Johannes Mathesius (1504-1565)

Klaus A.E. Weber

 

„Vom Glaß und Glaß machen“ │ Predigt 1562

 

Johannes Mathesius (1504-1565) war Student und Tischgenosse bei Dr. Martin Luther (1483-1546) im Lutherhaus in Wittenberg.[19]

Der Schulmeister, Rektor, Prediger und Pfarrer in der alten Bergstadt Sankt Joachimsthal (Jáchymov) im Erzgebirge berichtet im 16. Jahrhundert „Vom Glaß und Glaß machen“ in seiner „Fünfzehnten Predigt“.[1][12]

Die funffzehende Predigt / Vom Glasmachen / und wo des in der Schrift gedacht / ...“ ist Bestandteil seiner Anno MDCXIIX (1618) in Leipzig gedruckten Berg-Postille

Ein gedruckter Vermerk am Seitenrand [2] weist allerdings auf das Jahr 1562 hin, woraus sich im Kontext mit biografischen Daten auf die Entstehungzeit der „Fünfzehnten Predigt“ schließen lässt.

In der "Vorrede" seiner Bergpostille hebt Johannes Mathesius wertschätzend seine freudschaftliche Verbundenheit mit „Doctor Georg Agricola“ hervor.

Im Folgenden werden in eigener Transkription des Verfassers ausgewählte Texte mit Bezug zum Glas aus der an die "Christlichen Bergleute" in Sankt Joachimsthal gerichteten Predigt „Vom Glaß und Glaß machen“ zitiert.[4]

Mit * sind die am Seitenrand hinzu gefügten Stichworte markiert.

Mathesius unterscheidet dabei in seiner Predigt prinzipiell zwischen

  • natürlichem „Erdglas“, klar und durchsichtigem "Edelgestein" und "Christall" („Christall zu Freyberg“)

  • und dem „von Menschenhand in Glashütten gemachten Glas“, dem Waldglas.

 

857

* 1562.

 

Geliebte Freunde im Herren / wir wöllen heut im Namen Gottes / zum seligen neive Jahr / und Beschluß dieser unser Bergpostillen / wieder der alten Glaßhütten zu Zarpath [3] gedenke / und euch Christlichen Bergleuten vom Glaß und Glasmachen ein Bericht thun / und darneben die Sprüch der Biblien / darin des Glaßes erwehnet / und andere schöne Gleichnuß vom Glase / Christlich erklären / also

 

858

... / weil ihr nicht allein im Glaßmachen / etlicher maß ein Bild und Gleichnuß spüren werdet /

und klärer denn ein Christall oder rein Venedisch Glaß seyn /

 

859-861

* Was Glaß heisse.

Erstlich lieben Freunde wisset ihr / daß wir Teutschen mit dem Wort Glaß / nit allein die durchsichtigen Körper nennen / die aus Sand / Kißlingsteine / Asche und Salz in Glashütten gemachet / sondern daß man auch etliche glatte und spiffige Metall / und was schlecht und glatt ist / oder sein Glanz und Glaß hat / also nennet / wie sichs auch in der Schriffelesset ansehen / daß man die edlen / weissen / hellen und leuchtenden Steine und Erdgewechse / auch Glaß nennet.

Die alten Teutschen gegen Mitternacht / haben dem klaren Bornstein / weil er auch durchsichtig ist / glessum vom Glaß den Namen geben / wie man das Kupfferwasser / weil auch etlichs grün und durchsichtig ist / Vitriol vom lateinischen Wort vitrum heisset / und vielleicht den Alaun / er sey natürlich oder gesotten / weil er auch wie ein Glaß oder Eiß durchsichtig / à lumine vom Licht und Glanz nennet / nach dem er wie ein sal gemmæ oder geleuterte Salpeter sihet.

Ihr Bergleut habt das splissig und gediegen Silber / wie hernach auch das ander / darein man Haken schneiden kan wie in ein Bley / Glaßerz getaufet / daß es splissig ist / und springt wie ein Glaß.

Glaßköpff haben fre Namen / da sie rund seyn wie ein Hirnschädel / und darneben so glatt und schlecht / dass auch die Goldschmied das auffgetragen Gold mit gerben und planck machen.

Gläsern Töpff / so man mit silberglet oder glanzigtem Bleyerz verglaset / haben auch ihren Namen vom Glaß / wie man das Gläßerne Meer vom Eiß / daß dem Glas ehnlicht / auch vom Glaße nennet / und auch Marien Eiß / das etlich zu Glaßfenstern gebrauchet / auch Eiß heisset / und wenn es im Winter tawen will / und Regnet / un die Kälte zeucht aus der Erden / und gefreuret / so heist mans Glatteiß / wie wir der gläserne Berge hie viel mit Schaden im Winter gesehen haben.

Weil aber unser Gott sein eigen Glaßhütten unter der Erde hat / und machet die schönsten durchsichtigen Leibe / von edlen Steinen / Christallen / Barillen / Chalcedonien und schöne helle Flüß / allerley Farben / haben die siebenzig Dolmetscher / so die Hebreische Bibel in Schrecklich Sprach verwandelt / dieselben edlen und hellen Steine im Job auch Glaß geheissen / wie S. Johannes den Christall das aller leuterste / doch natürliche oder geschaffene Glas also heisset.

Diß erwehne ichh im Eingang / weil man mit dem Wort Glaß / viel Dings ner net / wie die Grecken auch die klaren edlen Steine / samt den Schlossen / Eiß / oder Christall heissen / Summa Glaß heissen wir / was lauter / hell / klar / durchsichtig / glat ist / wie ein Eiß / das im Winter aus lauterm Wasser von der Kälte gestanden / oder wie die Teutschen reden / zusammen gebacken iw.

Aus diesem Bericht habt ihr nu weiter zu lernen / daß zweyerley Glaß ist / eins ist das edle Glaß / das Gott und die Natur unter der Erden

Das Glas aber / wo Menschen Hand in Glashütten macht / und Gottes werk und der Natur nachahmet / wenn sie aus Stein und Asch eine Fließende Materia mit Fewer heraus nötigt / und formirt allerley Geschirr daraus / ist ein kümstlich oder gemacht Glaswerck.

 

863

Wiewol man aber dem gemachten Glaß auch allerley Farben einbrennen / oder auftragen kan / wie Gott auch mancherley Farb Edelstein schaffet /

 

864

ein Glaß verdeutschet / wie S. Hieronymus ihnen auch gefolget / nicht daß sie von unsern Waldgläsern / oder auch von Venedischen oder Sareplanischem Glaßgeschirr reden /

weil unser Glaß auch daher bei den Grecken genennet / daß es durchsichtig glänzig oder glausig ist.

werde dem klaren Glaß / das ist / dem Christall gleich seyn.

 

868

… Gläser in Morgenländern / und ein Glaser und ein Maler die geschmelzten Gläser färbet /

 

869-871

* Vom gemachten Glaß.

* Wo man das erste Glas gemachet.

Nun kommen wir zum Glaß / das von Menschen Hand geschmelzet und gemacht wird / und sehr schöne und viel nüzlichen Geschirr giebet.

Es fallen aber überall hie Fragen oder Disputationen für / wie wir kürzlich verrichten wöllen / nehmlich / wo man das erste Glaß gemacht / ob in den Schrifft auch des gemachten Glaß gedacht werde / woraus die alten / und hernach die Venediger und unser Gläser heut zu Tage ir Waldglas machen.

Hierbey wollen wir auch die / so nicht in Glaßhütten gewesen / kürzlich von den schönen und künstlichen Arbeit des Glaßmachens berichten / und wie diß zerbrechlich Geschirr gleichwol viel Nutzes giebt / darauff wöllen wir zum Geistlichen Glaßmachen kommen / und von der Schwächlichkeit unser jetzigen Körper / und Herrlichkeit und Klarheit der künftigen Leibe / diese Predigt im Namen Gottes beschliessen.

Von älterer Glaßhütten / als unser Sarepta [5] ist / wissen die Historien /so viel ich ihr gelesen / nichts zu sagen / denn ob wol zu Sarepta auch Bergwerck gewesen / wie ihr offt gehöret / weil sie im Sehmm Ufer am Gebirge Libano gelegen / so zeuget doch Plinius / daß man das erste Glas atda / oder zu Sydon [7] / drunter diese Glaßhütten gelegen / gemacht habe / wie Sydon artificcm vitri nennet.

Denn nach dem am Ufer des Mittelmeers zwischen Tyron [8] und Shoort / und herab biß gen Prolomais welches Accon ist / im Stamin Ufer und Zebulon / sehr ein schöner Grieß oder Sand gewesen / welchen das Meer außgewaschen / und an das Ufer gestoßen / sind auff ein Zeit Kauffleut allda ausgetretten / die mit Saliner oder Salpeter handelten / da sie aber diß Orts kein Wang oder Wacken funden / haben sie ihre Kessel und Pfannen / auff Salpeterstücke gesetzet / als bald aber das Fewr angegangen / und der Salpeter sich unter den Sand gemenget / ist der Flüssige Sand geschmolzen und Glaßlauter worden.

Kauffleut geschwinde Köpff / decken ihr Sachs ferner nach / thun Sand und Salpeter in ein Hafen zusammen / wie unser Glaser Sand / Salz und Aschen / und seinen die Glaßgallen abe / und fangen darauff an / schöne helle Gläser und Geschirr mit schweck / stempffen / und blasen zu formieren.

Denn daß ein solchw Schmelzhütt / oder Glaßhütt gewesen /

Daß aber auch an dem Ort viel schönes / weisses / glinzerens / ausgeschlemtes Sandes gelegen / bezeuget Plinius [6] und Strabo [9] / die dieses Glaßsandes bey Sydon / auch der Stadt Sarepta ausdrücklich / und der von Sydon als der ersten Gläßer gedencken.

daß Moses hie von dem Sande rede / daraus man die schönen Gläßer geschmelzet.

so bezeuget Strabo der alte Landschreiber / daß man dӗ Sand von Rea hienauff auff Sydon / oder zu unser Sarepta geschafft oder fürgeführet / da man erst Glas daraus geschmelzt habe.

 

872-873

* Sydon und Tyrus.

* Tode Körper in Glaß gemacht.

kein Zweifel / Sarepta ist ein Glaßhütte ersichtlich gewesen / und die Sydonier die sonst viel guter Kunst und wercklichs Dings erfunden / sind die ersten und eleisten Gläßer gewesen.

Wie lang sie aber vor Elie zeiten Glaß gemacht / kann ich nicht sagen /

Moses und Job erwehnen meines Wissens geschmelten Glaßes oder gläsern Geschirr nindert /

ein Glaß oder Guttroff

War ists / es haben auch die alten Egyptischen Könige / wie Herdotus [10] scheibet / ihre gesalbte oder gemyrrhete Leibe in Glas vermachen lassen / wie ich im 41. Jahren im Predigerkloster zu Nürnberg ein Kindlein in einem Schreinlein / da ein schön Glaß für war / gesehen / welches der unschuldigen Kindlein eines seyn sollte / und der Bischoff von Wirzburg Herzen / sol man nach ihrem tode in ein Christallenglaß vermachen / und ins Kloster Eberbach führen.

… und das gesegnete Brod durch klare Gläser gezeiget / damit man nun das Himmelbrod hab sehen können /

 

874

... konnen wir nicht gewiß sagen / ob Esaia Spiegel gläsern gewesen / und auff einer seiten mit Bley uberzogen / damit das Glas ein Widerschein geben könnte.

Ein Spruch im Esaia zeuget / daß man Glasfenster gehabt / denn oft heilige Sprach hat zweyerley Wort /

 

875

* Gleserne Fenster. │ Von glesern Gefäß.

Von glesern Gefäß oder Trinckgeschirr / find ich im alten Testament auch nichts /

 

876

Von Marien Glaß /

 

877

Nun ists war / ein rother Wein stehet warlich schön in einem weissen und klaren Venedischem Glase / und giebt seinen Schein und Liecht von sich / wenn zumal das Glaß in der Sonne / oder bey Nacht für dem Liecht stehet.

Wie auch ein blancken Wein durch ein grün Glaß seine farben giebet / wie ein Regenbogen / denn der Glanz mehret sich im Wein und Wasser / darumb die großen Künstler / so bey der Nacht Stein und Siegel schneiden / oder was künstliches treiben oder punzeniren / des brennenden Lichts Schein in ein rund Glaß voll lauters Wassers fassen / und auff ihre Stöck richten / damit sie heller sehen können.

Wie aber der Wein in eim Glaß sehr schön steht / also wenn man zumal einen lautern rothen Wein in ein gülden oder wolvergüldten Becher oder Schalen schenket / brinnet er auch drinne wie ein Rubin / daß er einem auch kann ein Lüstlein machen / wie Evæs schöner Apffel / …

 

878

solche Geschirr / die nicht leichtlich zu gebrauchen / wie auch Keyser Fridrich sollte gesagt haben / da er ein schön Glaß / damit er verehret war / gerne fallen ließ /

 

879

Wein mit seiner schönen Farbe / er stehe nun in einer güldenen Schale oder Venedischem Glaße /

 

880

weil es doch heut sehr gebreuchlich / daß man köstlich Oel / Wasser / und Salben in Gläsern pfleget zu halten.

Samuel nam ein Oelglaß / sagt der teutsche Text / … Aber das Wort im Samuele wil hie eigentlich auch kein Glaß seyn. / … Ein Geschirr / das ein klein Löchlein hab / darauß der Balsam gleich nur tröpffelt / und daß mans desto besser verwahren könne / daß der edle Geruch nicht außrieche / wie unser gebrandte Wassergläser und Fläschlein gemeiniglich oben sehr enge seyn.

 

881

In einem grossen Hause sind nicht allein güldene und silberne Gefäß / sondern auch hülzene und irrdische.

Nie wird auch feines Glases gedacht / …

… der Glaser auch geschwiegen ist. /

 

893

… weil das Glaß nichts an sich zeucht / und die köstlichen Oele nicht durchdringen. /

Diß Glaß mit seinem Spicanardiwasser [11] ist beydes recht Heilthumb /

und Glaßhütten auch dieses Glases / edle Wassers /

 

895-898

* Sarepta bis eleiste Glaßhütte.

* Christallingläser.

* Die alte weise Gläser zu machen.

* Venedisch Glaß.

daß gläserne Geschirr bey den alten nicht sehr gemein gewesen /

Nach dӗ aber das Glaßmachen ist gemein worden / und man hat es zu allerley nothdurfft / sonderlich zum verglasen / Brillen / Spiegeln / Trinckgeschirrn nicht gerathen können / sind gläserne Gefeß sehr gemein und wolfeil worden / Darumb wollen wir nu ferner handeln / woraus / und wie die alten und newen Glaßmacher / ir Glaß gemacht / darauff wie im anfang gemeldet / wollen wir vom geistlichen Glaßmachen euch einen guten Bericht thun.

Von elterer Glaßhütten wissen wir nicht / den von der zu Sarepta bey Sidon am Mittelmeer / wie sie auffkommen / habt ihr zuvor gehört.

Auff dieser Glaßhütten / wie Plinius schreibet / hat man die allerschönsten Gläser gemacht / aus dem weissen und klaren Sand / der am stand des Mittelmeers Acon / Tyron / Sydon ist außgestossen.

Es sind aber die ersten Glaseer zu Sidon / zu der Kunst ohne gefehr komen / so sie ihre Kessel und Pfannen auff saliter wacken gesezet / und das Fewer durch den salpeter den Sand flüssig machet / drumb hat man dӗ Sand stetigs hernach saliter zugesezt / unnd wie immer ein Kunst uber die ander auffkommet / und von Tag zu Tag gebessert wird / ist man auß Erfahrung weise worden / daß der Magnet die gläserichte Materien im Fewer aus dem Sand an sich ziehe / wie er das Eisen annimpt / und daß er vom Magneten leuterer und klärer werde / drumb hat man dem Sand such Magneten zugeschlagen.

Man hat auch glizerne und weisse Kißling und spat gepochet / und nach Sand gesuncken / wie man etwan Schneckenheuser zu Asche gebrandt / wie aus unser Frawen Eiß Sparkalck gebrandt wird / der im Wasser besser halten sol.

Plinius schreibet auch / weil man in India viel Christallwecklein unnd Zepflein gefunden / weil man kein Form hat geben können / daß man dieselben Christallbrocken geschmelzt und zusammen gelassen / unnd die aller schönsten Christallin Gläser draus gemacht habe.

Mit dürrem Holz hat man die Materien angesotten / und den gläsern Safft oder massa gefertigt / darnach hat man mit Blasen / schwenken / und stampffen schöne Gläser allerley gattung künstlich draus gedrehet und formiret / auch etlichs wie ein Silber außgraben / diß ist die alte Weise gewesene Gläser zu machen.

Hernach ist diese schöne Kunst in Wellischland [13] kommen / da hat man bei Venedig oder Muran / auch ein reinen Sand antroffen / von danne heut das Venedisch Glaß in aller Welt beschrieren ist / denn do macht man die schönsten Trinckgeschirr / die kläristen Fensterscheiben / die helligsten Brillengläser / wie man auch Tafelglas da pressen sol / dadurch man aus einem Gemach alles auff der Gassen sehen kann.

Allda und zu Antdorff [14] macht man auch man auch das schönste Schmelzglaß / als rizkel / ultramarin von allerley Farben / das die Goldschmid gebrauchen / Denn weil Gott und die Natur ihre Gläser / Edelgestein und Flüsse ferben / hat die Kunst hie auch der Natur nachahmen wollen / uñ den gläsern Cörpern allerley Farb eingebrennet / daher viel Betrugs … und verkaufft ihr geferbt Glaß für Edelgestein / …

Ihr eigne Sand habe hiezu die Venedier / unnd brennen ihr eigne Asch / und brauchen ihr zusez / und halten ihr Kunst heimlich.

Ich höre sagen man brenne Asch aus Schilffwurzel.

Cardanus [15] schreibet / sie haben ihr eigen Erde die den Sand leutere / damit sie auch das Glaß ferben / … Sie sollen auch Sal gemmæ [16], desdurchsichtigen Salzes neben dem Steinsalz / das man aus der Erden grebt / zum Zusaz brauchen / neben dem fal chali.

Sie brennen auch aus etlichen Salzkreytern als Anthillis [17] ihre subtilere Asche / daraus das Glaß heller und reiner wird.

 

898-899

* Von den teutschen Glaßhütten und ihrer Arbeit.

Man macht auch aus Glaß / ein ganze gläserne Credenz oder Trefier, des sich grosse Herrn viel gestehen lassen. / …

Nun kommen wir zu der teutschen Glaßhütten / Etliche haben ihren eignen Sand / die andern pochen ihr weiß Querz und Kißling / und brauchen eichene / anhörne / büchene und tennene Asch / kieferne Asche / und Weidasche sol gut Werck geben / ob sie wol der fettigkeit halber nicht sogar weiß Glaß giebt / Man setzt auch unsers Salz dem Sand und Asche zu / doch sol Polnisch Steinsalz nüzlicher seyn / viel kaufen alte Glaßbrocken oder Scherben auff / daraus man in diesen Wälden das schönst Glaß machet.

Man will mich auch berichten / etliche sollen die Farmen mit Wurzel mit all zu Asche brennen / und Weinstein zuschlagen.

Es sol aber das Glaß weisser und reiner werden / wenn man Asch und Salz fleissig schmelzen mit dürrem Holz / denn grün Holz / und viel Rauchs sol das Glaß dunckler und schwerzlicher machen / unnd wenn man die Materien offt abkühlet / und lest sie etlichs mal durchs Fewer gehen / und streicht oder seimet die Glaßgallen / umd was mehr Unreinigkeit auff dem zulassenem Glaß schwimmet / fleissig abe.

Denn wenn man will Meister oder köstlich Glaß schmelzen / und schöne und reine Gläßer daraus formiren / die nicht blesicht / federicht / wolket / blettericht / steinicht oder grießlicht seyn / so lest man an / und schüttet in den ersten Hafen Sand / Asche und Salz / das müssen die Schürbuben rühren und umbwenden / wie man jetzt die Erzt / nach der newen und nüzlichen Kunst rühret / furchte und wendet / wenn man sie brennet und röstet / Alßdenn wenn es gleich beginnet / zusammen zu sintern / schüt man die Werck in ein Wasser / schrencket und schrecket sie abe / daß sie zufahren wie getrifftert Bley / danach sezt man es wieder in Ofen / und lest es noch ein mal fliessen / und zum andern mal im kalten Wasser abschrecken.

Darauff thut man die Materien wieder in den Hafen / darbey helt man ein stetigs Fewr / das nicht zu grell und groß ist / bis das Glaß begint zu fliessen und ein Schaum und sein weisse Gall ubersich zu werffen / wenn man die Werck rühret / gallen und wilosigkeit rein und sauber abfeimet / so steht das Glaß so lauter im Topff wie zurlassen Zin.

Und da nun das Glaß rein und lauter ist / so sehet man an zu arbeiten / der Meister nümmet seine eiserne oder messinge Peiffen / die er ein wenig erwarmen lesset / denn am kalten Rohr hafft das Glaß nicht / damit reicht er durchs Werckloch in Ofen / unnd lasset ein bellet Glaß an die Pfeiffe / und drehet es umb / daß es rund wird / unnd wenn es an der Lufft erkaltet / so fehrt er damit wieder in den Offen / daß es wieder weich werde / und nach dem er ein groß Glaß machen wil / lasset er mehr Glaß dran / wie er denn offt zum dritten mal die Pfeiffe einduncket,

Wenn er Glaß genug an der Peiffeb hat / so streicht ers mit seinem Streich= oder Rühreisen biß zu ende der Peiffen / unnd bleset das Glaß auff / wie ein Sweblase / er muß aber das Glaß in einem Odem aufbringen.

 

900-902

* Knöpfichtӗ Gläser.

Wenn das Glaß aber an der Lufft gestehen will / wemet ers wieder abc / und bleset abermals drein / bis es so groß wird als ers haben will / Wenn er Angster mit zwischen Röhrlein machet / so zeucht er den Odem an sich / danach schwencket ers an der Pfeiffe / und giebt ihm seine lenge / alßdenn fasset er am sein Rundeisen auch ein Pelle oder klumpen Glaß / un leget Bodenreiflein / Stein und Knöppf ans Glaß.

Etliche haben auch ihre Form / darein sie daß stossen / daß sie striemicht und spieglicht werden.

Darauff schlegt ers abe von der Pfeiffe / und holet ein new Pelett oder Pezelglaß / und fasset das Geschirr am Boden an sein Hefft oder Werckeisen / daran glüet ers wieder / und stampfet es auff sein buchen Stamspan / so breit ers haben will / und wenn ers wieder abgewermet / und Stein und Ringel dran gelegt / und mit seim Zwickeisen abgezwickt / außkerbet / und spizig oder in seinem Model formirt hat / lest er das Glaß wieder gar Fewerroth im Offen werden / und drehet es mit seiner Schere aus / unnd macht ein Rand so weit ers haben will / und stampfet es auff den Span / daß der Rand gleich werde.

Er lesset auch auff seinem Bein das Glaß am Heffteisen / wie ein Drechßler umblauffen / daß es rund und Zirckelrecht werde / wenn es also gefertiget / lest er ein Tröpfflein Wasser auffs Glaß / da es an das Heffteisen geköttet ist / fallen / und schlegt hinten drauff / so springt das Glaß in den andern Hafen im Külofen / da es bey temperirtem Fewer abkühlen muß / denn wenn man es flugs an die Lufft thete / so zursprüng es / wie ein Glaß / das in der wirm gehenckt / alßbald zuschricket / wenn mans so warm in ein eißkalt Wasser stecket / oder ein sehr kalten Wein drein schencket / wie es D. Martin Luther seligen zu Wurmbs auffm Reichßtag wiederfahren ist.

Weil aber das Glaß von Natur weiß und planck ist / wenn zumal der Sand unnd die Asche rein / und mit fleiß ausgesotten / und abgefeimet ist / hat man in diesen Landen gemeiniglich zum Wein grüne Gläser gemacht / darin ein rebrechter Planckewein / sehr schön und lieblich stehet / und dem Wein ein lustige farbe giebt / Solche grüne Farb machet man dem Glaß mit Hammerschlag / wie sie auch roth und gelb Glaß mit Braunstein und Kupfferschlag / und die braunen Mostkreulein ferben. …

Die Wahlen haben lust und gefallen zu schönen und klaren Gläsern / die schlecht und Zirckelrecht seyn / wie sie auch viel subtiler seyn mit ihrer Arbeit / welchs man an ihren Werzen und Boden an ihren Schiebennebeln / unnd andern sihet.

Wie man zwar auch etwa an und noch gar glatte / reine / und hohe und enge grüne spechter am Spessart gemachet / da gar kein Ringel oder Stein angewesen / ohne dass etliche solche Gläser gleich ihr Schattirung / Rauten oder Spiegel haben in einer eignen Form bekommen / aber es hat sich die Kunst endlich müssen nach dem Lande richten / daher man allerley Knöpff / Stein / unnd Ringlein an die Gläser gesezet / damit die Gläser etwas fester und bestendiger / und von vollen und ungeschickten Leuten best leichter köndten in Feusten behalten werden / daher die starcken körzigten / oder knöpfichtӗ Gläser im Brauch kommen seyn / Nachmals hat Fürwiz immer ein newes oder das ander erdacht / etliche haben an die weisse Gläserfarben / allerley Bildwerck und Sprüche im Külofen brennen lassen / wie man auch grosser Herrn Contrafactur und Wappen auff Scheiben gemahlet / die man in die Fenster versezet.

 

902

Vor alters da noch liechte Herzen und finstre Kirchen waren / hatte man die Kirchenfenster mit allerley Handfarben gemaltem Glas verglaset / jezt werden die weissen Gläser gemein / darauff gleich weisse Feden von weisser Farbe getragen / die man in der Schlesing [18] machen solle / Wie man jezt auff die schönen und glatten Venedischen Gläser mit Demant allerley Laubwerck und schöne Züge reisset.

Man kann auch mit einem heissen Eisen Trinckgläser zuknicken / wie die Fenstermacher ihr Tafelglaß spalten / wenn sie das warme Glaß naß machen / daß sie sich aus einander dehnen lassen / und gleich wol wenn man sie wieder nieder lesset / Wein halten.

Wer kann aber allerley gattung und Form der Gläser erzehlen? Die Alten hatten ihre hohe Spechter / Krautstrünck / Engster / Biergläser / Teubelein / Brüderlein / und feine kleine Trinckgläserlein / als da man die frischen Eppener etwan zu München aus pfleget zu trincken.

Vor wenig Jahren hat sichs alles mit Trinckgeschirrn verkehret / wie zwar auch schier ein jeder seinem Gefeß ein sondern Namen erdichtet / denn nu macht die unstetigen grossen Willkoᵯen / Narrengläser / die man kaumet auffhebӗ kann/

 

903

… Etliche geben auch den Gläsern schendliche Gestalt / darüber auch der fromme und erbare Heyde Plinius schon zu seiner zeit sehnlich klaget / …

Diß müssen wir der alten nerrischen / und fürwizigen Welt zurechnen / freilich hilfft Alter für Thorheit nit / doch hab ich mir heut nicht fürgenommen / die Glaßhütten zu reformiren.

Ob aber schon hierinn / wie in viel andern dingen / Fürwiz und Mißbrauch redlich eingerissen / müssen wir dennoch umb des unrechten unnd nerrischen Brauches / die schöne und freye kunst des Glaßmachens / und die guten und nüzlichen Instrument und Geschirr / so man aus allerley Glaß macht / …

 

905-906

… kann ich der Gläser und Glaßmachens / in meiner Predigt auch billig gedencken / Weil zumal alt und new Testament von unser Sarepta und Glaßhütten redet / und Gott grosse Wunderthat in dieser Werckstadt gethan / …Aber der Glaser muss zu seinem Werck das Drehwerck und Schwanet haben / und arbeit darneben mit seinem Odem / bleset Form und gestalt in einen irrdischen Saffe / … so giebt gleichwol diese Kunst viel schöne und nüzliche Geschirr / nicht allein von Trinckgläsern / sondern den Erzten / die zu ihrem distilirn und Urinalen / der viel gebrauchen / und ihr Oel unnd Wasser ohne abgang drinne behalten.

Goldschmid und Cementirer / halten ihr aqua fort in Gläsern / und scheiden drinn uberm Fewer Silber und Gold / Last es uns auch danckens werth seyn / daß man unser Fenster mit Glaß für Wind uň Kält also verwahret / daß dennoch die liebe Sonne / und das Tagliecht dardurch / zu uns in unser Stube und Caminscheinen können / wenn man die Glaßscheiben in ein Bley sezet / unnd sein darneben so genaw außzwicket / daß sie Wasser halten / oder wenn man aus Tafelglaß Rauten Fischschupen und Quartirfenster macht.

… haben wir GOtt auch zu dancken / für allerley Barillen unnd Augengläser / die man zum lesen brauchet / oder auff die Bücher leget / oder damit wir in die Ferne sehen / wie Stechbrillen seyn / oder damit auch junge Leut / die Scherpffe ihres Gesichts in seinem Wesen erhalten.

… seines Alters oder Jahr ein Brill zurichten kann / die da gröbert oder kleinert.

Gläserne Spiegel haben auch ihre Eigenschafft / wenn die Glaß auff einer seiten mit Bley vergossen seyn / daß sie Menschen Angesicht abbilden / und gleich in eim nuz eine Contrafactur und Ebenbild / und viel wunderdinges fürstellen.

… Ich rede hie allein von gläsern Spiegel … Cristallglaß …

 

907

* Was man vom Glaß zu lernӗ hat.

Ich bin mit einem dreyecketen grünen Glaß verehret / ungefehrlich 5. Zoll lang / wenn man diß gegen der Sonne hielt / gab es die schönsten farben von sich … als weren viel hundert schöner Regenbogen drinne. …

Diß alles von Art und nuz des Glases / und von der Kunst des Glaßmachens / erzehle ich unser alten Serepta und Glaßhütten zu ehren / …

… und schönen Bildern reden / die uns im Glaß fürgehalten werden / … Also hat die Natur im Glaßwerck / viel seiner Lehre und Erinnerung / uns als in einem natürlichen Spiegel für Augen gestellet / …

… welche den schönen Spruch vom Glaß hergenommen: Fortuna est vitrea, cum maximèsplender frangitur.

Dieser Spruch giebt einen schönen Text umb ein Glaß / oder umb ein Spiegel / denn er weiset im Glaße / wie es so ein unbestendig und gebrechlich ding umb das Glück sey.

 

908

Denn wie ein Glaß gar leichtlich zuschrickt / zuknickt / oder gar zubricht / …

 

913

… so vernüfftige Leut im Glaß jederman haben fürbilden wöllen.

Ehe wir aber zum geistliche Glaßmachen kommen / … Wie die Sonne durchscheinet das Glaß mit ihrem klaren Scheine / …

 

921

* Vom geistlichen Glaßwerck.

Vergesset nicht daß man aus Salz und Asch Gla0 schmälzet / und formiret Geschirr draus mit blasen und schwencken / und schmücket es mit allerley Farben.

 

936

Im Glaß siehet man ein Bild Menschlicher Gebrechlickeit / darumb sollen grosse Leute stetigs ihr gläserne Trinckgeschirr und Tresir auff ihren Tischen haben / …

 

937

* Gläßer gerathen nicht alle.

* Glaß ist ein zerbrechlich Gefäß.

Ein reiniglich / lustig / sauber / durchsichtig Gefäß ists umb ein schön hell Glaß / aber dem Meister mißräths offt / ehe er ein solch Glaß zurichtet.

So der Sand und Asch ihre sondere Wildigkeit und Unart haben / welche in Glases Leib mit einnaturt / unnd angestámmet wird / …

Darnach sind sich offt im Glaß mancherley / eins ist steinig / und hat am Nabel und Renden seine Schärpffe / rizt und verwunde immerdar / …

Summa / es muß Asch und Sand / und der Meister und Zeug / auch das Fewer vom frischen und guten Holz seyn / wenn ein sawer und wolgeschaffen Glaß soll formirt werden / das sein gefrmten Leist und Proportion / und sein Farb und Lauterkeit haben solle.

Da nun schon ein kür rein Glaß / oder der eine ganze Schaub vol fertiget seyn / wie bald ist es umb ein Glaß geschehen / umb wenn es mehr kostet / …

 

938-939

* Vom künstler welcher Gläser zurichtet welche nicht zubrachen.

Schenket man zu kalten Wein und Wasser drein / so zuschrickt es / nimbt man heiß Wasser / so zuspringt es / man mag es leicht und hart nidersezen / man stöst den Boden aus / oder ein Stücke vom Rande / daß es lahm wird / fält es umb / so kömpt ein Scharte drein / will es springen lernen / so gibt es einen Klang von dich / und gehet zu drümmern / da liegen die Scherben und Brocken auff einem Hauffen / da hilfft kein kütten noch Leimen mehr / nichts besseres / denn wieder mit ihm zum Fewr zu / und ein newes drauß geschmelzt.

Das ist eigentlich Glaß art / … und zerschläge auff ein mal viel gemeiner Gläser / Denn die gläserne Gebrechligkeit / ist und bleibet doch in allen gläsern / sie sind zu Sarepta oder zu Venedig / oder im Böhemischen Walde / oder am Spessart / oder in der Pfalz / oder in Hessischen oder Meissischen Glaßhütten gemacht / biß sich einmal der rechte Meister wieder wird sehen lassen / der dem Glaß sein newe Zusatz gebe / daß sie nimmer brechen können / … so die schönen Gläser ihrer Gebrechlichkeit weren loß worden

 

941

… und mit ihm ober Tische ein freundlichen Trunck Wein aus einem schönen Glaß ehrte / solle es diese zween Verse darzu ex tempore gemacht haben:

„ Dat vitrum vitreo Ionæ vitrum ipse Lutherus,

   ller vitro fragili similem se noseat uterq;

Dem alten Herrn Doctor Jonas /

Bringt Doctor Luther ein schön Glaß /

Das lehrt sie alle beyde seyn /

Daß sie gebrechliche Gläser seyn.

… Wie nun diese grosse Leut sich ihrer Gebrechlichkeit aus ihrem Glaß erinnerten / Also soll ein jedes Glaß neben S. Pauli Text / unser Spiegel und Lehrer seyn / …

… in einem gebrechlichen Gläßlein truge. / …

 

953

… oder an einem Venedischen Glaß ein schön Crucifix mit einem Demant gerissen / anschawet / und wenn der HErre Jesus mit ultramarin oder Rizkle an ein Glaß geschmelzet / oder mit Farben drein gebrannt ist. / …

 

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Ein Glaß das ein Schandmal hat / das lesset sich mit keiner Laug oder Salz auswaschen oder auskrazen / wenn mans wieder ins Fewer sezt / so wird es rein / …

 

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[1] MATHESIUS 1618, S. 857-972.

[2] MATHESIUS 1618, S. 857.

[3] Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um einen Ort an der phönizischen Mittelmeerküste.

[4] übertragen aus dem Digitalisat SLUB Dresden.

[5] Wahrscheinlich die antike phönizische Küstenstadt Sarepta, das heutige Al-Sarafand im Libanon, etwa 10 Kilometer südlich von Sidon gelegen.

[6] römischer Historiker und Fachschriftsteller Plinius der Ältere / Gaius Plinius Secundus Maior (ca. 23-79 n. Chr.); Verfasser der „Naturalis historia“.

[7] in der Antike zählte Sidon zu den wichtigsten Städten Phöniziens.

[8] wahrscheinlich die Küstenstadt Tyros, eine der frühesten phönizischen Metropolen am Mittelmeer.

[9] antiker griechischer Geschichtsschreiber und Geograph Strabon (etwa 63 v. Chr. - nach 23 n. Chr.).

[10] der antike griechische Geschichtsschreiber, Geograph und Völkerkundler Herodot von Halikarnass(os) (490/480 - um 430/420 v. Chr.).

[11] Hierbei handelt es sich um die wohlriechende Indische Narde, die in der Antike zur Zubereitung kostbarer Öle (Nardenöl) und Salben verwendet wurde.

[12] der Joachimstaler Pfarrer Johannes Mathesius zählte zu Luthers engerem Anhang (STEPHAN 2021, S. 64).

[13] Im historischen Sprachgebrauch steht „Welschland“ zwar für Italien und Frankreich, hier ist aber im Kontext des Textes Italien gemeint.

[14] Wahrscheinlich ist hierbei das heutige oberbayerische Pfarrdorf Antdorf gemeint.

[15] Möglicherweise ist hier der italienische Mathematiker Gerolamo Cardano (1501–1576) gemeint.

[16] Steinsalz.

[17] dürfte der Pflanzengattung Wundklee (Anthyllis) entsprechen, wobei die m eisten Arten in Europa, Nordafrika und im Nahen Osten verbreitet sind.

[18] Hierbei handelt es sich um die Region Schlesien.

[19] Kommentierung bei STEPHAN 2021, S. 96.