Reichsabtei Corvey

Klaus A.E. Weber

 

Ein früher mittelalterlicher Think-Tank am Weserbogen

Gründung der Abtei vor rund 1.200 Jahren

Die Reichsabtei Corvey entstand als Benediktinerkloster um 822 mit karolingischer Hauptaufbauphase um 800-856 am Südrand des Sollings an der Weser.

Das fränkische Kloster entwickelte sich zu einer der bedeutendsten karolingischen Klostergründungen des mittelalterlichen Sachsen.

Sein Aufstieg liegt in seiner Bedeutung als Wallfahrtsort, den die Überführung der Reliquien der Heiligen Stephanus und Vitus begründete.

Mit Scriptorium und herausragender Bibliothek wurde Corvey zu einem blühenden monastischen Mittelpunkt - zu einem hervorgehobenen kulturellen, geistigen und wirtschaftlichen Zentrum seiner Zeit.

Gerne wird die Abtei mit der im 8. Jahrhundert entstandenen Klosterinsel Reichenau am Bodensee verglichen.

Die Geschichte und Kunst des karolingischen Klosters wurde 1966 umfassend im Rahmen einer aufwändigen Ausstellung des Landes Nordrhein-Westfalen in Corvey dargestellt.[1]

Das karolingische Jahrhundert kann als das goldene Zeitalter der Corveyer Geschichte bezeichnet werden.

Es hat Corvey zu einer Bedeutung in Sachsen aufsteigen lassen, die nur mit der Stellung Fuldas in Franken und der Reichenau in Schwaben vergleichbar ist.“[2]

Seit dem 21. Juni 2014 ist das karolingische Westwerk und die Civitas Corvey UNESCO-Welterbe.

 

Klosterdatenbank

 

Blick auf die barocke Corveyer Klosteranlage

und das karolinigische Westwerk

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die Überlegung, zur Festigung des Frankenreiches ein Mönchskloster in Sachsen zu gründen, wird Karl dem Großen (768-814) zugeschrieben.

 

Hethis/Hetha │ 815/816

Nach Zustimmung des Reichstages in Paderborn im Jahre 815 gründeten im ersten Versuch 815/816 Mönche aus der nordfranzösischen Abtei Corbie an einem Ort namens Hethis ihre Missionszelle im Weserbergland.

Das Benediktinerkloster Hethis gilt als erstes Mönchskloster im Land der Sachsen, dessen Lage im Solling vermutet wird (wo genau, ist ungeklärt).

822 verlegten die Mönche das Kloster an den Weserbogen bei Höxter, um dort mit einen Neuanfang zu beginnen.

 

Corvey │ (nova) Corbeia │ 822/823

822/823 Klosterneugründung als Nova Corbeia

Das 822 mit Unterstützung sächsischer Adelskreise flussaufwärts an die Weser verlegte Benediktinerkloster Corvey wurde 823 durch das Mitglied der Karolingerfamilie Ludwig der Fromme (778–840) bei der "Villa Huxori", dem späteren Höxter, gegründet.

Die Klosterbaustelle wurde von dem Paderborner Bischof Badurat (vor 785-862) geweiht.

Im Andenken an das Mutterkloster nannte er den Klosterort Nova Corbeia - Neu-Corbie.

Als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von 814 bis 840 hatte er als Sohn und Nachfolger Karls des Großen um 833 sein Königsgut mit Salinenanteilen an die Benediktiner der Corbeia Nova geschenkt.

Von ihm erhielt das Kloster die Stiftungsprivilegien und aus der kaiserlichen Pfalzkapelle in Aachen Reliquien des Schutzheiligen Stephanus.

 

Kirchenpatron Stephanus

mit dem Attribut Märtyrerpalme

vor dem Westwerk

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Klostergeschichte mit Höhen und Tiefen

Als erste Stätte des Benediktinerordens im Weserraum war Corvey das älteste und bedeutendste Reichskloster im frühmittelalterlichen Sachsen und blieb in dieser Region mehr als 100 Jahre lang das einzige Kloster.

Die Erteilung des königlichen Marktprivilegs (Münzrechtsverleihung) erfolgte durch Kaiser Ludwig dem Frommen im Jahr 833.

Wenig später, im Jahr 836, wurden die Reliquien des Heiligen Vitus aus Saint-Denis nach Corvey überführt.

 

Kirchenpatron Vitus

Silberne Reliquienbüste des heiligen Vitus

von 1700

Museum.Welterbe Corvey

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Das königsnahe Kloster wurde als Reichsabtei privilegiert und unterstand seit 981 dem den Heiligen Stuhl (Exemption).

"Die Exemtion in Bezug auf die Diözesanrechte führte zum Konflikt mit dem betroffenen Paderborner Bischof, der außerordentlich große Umfang an Zehntrechten zum Konflikt vor allem mit dem Osnabrücker Bischof.“[8]

Es sollten in der Folgezeit der Reichsabtei Corvey zahlreiche weitere Benediktiner*innen-Klöster folgen.[4]

Nach STEPHAN [5] kam ihm als geistlichem, politischem und ökonomischem Zentrum für das Weserbergland im 9.-12. Jahrhundert eine herausragende Bedeutung zu.

"Aufgrund umfangreicher Schenkungen entwickelte sich Corvey im frühen und hohen Mittelalter zum größten Grundbesitzer in Norddeutschland."[8]

Die Reichsabtei erlebte ihre „letzten großen monastischen Blütezeiten als kirchliches Reformzentrum und zeitweise auch als wichtiger Stützpunkt des Königtums um 1080–1160“ - mit einer Zerstörung des Klosterbezirks im Jahr 1103.[6]

Für die Klosteranlage sind Renovierungen, Neu- und Umbauten um 1150 gesichert.[6]

Die ältesten Aufzeichnungen des Klosters sind die so genannten Corveyer Traditionen (Traditiones Corbeienses).

In dem quasi Schenkungsregister zeichneten Corveyer Mönche auf Pergamentrollen auf, „welche Besitzungen dem Kloster zwischen 822 und 1037 von überwiegend sächsischen Adeligen übertragen wurden“ … auch „als Ausdruck der Christianisierung, die in Sachsen mit den Kriegszügen Karls des Grüßen zwischen 772 und 804 durchgesetzt wurde“.[7]

Verstärkt seit den 1630er Jahren wurde das Kloster während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) wiederholt überfallen, geplündert und verwüstet.

 

Umbau zur barocken Residenz

Während des Zeitalters des Barock kam das Kloster Corvey zu einer weiteren Blüte.

Im Jahr 1664 wurde der ursprünglich frühmittelalterliche Kirchenbau abgerissen, wobei das Westwerk in seiner ursprünglichen Bausubstanz bestehen blieb.

Mit dem Neubau der Abteikirche im gotischen Stil in den Jahren 1667-1674 wurde von dem Fürstbischof von Münster und damaligen Verwalter von Corvey Christoph Bernhard von Galen (1606-1678) die größte Bauperiode der Klosteranlage eingeleitet, die das Stift bis 1740 erfuhr.

Der Umbau zur barocken Residenz und die Ausstattung der Kirche mit zeitgenössischem Inventar ermöglichte es den residierenden Fürstbischöfen, vor einer pompösen Kulisse herrschaftlich zu repräsentieren.

 

Geschichte von Höxter und Corvey

 

Museum.Welterbe Corvey

1.200 Jahre Kulturgeschichte - Von der karolingischen Glaubensbastion zur barocken Residenz

Dauerausstellungen

 

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[1] NORDRHEIN-WESTFALEN 1966a/b.

[2] STÜWER 1966.

[4] NORDRHEIN-WESTFALEN 1966a, S. 226-228.

[5] STEPHAN 2022b, S. 56; STEPHAN 2017a.

[6] STEPHAN/MYSZKA/WILKE 2018, S. 326.

[7] PISCHKE 2023, S. 84.

[8] KOCH 2023, S. 113.