Mecklenburgische Glasmacher gründen die Glashütte
Klaus A.E. Weber
Zierscheibe
Wappen der Herzöge
von Mecklenburg-Werle
schwarzer gekrönter Stier-/Ochsenkopf
mit roter Zunge auf gelbem Feld
Klosterkirche Amelunsborn
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Abwanderung aus dem ländliche Glasmacherzentrum Mecklenburg
Glas in Mecklenburg herzustellen, reicht mindestens in das 13. Jahrhundert zurück.[5]
Nach Norddeutschland wanderten spätestens zu Beginn des 17. Jahrhunderts vornehmlich alte hessische Glasmacher aus und gründeten eine Reihe von Glashütten, wie die in Holstein und Mecklenburg geläufigen Familiennamen Seitz, Kauffeldt, Gundlach, Kunkel oder Lippert zeigen.[6]
So waren neben anderen Glasmacherfamilien um 1615 hessische Glasmacherfamilien namens Gundelach nach Mecklenburg ausgewandert; 1615 ist Daniel Gundlach dortiger Besitzer einer Glashütte, nahe an der Grenze zu Schleswig-Holstein.[6][19]
In der Folgezeit traten "besonders die Gundelachs" wiederholt als Hüttengründer auf und kamen dort zu "großem Wohlstand und Landbesitz", auch seien sie geadelt worden.[19]
Nach WENDT [7] erlebte zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Konjunktur der Glashütten in Mecklenburg einen Höhepunkt als die Hütten „wie die Pilze aus der Erde schossen“.
Wie WENDT weiter ausführt, entstanden durch die „Melioration“ feudaler ritterschaftlicher Gutsherren im Zeitraum 1701-1750 insgesamt 82 Glashütten, „d. h. 51,6 % der gesamten vom 17. bis zum 19. Jahrhundert in Mecklenburg vorhandenen Glashütten“.
Bereits um etwa 1740-1750 war dann bei schwindender Konjunktur die Blütezeit mecklenburgischer Glashütten vor allem aus holzwirtschaftlichen Gründen vorüber.
Es ist also davon auszugehen, dass vor diesem politischen und (holz-)wirtschaftlichen Hintergrund mit zunehemden Konkurrenzdruck die Gründerfamilien der Glashütte Steinbeke im Hellental in freier Stellung das Glasmacherzentrum Mecklenburg [17] verlassen haben und um etwa 1715 als Rückwanderer (wieder) in den ihnen nicht unbekannten "ausländischen" Solling gelangten.
Nicht völlig auszuschließen ist auch eine gezielte Abwerbung (durch wen auch immer).
Aus der Einwanderung der mecklenburgischen Glasmacher im Hellental zu Beginn des 18. Jahrhunderts sollte sich bald eine engere familiäre Verbindung zum nahe gelegenen Kloster Amelungsborn ergeben.
Anno 1717
Erste urkundlich fassbare Erwähnung
der Glasmacher und des Standortes "uff der Steinbeker Glashütten"
Als bislang erste urkundliche Erwähnung der Glasmacher "uff der Steinbeker Glashütten" und damit erstmals die Glashütte im Hellental als solche dokumentierend ist dem folgenden Originaltext des Taufeintrages im Kirchenbuch Heinade vom 06. Juni 1717 zu entnehmen:[15]
Anno 1717 den 6 t. jun. zu Heenade Hanß Henrich Hessen Söhnlein getaufft und ist dasselbe Hieronymus Christian genanndt worden, die Gevattern waren Christian Wentzel, Hieronymus Kauffel und Ilsabet Matha Kamelion, alle auß dem Mecklinburgischem.
Demnach stammten die im Heinader Kirchenbuch genannten Taufzeugen Christian Wentzel, Hieronymus Kauffel (Kaufhold) und Martha Kamelion alle aus dem Mecklenburgischen.
Heiratseintrag vom 21. Juli 1717
Nachweislich des Kirchenbuches Heinade verheiratete sich am 21. Juli 1717 in Heinade Christian Wentzel von der „Steinbecker Hütte bei Hellenthal" mit Ilse Martha Kamelin.
Er war der Sohn des mecklenburgischen Johann Jobst Wentzel, der als berufserfahrener Glasmachermeister dem jüngeren Jobst Heinrich Gundelach bei dessen Hüttengründung im Hellental zur Seite gestanden haben soll, möglichweise als Vizemeister.[22]
Auch nach diesem Hochzeitsdatum ist davon auszugehen, dass die Gründung der Glashütte deutlich vor 1717 datiert werden kann, wahrscheinlich bereits in das Jahr 1715.
Taufeintrag vom 02. Januar 1718
Der nächste Taufeintrag auf der „Glashütte bei Merxhausen“ erfolgte am 02. Januar 1718:
- Anno 1718, den 2 ten jan. auf der Glasehütte bei Merxhausen Christian Wentzels Töchterlein getauft und ist daselbe Anna Maria genannt worden, die Gevattern [Anm.: Paten] waren Hieronymus Kauffel [Anm.: Kaufhold], Burchard Zitz [Anm.: Seitz] uxor und Baltasar Wentzels Filia alle aus dem Mecklenburgischen.
Dem Kirchenbuch Deensen ist zu entnehmen, dass "Mons. Behm" einer der Paten bei der Taufe von Henrich Julius Wentzel am 22. März 1720 in der Steinbecker Glashütte, Sohn von Christian Wentzel und Ilse Martha Garmelin, war.
Heiratseintrag vom 07. Februar 1719
Jobst Henrich Gundelach selbst wurde erstmals urkundlich belegt am 07. Februar 1719 anlässlich seiner Eheschließung in Holzminden genannt.[16][18]
Heiratseintrag vom 23. September 1719
Der Glasermeister Henrich Gundelach heiratete am 23. September 1719 in Heinade Anna Wentzel, eine Tochter des Glasmachermeisters Johann Jobst Wentzel, der die Glashütte Steinbeke mit begründet haben soll.
Ohnehin war die bereits im fernen Mecklenburg Glashütten betreibende Familie Gundelach eng mit der Glasmacherfamilie Wentzel verbunden gewesen.
Die alte Glasmacherfamilie Wentzel spielte für die Glasgeschichte verschiedener Regionen eine hervorgehobene Rolle, so beispielsweise auch im Taunus.
Heiratseintrag vom 21. August 1720
Ebenfalls genealogisch nachvollziehbar, kam es während der Glashüttenzeit vielfach zu (wahrscheinlich nur standesgemäßen) Eheschließungen und Familiengründungen, wobei auf der Glashütte Steinbeke eine Reihe von Kindern geboren wurde.[21]
So heiratete beispielsweise Baltasar Wentzel am 21. August 1720 auf der Steinbecker Glashütte Catharine Ilse Krumsiek und Christian Wentzel am 21. Juli 1717 in Heinade Ilse Martha Garmelin.
Heiratseintrag vom 19. Oktober 1723
Christian Gundelach heiratete am 19. Oktober 1723 in Heinade Anna Sophia Amalie Seitz, eine Tochter des Glasmachers Buchard Seitz aus der Gründungsphase.
Taufeintrag vom 29. August 1724
Nach BECKER [1] sei im Kirchenbuch der Gemeinde Deensen erstmals 1724 der „Glasermeister Jobst Henrich Gundelach zu Hellental“ erwähnt worden.
Diese Aussage ist nach heutigem genealogischem Forschungsstand nicht mehr als zutreffend anzusehen, da sich der folgende Eintrag im Kirchenbuch von Deensen auf Jobst Christoff Gundelach, einen Bruder von Jobst Heinrich Gundelach bezieht:
- Anno 1724 den 29 ten augusti auf der Steinbecker Glasehütten Herr Jobs Christoff Gundelachs Töchterlein getauft und ist dasselbe Johanna Sophia Christina genannt worden, die Gevattern waren des Fürstlich-Braunschweigisch-Lüneburgischen Herrn Abt Brehms uxor und des Fürstlich-Braunschweigisch-Lüneburgischen Haus Hofmeisters des Stifts Gandersheims Herrn Wetbergs uxor.
Taufeintrag vom 24. August 1727
Soweit überliefert, gingen aus der Ehe von Jobst Heinrich Gundelach und Elisabeth Juliane Sophia Behm mindestens 11 Kinder hervor, die alle in der „Steinbecker Hütte“ zwischen 1723-1739 geboren und getauft wurden.
Als Paten für seine Kinder wählte der Hüttenbesitzer Gundelach stets Personen von hohem Rang.
Dies belegt beispielsweise ein Eintrag im Kirchenbuch Deensen:
- Ao 1727 den 24 t aug: ist des Herrn Glasemeisters Jobst Heinrich Gundelach zu Hellenthal Tochter geboren, welche d 27: ejustem d: getauft und Sophia Louise Christiana genannt ist. Taufzeugin war des Herrn Abt Behm Ehefrau Gemahlin.
Migration und Mobilität
BLOSS folgerte 1950 hieraus, dass diese Glasmacherfamilien hauptsächlich als Nachfahren von Einwandernden (Immigranten) aus den alten Glasmacherländern Hessen und Thüringen entstammten.
Danach lassen sich hierbei drei Gruppen unter den "Steinbecker Hüttenleuten" unterscheiden:[14]
- zum einen die aus Mecklenburg kommenden Gründer der Glashütte Steinbeke im Hellental – meist althessische Glasmachernamen
- die Glasmacher, deren Nachnamen auf alte Waldglashütten im Solling hinweisen: Wiegel, Bartels, Schlieker, Stender, Runge, Krumsiek, Rühländer, Henne, Hirschberger
- zum anderen einheimische Namensträger Mahlmann, Hainebuth, Jürgen, Hentze, Appel, Tacke, Ilse, Düfel, Büngener die hauptsächlich aus Merxhausen, Heinade und Deensen stammen sollen, eingesetzt als Fuhrknechte, Schürer oder bei anderen, untergeordneten Tätigkeiten auf der prosperierenden Glashütte.
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[1] BECKER 1927.
[5] WENDT 1977, S. 6.
[6] WENDT 1977, S. 8-9.
[7] WENDT 1977, S. 10.
[14] BLOSS 1950, S. 11.
[15] Kirchenbuch Heinade 1680-1722, S. 185; Auszug von Wolfgang Nägeler (Stadtoldendorf); s. auch BLOSS 1977, S. 115.
[16] Kirchenbuch Holzminden Band L 2, Seite 7 / Holzmindener Kirchenbücher Bd. III – Trauungen 1712–1750, N 866, Seite 7 rechts, 1719 No. 6.
[17] OEYNHAUSEN 1905, S. 267-312.
[18] NÄGELER/WEBER 2005; BLOSS 1977, S. 115.
[19] BLOSS 1950a, S. 10.
[21] NÄGELER/WEBER 2004.
[22] NÄGELER/WEBER 2004.