Die Regionalmacht der Eversteiner

Klaus A.E. Weber

Zeichnerische Rekonstruktion

von Wolfgang Braun

 

Zunächst wurde der bei Lobach oberhalb der Wüstung Dune auf einer Bergkuppe liegende Kleine Everstein zur Stammburg der Grafen von Everstein.

Die Grafen von Everstein waren reich begütert, übten die Gerichtsbarkeit aus, besaßen die Markt- und Bürgerrechte sowie das Geleitrecht über die Weser.

Der nach rechts schreitende gekrönte Eversteiner Löwe ist im Wappen des Landkreises Holzminden hinterlegt.

 

Der nach rechts schreitende gekrönte

Eversteiner Löwe │ 14. Jahrhundert

Wappenschild derer von Everstein

Tumba

Klosterkirche von Amelungsborn

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Seit dem frühen 12. Jahrhundert (in der Literatur 1113, auch 1116) nannten sich die Grafen von Everstein [12] nach den Dynastenburgen "Großer Everstein" und "Kleiner Everstein" auf mehr oder minder schwer zugänglichen, eingeebneten Felskuppen des Höhenzuges Burgberg bei Bevern.

Die Burganlage entstand etwas früher als die benachbarte Homburg.

Zudem bestand ein kleinräumiger Burgflecken.

 

Höhenburgen

regionale machtpolitische Symbole des Mittelalters

Die dynastische Doppelburg

Großer und Kleiner Everstein von Südosten

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Halsgraben des "Großen Eversteins"

Ostkuppe des Burgberges

Februar 2022

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Im mittelalterlichen Zeitalter von Schwert und Glaube waren regionalhistorisch die beiden Eversteiner Dynastenburgen machtpolitische Zentren der hoch- bis spätmittelalterlichen Gesellschaft.[1]

Beide Höhenburgen zählen zu den wichtigsten Dynastenburgen im Weserbergland.[3]

Wie eine plastisch ausgeformte Zierscheibe in Wappenform „mit einem weißen gekrönten Löwe im blauen Feld“ an einer der vier Gewölberippen des mittleren Chorjochs im Hohen Chor zeigt, war das Kloster Amelungsborn der Grafschaft Everstein besonders verbunden.[5][6]

 

Zierscheibe

Wappen der Grafen von Everstein

„weißer gekrönter Löwen im blauen Feld“

Chor

Klosterkirche Amelungsborn

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die Höhenburgen Everstein als Wehranlagen

 

Kleiner Everstein - die ältere Stammburg

Wie STEPHAN [9][10][16] beschreibt, liegt nahe an Gau- und Diözesangrenzen der um 1100 errichtete kleinräumige, aber bestens geschützte und aufwändig mit einer gemörtelten Ringmauer befestigte Burgplatz [14] in Sichtweite zur Homburg des Grafen Siegfried von Northeim.

  • Bergkuppe: 311,0 m
  • errichtet

  • um 1100 bis 1284 (Belagerung)

  • mit ehemaligem Kirchdorf Dune

 

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Längsovaler Grundriss

kleinräumiger "Kleiner Eversteins"

 

Großer Everstein - die Residenzburg

Die imposante, stark befestigte zweite Burganlage mit Halsgraben wurde nach STEPHAN [9][10] um 1160/1170 als errichtetet.

Zeichnerische Rekonstruktion

von Wolfgang Braun

 

  • Bergkuppe: 345,2 m

 

Doppelkonische Spinnwirtel

"Großer Everstein"

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Am Fuße der Burganlage befand sich in verkehrsgünstiger Lage ein Burgflecken mit geschätzt etwa 15-20 Hausstellen und rund 50-150 Einwohner*innen [15].

 

Befestigte Siedlung (Burgflecken)

unter der Burg Großer Everstein [13]

© Zeichnung: Th. Küntzel / J. Greiner

 

Die Höhenburg Polle

Vermutlich um das Jahr 1200 errichtet, wurde die an der Weser als Sitz der Eversteiner Grafen (Linie Polle) 1285 erstmals urkundlich erwähnt.

Zeichnerische Rekonstruktion

von Wolfgang Braun

 

 

Eversteinsches Grabmal

Sandsteintumba des Grafen Hermann III. und seiner Frau Gräfin Adelheid

 

Eversteinsches Grabmal

Eversteiner Graf Hermann III. zu Polle

seine Gemahlin Adelheid zur Lippe [7]

Sandstein-Hochrelief

Mitte/Ende 14. Jahrhundert

Klosterkiche zu Amelungsborn

verlegt in die Mitte

des südlichen Chorseitenschiffes

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

In der Klosterkiche von Amelungsborn wurde das größte und prächtigste, sarkophagähnliche Grabmal aus dem 14. Jahrhundert in die Mitte des südlichen Chorseitenschiffes verlegt.⦋4⦌

Es bezeugt eine Erbverbrüderung des kinderlosen Grafen Hermann von Everstein mit den Lippern.[8]

Hierzu die 1907 veröffentlichte Beschreibung von STEINACKER [2]:

Im Chore südlich zwischen dem ersten und zweiten Pfeiler von der Vierung das Grabdenkmal aus rotem Sandstein eines Ehepaares des gräflichen Eversteinschen Hauses.

Schwerfällige Arbeit vom Ende des XIV. Jahrhunderts.

Die etwa lebensgroßen Figuren sind in starkem Hochrelief ausgeführt und liegen, der Mann links, die Frau rechts, unter einem Maßwerkbaldachin auf der tumbenartig erweiterten Chorbrüstung, wozu den Übergang an den Längsseiten eine Schräge über einer auch an der Kopfseite herumgeführten Kehle bildet.

Vor den Füßen ist Platte und Untersatz bis fast an den Pfeiler verlängert.

Breite 123 cm, Länge vom Fußrande der Figuren bis zur Höhe des Baldachins 250 cm.

Vermutlich lag dieses Grabmal noch 1840 im Chor vor der Vierung und neben dem damaligen kleinen Altare.

Die Köpfe ruhen auf Kissen.

 

Eversteiner Graf

Hermann III. zu Polle († 1350/1351) [7]

barhäuptig

halblanges Haar

spitzer Vollbart

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Der barhäuptige Graf trägt halblange Haare mit spitzem Vollbart, Lederkoller, vorn mit Knopfreihe, darunter Kettenhemd, an Armen, Beinen, Knieen und Füßen Panzerplatten.

Ein Gürtel mit einer Reihung von mit Vierpassen ausgefüllten Kreisen umgibt die enge Taille.

Die Linke ruht auf einem Wappenschilde mit dem eversteinschen nach heraldisch rechts schreitenden gekrönten Löwen.

Die Rechte fasst auf den Griff des Schwertes, das senkrecht zwischen den Beinen steht.

Die Füße ruhen je auf einem Löwen.

 

Gräfin Adelheid zur Lippe

mit Kinn- und Kopftuch

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die Frau trägt über dem Untergewande einen faltenreichen Mantel, vor der Brust an einem Bande ein Schild mit fünfblättriger Rosette, Kinn- und Kopftuch.

Die Hände liegen nach oben gegeneinander gerichtet vor der Brust.

Die Faltenrichtung ist die einer stehenden Figur.

Die Füße ruhen je auf einem Hunde.

Der ursprünglich über den Häuptern angebrachte, aus einem Stück gearbeitete Baldachin ist jetzt zur Seite gestellt.

Er war unvollendet geblieben und ist neuerdings leider ersetzt in der Absicht, am neuen Stück die am alten unterbliebene Arbeit auszuführen und zu verbessern.“

 

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[1] HEINEMANN 1977, S. 271.

[2] STEINACKER 1907.

[3] STEPHAN 2010, S. 283-286.

⦋4⦌ GÖHMANN 1991, S. 19 Anm. 45.

[5] GÖHMANN 1991, S. 55 Anm. 29.

[6] GÖHMANN 1982, S. 84.

[7] RAULS 1974, S. 29.

[8] KOCH/KÖNIG/STREICH 2015, S. 57.

[9] in KOCH/KÖNIG/STREICH 2015, S. 33.

[10] STEPHAN 2010, S. 450.

[11] nach Beobachtungen des Autors bestehen Reste eines mehreckigen Turms, in dessen Mauern ein verrosteter Armbrustbolzen steckte, vermutlich im Zusammenhang mit einem Angriff bzw. mit der Belagerung von 1284.

[12] auch "von Euerstein" und "von Eberstein";  in älteren Karten auch „Eberstein“,

[13] Abb. aus KÜNTZEL 2010, Tafel 116.

[14] Airborne-Laserscan in STEPHAN 2010, S. 64 Abb. 22.

[15] STEPHAN 2010, S. 72.

[16] DBU 2018, S. 101.