Hellentaler "Glastropfen-Schatz" des Mittelalters

Klaus A.E. Weber

 

Mittelalterliche Glastropfen - häufiger hüttenspezifischer Fundtyp

Auf zahlreichen, insbesondere den frühen ins 12. bis 14. Jahrhundert zu datierenden Waldglashütten einschließlich der Haupthütten stellen Glastropfen nicht allein bei Oberflächensondierungen, sondern selbst bei Ausgrabungen oft die alleinigen oder doch fast die einzigen nicht völlig korrodierten und damit nach konventioneller Auffassung für Analysen geeigneten Gläser dar.“[9]

 

Mittelalterliche Waldglashütten im Hellental

Vielzahl tropfenförmig, oval

oder unregelmäßig ausgebildeter Glastropfen

mit unterschiedlicher,

aber grün dominierender Färbung

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Mittelalterliche Waldglashütte

"Bremer Wiese"

spätes 12. Jahrhundert

Glastropfen

archäologische Zeugnisse der Glashütte

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Glastropfen mit unterschiedlicher Farbschattierung

Repräsentative Reste des erzeugten Rohglases[2]

Bei vielfachen Oberflächenbegehungen oder Mikroschürfungen an Standorten mittelalterlicher Waldglashütten im Umfeld des Hellentals waren an einigen Standorten als typische gläserne Begleitprodukte bei langen Betriebszeiten und Hochtemperaturvorgängen entstandene, nicht oder nicht völlig korrodierte

  • tropfenförmig, oval oder unregelmäßig ausgebildete Glastropfen [9]

  • Glaskügelchen

  • Glasfäden

in unterschiedlicher Anzahl, Gestaltung, Größe und mit unterschiedlicher Färbung anzutreffen:

  • hell- bis dunkelgrün gefärbtes Glas

  • hell- bis dunkelblau gefärbtes Glas

  • opakes rotbraunes Glas.

Tropfen aus klarem, farblosem Glas waren hingegen nicht vertreten.

Einzelne Glastropfen weisen makroskopisch Lochkorrosionen auf.

Die teils sehr gut erhaltenen gläsernen Einzelobjekte sollen aus Kalium-reichem Glas (Holzascheglas) bestehen [1] - mit vermutlich zugesetztem Blei.

Am Standort der mittelalterlichen Waldglashütte „Bremer Wiese“ konnten bislang über 410 überwiegend gut erhaltene tropfenförmige, ovale oder unregelmäßig ausgebildete Glastropfen, Glasfäden und Glaskügelchen in unterschiedlicher Anzahl, Gestaltung, Größe und mit unterschiedlicher Färbung erfasst werden - als alleinige, nicht völlig korrodierte mittelalterlichen Glasfunde.

 

Probenentnahme zur Überprüfung des Glasgemenges?

Keine verlässlichen Relikte der Glasherstellung [10]

Bei den vorgefundenen Glastropfen handelt es sich nicht um eine bei hohen Betriebstemperaturen fertig aufgeschmolzene Glasmasse und somit nicht um Produktionsabfälle von fertigen Gläser, also möglicherweise nicht um Glasmasse für Endprodukte, sondern um aus dem Glasansatz eines Vorproduktes gezogene Proben“.[8]

Nach STEPHAN ist „von Probenentnahmen zur Überprüfung des Gemenges in zu hoch erhitzten Ofenbereichen auszugehen, welche in die Glasphase übergingen, oder um an besonders heißen Stellen zufällig ausgeschmolzenes abgetropftes Glasgemenge“.

 

Qualitative Untersuchung der hochmittelalterlichen Glastropfen

Eine Probe (P1) von drei unterschiedlich farbigen Glastropfen (1 rotbraun / 1 grün / 1 bläulich) aus dem Herstellungsprozess der mittelalterlichen Waldglashütte „Bremer Wiese“ konnten mit der zerstörungsfreien Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA-Handgerät) an der Technischen Universität Clausthal qualitativ untersucht werden.[4]

Alle drei hochmittelalterlichen Glastropfen waren hinsichtlich ihrer glasbildenden Hauptelemente Calcium-reich (Ca) und Kalium-arm (K) - im Verhältnis etwa 4-5:1.[5]

Die RFA-Ergebnisse weisen auf die Veraschung von Buchenstämmen mit Ästen und Zweigen bei der Herstellung des hochmittelalterlichen Glastyps Holzasche-Glas hin.

Bei BERGMANN [6] fand sich ein vergleichbar hohes CaO/K2O-Verhältnis von 4,19 bei der Analyse eines romanischen Glasscheibenfragmentes (hellgrünes Holzasche-Glas), welches bei Grabungen in der Krypta (um 1100) des Paderborner Doms (Fragment Pad 19) geborgen werden konnte.

Nach WEDEPOHL [7] wies frühmittelalterliches Holzasche-Glas ein höheres CaO/K2O-Verhältnis auf „als das spätere hochmittelalterliche, weil offenbar früh das Holz von Bäumen mit viel Zweigen verbrannt worden ist“.

Entgegen des anhand von Fundmaterial vermuteten Zusatzes von Blei bei der Glaserzeugung jn der Waldglashütte „Bremer Wiese“, konnte hier der Nachweis von Blei (Pb) nicht geführt werden.

Bei den Metallen, die für die Farbgebung eine Rolle spielen, ließen sich keine signifikanten Mengen nachweisen (alle < 1%).

Im rotbraunen und grünen Glastropfen waren vorherrschend Eisen (rund 1% Fe) und weit weniger Mangan (Mn) nachzuweisen.

Es ist zu vermuten, dass die Farbe mit den Wertigkeitsstufen zusammenhängt.

Der bläuliche Glastropfen enthielt etwas Zink (Zn) mit 1000-2000 ppm, Eisen (Fe) mit ca. 6000 ppm (vermutlich himmelblau färbendes zweiwertiges Eisen) und Mangan (Mn) mit ca. 1500 ppm, aber keine signifikanten Kobaltmengen (Co) mit < 200 ppm (Bereich der Nachweisgrenze).

Kupfer (Cu) war ebenfalls nicht nachweisbar.

 

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[1] Vorläufige Expertise von Dr. Detlef Wilke, Wennigsen, persönliche Mitteilung vom 17. Juli 2019.

[2] DBU 2018, S. 57.

[4] Qualitative RFA-Analyse vom 01. August 2023 durch den Diplom-Mineralogen Dr. Wilfried Ließmann, Institut für Endlagerforschung/FG Lagerstätten und Rohstoffe der Technischen Universität Clausthal. Zuvor Unterredungen am 22. November 2022 und 21. Juni 2023 mit Hinweis auf das norwegische Blaufarbenwerk Modum und die hessischen Blaufarbenwerke Carlshafen.

[5] Verhältnis von Calciumoxid (CaO) zu Kaliumoxid (K2O).

[6] BERGMANN 2008, S. 126, 130-131, Tab. 11, Zeile 7.

[7] WEDEPOHL 2012. S. 125.

[8] DBU 2018, S. 57-58, 115.

[9] DBU 2018, S. 116.

[10] STEPHAN 2022b, S. 62.