kuppel“) unmittelbar über der Backofenanlage befunden haben soll, vormals zur ruhigen Backvorbereitung, zum „Ansetzen“ (Gärprozess) und stundenlangen „Gehen lassen“ des (Sauer-)Teiges gedient haben.

Durch den darunter befindlichen Holzbackofen soll die Kammer ein besonders günstiges, zugfreies und gleichmäßig temperiertes Raumklima aufgewiesen haben.

Über diese Treppe seien die im Gärkorb  oder in einer anderen Backform ausgeformten Teiglinge nach unten in die Backstube und das fertige Backgut aus der Backstube in die Kammer zur Lagerung bei gleich bleibendem Raumklima getragen worden.

Das Mehl als wichtigste Zutat beim Brotbacken sei hauptsächlich von der Hellentaler Mahlmühle bezogen worden.

Die technische Anlage des im Juni 2006 vorgefundenen Ziegelofens entspricht dem Typus des „Altdeutschen Ofens“ in Form eines innen gelegenen Steinbackofens mit einer Backraumtiefe von gut 3 m.

Das Fassungsvermögen des Ziegelofens dürfte bei einer Backfläche von etwa 7 m² bei über 50 Broten zu je 1,0 kg Brotteig gelegen haben.

Der Holzbackofen wurde direkt im Backraum befeuert, ohne separate Befeuerungskammer.

Das Brennholz wurde im „Backofenkern“ aufgeschichtet und abgebrannt. Durch die direkte Ofenbefeuerung konnte eine sehr hohe Anfangshitze und Einschiesstemperatur erreicht werden, wobei die Backhitze dann langsam und schonend abfiel.

Hierdurch war ein natürliches, ursprüngliches Brotbacken möglich.

Um im Holzbackofen ein gutes Backergebnis zu erzielen, war die genaue Einhaltung der Aufheiz- und Backzeit sowie der Backtemperatur ganz entscheidend, ebenso das Temperaturverhältnis von Ober- und Unterhitze.

Zum Brotbacken musste der Holzbackofen immer vorgeheizt werden.

Für das Aufheizen wurden seinerzeit wahrscheinlich „Backespliten“ verwendet.

Die Verwendung von Buchenholz hatte den Vorteil einer nicht allzu starken Rauchentwicklung.

Das Brennholz lagerte in einem aus groben Buntsandsteinen gemauerten und mit Lehm verfugten Gewölberaum, welcher sich nur teilweise erhalten links versetzt unterhalb des „Backofenkerns“ befand.

War das Holz und die Glut im Backofeninneren abgebrannt, so wurden die Aschereste aus dem Backraum mit einer „Ascheausziehkrücke“ ausgekehrt.

Nach dem Ausfegen stand der vorgeheizte Ofen noch für eine gewisse Zeit ab, damit sich die gespeicherte Hitze gleichmäßig im Backraum verteilen konnte.

Die Vollisolierung der aus feuerfester Tonerde hergestellten Ofensteine speicherte vormals direkt die hohe Anfangshitze und gab sie dann als Speicherwärme lang anhaltend und gleichmäßig wieder an das Backgut ab.

Somit konnte in der gemeindlichen Ofenanlage durch die hohe Hitzespeicherungsfähigkeit über mehrere Stunden hinweg gebacken werden.

Die hochwertigen Ofensteine dürften die Feuchtigkeit (Schwitzwasserbildung) optimal aufgenommen und sie während des Bachvorganges wieder an das Backgut abgegeben haben.

Hatte der Backofen die gewünschte Temperatur erreicht, wurden die vorbereiteten (Brot-)Teiglinge aus ihrer Form auf einen langen, rechteckigen, ovalen oder runden Back- bzw. Brotschieber aus Buchenholz gestürzt, ohne Form in das Ofeninnere „eingeschossen“ und schonend bei abnehmender Speicherhitze gebacken.

War das Backgut ausreichend durchgebacken, wurde es mit einem Backschieber „ausgeschossen“.

Die Krustenbildung des Brotes war von der Höhe der Luftfeuchtigkeit im Backofen abhängig und wurde daher durch diese gesteuert. Hierzu wurde von Dorfbewohnern berichtet, dass - nach dem Ascheausfegen – die Bodenplatten des Backraumes mit einem nassen „Feudel“ gewischt wurden, um die Luftfeuchte im Backofen zusätzlich zu erhöhen.

Kritisch ist zu bedenken, dass die flache Gewölbestruktur zugleich eine unterschiedliche Backraumhöhe  bedeutet.

Durch den im gesamten Backraum ungleichen Abstand der Backofendecke zum Backgut entstand eine ungleiche Temperaturverteilung mit ungleichmäßiger Wirkung der Strahlungshitze, was zwangsläufig zu ungleichmäßigen Backergebnissen führte.

Diesen Nachteil ausgleichend, war während des Backvorganges ein „Umschieben“ des Backgutes erforderlich.

Zum Reinigen der Backfläche reichte es aus, die Bodenplatten mit einem langen Reinigungsbesen abzukehren und danach feucht auszuwischen.

Durch den selbst reinigenden Pyrolyse-Effekt („Ausbrennen“) blieb nach jedem Aufheizen der Backofeninnenraum stets geruchs- und geschmacksneutral.

 

Steuerung des Backvorganges

Phasen traditionellen Brotbackens

Der ständig das Feuer beobachtende Bäcker konnte durch Öffnen und Schließen der Kanäle von der Frontalseite des Backofens her

  • die Flammenrichtung regeln,
  • die Hitze auf die Seiten verteilten und
  • die Luftzufuhr fördern oder verringern.

So reguliert, erwärmte die entstandene Hitze das Backgewölbe für den dann folgenden Backvorgang gleichmäßig.

Auf der steinernen Grundplatte konnte – nach dem Abbrand und Entleeren der Verbrennungsrückstände - gleichzeitig gut 50 kg Brotteig in Form „eingeschossener“ Brote durch die langsam abgegebene Speicherhitze schonend ausgebacken werden.[24]

  • Aufheizen

In dem Herdgewölbe wurde über die Einschuböffnung direkt auf der leicht ansteigenden Backfläche aus trockenem Buchenholz ein knisterndes Feuer entfacht, das dann lodernd den Herdinnenraum nach hinten durchzog.

Die sich beim mehrstündigen Aufheizen entwickelnden Rauchgase wurden durch drei Schachtöffnungen über drei in ganzer Länge der Brennkammer aufliegende Rauchkanäle abgeführt.

Die mit eisernen Drosselschiebern versehenen Rauchabzüge - gleicher Länge und somit gleichem Zugverhaltens - erlaubten von der Stirnseite des Backofens her, die Luftzufuhr und Temperaturverteilung im Herdinnern manuell zu steuern.

Durch Öffnen und Schließen der Kanäle konnte die Flammenintensität und -richtung geregelt, die Anfangshitze auf die Seiten verteilt und die Luftzufuhr gefördert oder verringert werden.

So optimal reguliert, erwärmte die entstandene Hitze das Backgewölbe für den dann folgenden Backvorgang lange anhaltend und gleichmäßig.

  • Ausräumen

Nach dem Abbrennen des Buchenholzfeuers wurden dessen Verbrennungsrückstände mit der Ascheausziehkrücke entleert und der Backraum mit einem Auskehrbesen gereinigt.

  • Einschießen

Die hohe Anfangsbackhitze (Einschießtemperatur) fiel über Stunden hinweg allmählich ab.

Auf der großen Grundplatte konnten nach einer kurzen Abstehzeit gleichzeitig maximal etwa 50 Brotlaibe mit dem hölzernen Brotschieber „eingeschossen“ und durch die langsam abgegebene Speicherwärme schonend ausgebacken werden.

  • Ausschießen

Ohne Nachzuheizen wurden nach gelungenem Abschluss des Backvorgangs die in bester Qualität gebackenen Brote mit dem langstieligen Holzschieber „ausgeschossen“.

 

Das Gemeinde-Backhaus als regionalhistorisches Kulturdenkmal

Seine Sicherung und Teilrestaurierung

Von Beginn an war das Dorfbackhaus im kommunalen Eigentum, zunächst von der ehemals selbständigen Gemeinde Hellental, seit 1976 bis heute von der Gemeinde Heinade. Zweifelsohne bedurfte das in die Jahre gekommene, alte Gemeinde-Backhaus dringend einer umfassenden Sicherung und Restaurierung.

Im Rahmen der Hellentaler Dorferneuerung war 1995 eines der Ziele vorläufiger planerischer Überlegungen, das alte Backhausgebäude samt dem ehemaligem Feuerwehrgerätehaus zum „Heimatmuseum“ umzunutzen.

Trotz dieser wegweisenden, das Dorf nachhaltig erneuernden Perspektive blieb der alte Gebäudekomplex bis zum Juni 2006 gewissermaßen zweckentfremdet zu Wohnzwecken vermietet.

Im Juni 2006 wurde die weitgehend erhaltene Originalanlage des robusten Backofens freigelegt.

Durch die ortsheimatpflegerische Initiative wurde das in seiner historischen Bausubstanz erheblich bedrohte Fachwerkgebäude von September 2007 bis August 2008 durch ein Qualifizierungs- und Beschäftigungsprojekt der Kreisvolkshochschule Holzminden mit dem Ziel restauriert, die berufliche Qualifizierung junger Menschen mit der Förderung der dörflichen und kulturtouristischen Infrastruktur zu verbinden (Jugendwerkstatt).[25]

Hierbei sollten in besonderem Maße Aspekte des Denkmalschutzes und der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden.

Die Originalanlage des Backofens wurde rückgebaut, bauhistorisch erfasst und material- wie maßstabsgerecht nach historischem Vorbild zum traditionellen, dörflichen Brotbacken betriebsfähig instand gesetzt.

Das Fachwerkgebäude beschränkte sich in seiner zum Teil historischen Authentizität auf wenige Baumaterialien.

Durch eine reflektierte Verwendung „moderner und gängiger“ Baustoffe im Zusammenspiel der Rückbesinnung auf „materialgerechte“ Baustoffe konnte einerseits der heutigen Nutzung, andererseits der Denkmalpflege Rechnung getragen werden.

So entstand durch den nutzungsgerechten Umbau des Gesamtgebäudes sowie durch die Instandsetzung des Steinbackofens ein Ausstellungsgebäude für das HISTORISCHE MUSEUM HELLENTAL mit angeschlossenem Museumsbackofen nach historischem Vorbild.

 

September 2007 bis August 2008

Im sanierungsbedürftigen Hellentaler Gemeindebackhaus konnte am 03. Juni 2006 u.a. von der Hellentaler HGV-HHM-Arbeitsgruppe die alte Originalanlage eines mit Holz direkt beheizten Steinbackofens freigelegt und heimatpflegerisch erstmals näher erforscht werden.

Den gemeindlichen Sanierstau vergangener Jahrzehnte auflösend wurde dann am 18. September 2007 im Gemeinde-Backhaus mit umfänglichen, drei Abschnitte umfassenden Sanierungsmaßnahmen begonnen.

Der stillgelegte Backofen befand sich zu Beginn der Erkundungs- und Sanierungsmaßnahmen unter dem erdgeschossigen Holzfußboden des mittleren Anbaus des dreigliedrigen Gebäudekomplexes (Haupt-/Anbau des Gemeindebackhauses, Spritzenhaus).

Ursprünglich wurde der Holzbackofen vom Erdgeschoss des Haupthauses aus befeuert und bestückt.

Es ist davon auszugehen, dass die Anlage des jetzt vorgefundenen Ziegelofens vom Bautyp „Altdeutscher Ofen“ um 1828 im Zusammenhang mit dem 280 Taler teuren „Bau eines neuen Gemeindebackhauses“ in Hellental errichtet oder wiederhergestellt wurde.

Belegt ist, dass der Müllermeister Georg Friedrich Düwel (1797-1861) zu Beginn des 19. Jahrhunderts Besitzer der Hellentaler Mahlmühle war.

Da er 1828 das neu errichtete Backhaus pachtete, kann er zugleich auch als erster Betreiber des Holzbackofens angesehen werden.

Spätestens um 1908 bestand kein Bäckereibetrieb mehr im Gemeinde-Backhaus, da das von der Herzoglichen Kreisdirektion Holzminden geführte Bäckereiverzeichnis von 1908-1909 für Hellental kein Eintrag aufweist.

Nach Auswertung baulicher Funde ist anzunehmen, dass der zeittypische Backofen des frühen 19. Jahrhunderts bis zu seiner endgültigen Stilllegung vor 1908 mehrfach baulich-technische Veränderungen erfahren hat, so dass die freigelegte Ofenanlage nicht mehr dem ursprünglichen Bauzustand im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts entsprechen dürfte.

Zu diskutieren ist hierbei auch die Frage, ob möglicherweise zuvor in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits eine dem allein stehenden Feldbackofen ähnliche Vorgängeranlage bestanden haben könnte.

Der Ofenoberbau des Innenbefeuerungsofens lag ursprünglich auf einem gemauerten Steinsockel mit zweischichtiger feuerfester Ziegellage.

Einer Kugelform angenähert war der Backraum zum allseits gleichmäßigen Erwärmen in „Brotlaibform“ gestaltet.

In dem darunter befindlichen Gewölbe mit Rundbogenöffnung lagerte einst gestapelt küchenfertiges Brennholz zum Trocknen.

Die konstruktive Ausführung der Originalanlage aus der Zeit um 1828 umfasste drei bautypische Abschnitte:

  • Grundplatte: ovale, leicht ansteigende Herdsohle mit etwa 7 m² großer Backfläche
  • Backraum: Vorderwand mit schmalem Mundloch, Backraumverschluss, Ofengewölbe mit drei Schachtöffnungen
  • Deckschale: Wärmedämmschicht aus Lehm, mit drei Rauchkanälen

Die Tiefe der ovalen Backfläche betrug ca. 3,20 m bei einer maximalen Breite von ca. 2,60 m.

Der Abstand der Backofendecke zum Backgut war mit maximal 35 cm gering.

Die Vollauskleidung des Herdgewölbes bestand aus einem mit Lehm verfugten Mauerwerk aus senkrecht angeordneten feuerfesten Ofensteinen.

Zur Füllung und Wärmedämmung befand sich über der Brennkammer – in der Deckschale - eine dicke Schicht aus feinem Lehm, beidseits flankiert von groben Buntsandstein-Bruchsteinen.

Anzunehmen ist, dass vormals zum Schließen des nur teilweise erhaltenen eisernen Einbaurahmens eine handgefertigte Guss-Frontplatte als Ofentür diente.

 

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[1] LESSMANN 1984, S. 60-61.

[2] NLA WO, 40 Slg 6339 Bl 1.

[3] Die Wälder hatten durch Raubbau, verursacht durch Köhler, Pottaschebrenner und intensive Viehhaltung in den vorangegangenen Jahrhunderten ökologisch stark gelitten. Zudem hatte auch der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) in weiten Teilen des Deutschen Reiches große Verwüstungen hinterlassen und die Wirtschaft danieder gelegt. Zum Wiederaufbau und zur Sicherung ihrer politischen Macht benötigten die Landesherren in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts bis weit in das 18. Jahrhundert hinein Finanzmittel, die sie mit Hilfe aktiver Wirtschaftspolitik zu bekommen versuchten. Dieser aktiven Wirtschaftspolitik unterlagen vielfältige Einzelmaßnahmen, unter anderem die Förderung einzelner Gewerbezweige. Eine dieser Maßnahmen bestand zur Mitte des 18. Jahrhunderts in der Schaffung von Manufakturen, mit deren Hilfe Herzog Carl I. versuchte, möglichst hohe Einnahmen für seinen Staatshaushalt zu erwirtschaften. Zur Sicherung der Energievorräte für die Manufakturen wurde der Bevölkerung durch Erlasse zum Holzsparen verpflichtet.

[4] TACKE 1943, S. 131; RAULS 1983, S. 139.

[5] NLA WO, 40 Slg 11472 Bl. 2; NLA WO, 40 Slg 11472 Bl. 3.

[6] KRUEGER/LINNEMANN 2013, S. 44-45.

[9] LESSMANN 1984.

[10] NLA WO, 104 Alt Nr. 907.

[11] NLA WO, 130 Neu, 3 Nr. 1411.

[12] nach NLA WO, 130 Neu, 3 Nr. 1411: in Heinade: Wolf Rithmeyer; in Merxhausen: Fritz Lohmann.

[13] KreisA HOL - Bauakte 440/29 und 507/28.

[14] NLA WO, K 3344.

[15] Die baulichen Beschreibungen sind Herrn Ingo Brinkmann zu verdanken (erstellt im Rahmen eines Qualifizierungs- und Beschäftigungsprojektes der Kreisvolkshochschule Holzminden von September 2007 bis August 2008).

[16] Qualifizierungs- und Beschäftigungsprojekt der Kreisvolkshochschule Holzminden von September 2007 bis August 2008

[17] von 58 cm lichter Breite.

[18] Tiefe: ca. 3,20 m / Breite: ca. 2,60 m / Höhe: max. 0,35 m.

[19] Backfläche mit 10 Reihen quadratischer Bodenplatten (27 x 27 cm).

[20] Ziegelmaße: meistens 18 x 12 x 6 cm.

[21] fast 13 m² groß, 2,16 m hoch.

[22] etwa 90 cm breite Treppenstufen aus Solling-Buntsandstein.

[23] Fläche von 17,6 m².

[24] Schätzergebnis mehrere eigener Backvorgänge.

[25] Das Qualifizierungsprojekt der Kreisvolkshochschule wurde aus Mitteln der Europäischen Union, des Landkreises Holzminden, der Gemeinde Heinade, der Agentur für Arbeit und der Arbeitsgemeinschaft zur Arbeitsvermittlung Holzminden finanziert, von der Arbeitsgruppe Hellental des Heimat- und Geschichtsvereins Heinade-Hellental-Merxhausen e.V. unterstützt und vom Hellentaler Ortsheimatpfleger fachlich beratend begleitet.