Klosterkonzern der "weißen Mönche"

Klaus A.E. Weber

 

Der im Jahr 1998 sein 900-jähriges Bestehen feiernde Zisterzienserorden zählt zu den bedeutenden monastischen Reformbewegungen des Hochmittelalters.

Mit dem Ziel, das Klosterleben zu erneuern, traten die Zisterzienser im 12. Jahrhundert die missionarische und kolonisatorische Nachfolge der Benediktiner an.

Ausgehend von einer kirchenkritischen Reformbewegung mit asketischer Grundordnung entwickelte sich in Frankreich der benediktinische Reformorden der Zisterzienser, genannt nach dem Mutterkloster Cîteaux (Cistercium).[13]

Der stets mit weißem Gewand und einem schwarzen Gürtel gekleidete Orden setzte „gegen Prunksucht und Pflege der Wissenschaften“ das mönchische Ideal der strengen Askese und erlangte durch Handarbeit (Handwerk, Landwirtschaft, Bergbau) und Kolonisation zunehmend an Bedeutung.[11]

Als „Imperium der weißen Mönche“ entwickelten die gottessuchenden Zisterzienser frühkapitalistische Unternehmen, wodurch sie zum mächtigsten Klosterkonzern des Mittelalters wurden.

Den Aufstieg, die Bedeutung und die Erfolgsgeschichte des außergewöhnlichen "Konzerns der weißen Mönchen" mit seiner mittelalterlichen Blütezeit zeigte die Ausstellung "Die Zisterzienser - Das Europa der Klöster".[1][3]

 

Wappen der Zisterzienser

Klosterkirche Amelungsborn

geschachteter Schrägbalken

gekreuzt mit einem Abtstab

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Bei der Gründung von Zisterzienser Klöstern waren nach WULF/LANDWEHR [13] vordergründig drei Faktoren entscheidend, wie sie sich auch beim Kloster Amelungsborn widerspiegeln:

  • relative Abgeschiedenheit von größeren Orten

  • Nähe zu einem größeren Verkehrsweg

  • Verfügbarkeit von ausreichend Wasser

Als durch die Rodungswellen des 11. und beginnenden 12. Jahrhundert fast alles nutzbare Kulturland erschlossen war, beginnt im Mittelalter die Geschichte der Zisterzienser, die ihre Klöster bevorzugt in waldreichen Gebieten fernab von Siedlungen und Städten errichteten.[4]

„[…] weise den Zisterziensern die nackte Wüste und ein Stück wildgewachsenen Waldes zu, und du wirst daselbst, nur wenige Jahre später, nicht nur Kirchen und Häuser, sondern auch eine Fülle von Besitztümern und viel Prächtiges finden […]“ [2]

 

Mönche beim Klosterbau [8]

 

Die historische Entwicklung von Europa maßgeblich beeinflussend, gelten im Mittelalter die Zisterzienser als einer der machtvollsten Verbände der Zeit.

Von dem außergewöhnlichen Orden wurden beeindruckende Sakralbauten und eine besondere Klosterwirtschaft geschaffen.

Dabei war ursprünglich nur erlaubt, „was den praktischen und liturgischen Notwendigkeiten der monastischen Gemeinschaft diente.“[9]

Der als charismatisch und kirchenkritisch beschriebene Abt Berhard von Clairvaux (um 1090-1153) gilt als einer der bedeutendsten Mönche des Zisterzienserordens.

Abt Berhard zeichnete sich durch eine mystische, auf ein ekstatisches Erlebnis und Verkündigung eingestellte Frömmigkeit aus.[5]

Kritisch gesehen, war Bernhard nicht zuletzt auch ein Hassprediger im modernen Sinne; er war begeisterter Prediger des Zweiten Kreuzzuges (1147-1149).[12]

Sich ursprünglich im 12. Jahrhundert auf den christozentrischen Berhard beziehend, entstanden von ihm beeinflusst in der Zeitspanne vom späten 11. Jahrhundert bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts fast 650 Klöster - in der Hochzeit angelegt als dichtes Netzwerk in Europa.[10]

Die Klosteranlagen gelten als "Vorposten der Landesherrschaft auf unsicherem Terrain".[1]

 

Zisterzienserklöster in Frankreich

Abtei Notre-Dame de Cîteaux (Mutterkloster)

  • 1098 von Robert de Molesmes in der Ebene der Saône im Herzen von Burgund gegründete Abtei, Wiege des Zisterzienserordens

Abtei Clairvaux

  • ehemalige Zisterzienserabtei aus dem 12. Jahrhundert, im 18. Jahrhundert wieder aufgebaut, im 19. Jahrhundert von Napoleon in ein Gefängnis umgewandelt

 

Zisterzienserklöster in Niedersachsen

Abtei Walkenried (1129-1546)

  • ältestes Zisterzienserkloster Norddeutschlands, 1129 mit Mönchen aus dem niederrheinischen Zisterzienserkloster Kamp besetzt [6]

Abtei Amelungsborn (1135)

Abtei Loccum (1163) (Tochterkloster des Klosters Volkenroda)

Kloster Marienrode bei Hildesheim (1259-1806)

 


Plastische Freifigur

Hl. Bernhard Abt von Clairvaux

einer der bedeutendsten Mönche des

Zisterzienserordens

Hoher Chor Klosterkirche Amelungsborn

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die weiß-roten Rauten im geschachteten Schrägbalken des Wappens der Zisterzienser wurden aus dem gräflichen Familienwappen des Hl. Bernhards übernommen, der 1113 in das burgundische Kloster Cîteaux eingetreten war, dem 1098 gegründeten Mutterkloster aller Zisterzienser*innen - ein späteres mittelalterliches Konzernzentrum.[3][7]

 

Wappen der Zisterzienser

geschachteter Schrägbalken

gekreuzt mit einem Abtstab

Rollwerk-Kartusche

Taufstein 1592

Klosterkirche Amelungsborn

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

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[1] OEHLEN 2017.

[2] Gerald von Wales, engl. Chronist und Kleriker (1147–1223), Itinerarium Kambriae - Ausstellung "Die Zisterzienser - Das Europa der Klöster" im Museum des Landschaftsverbands Rheinland in Bonn 29.06.2017 - 28.01.2018.

[3] Museum des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in Bonn: Juni 2017 - Januar 2018. Bereits 1980 war von der LVR die Zisterzienser-Ausstellung mit dem Titel "Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit" in Aachen eingerichtet gewesen.

[4] GÖHMANN 1982, S. 103-104.

[5] HEUTGER 1968, S. 37.

[6] BLAICH/LUDWIG 2021, S. 3-7.

[7] KIECKBUSCH 2009, S. 11.

[8] Rückseite Faltblatt der Hg. Ev.-luth. Kirchengemeinde Riddagshausen / Ev. Luth. Kirchengemeinde Walkenried o.J.

[9] GÖHMANN 1996, S. 59.

[10] Beispielsweise weist eine moderne französische Touristenkarte 110 Zisterzienserabteien aus („Abbayes Cisterciennes En France“).

[11] MODERHACK 1979, S. 116.

[12] EGGELING 1936, S. 295.

[13] NORDRHEIN-WESTFALEN 1966a, S. 228-229.