Faschismus │ Nationalsozialistische Gewaltherrschaft

Klaus A.E. Weber

 

... vor der eigenen Haustür

Aufstieg der Nationalsozialisten mit völkisch-nationaler Ideologie

Nach 1933 begann die totalitäre Durchdringung von Staat und Gesellschaft sowie die Verfolgungen und Morde an Juden, politischen Gegnern und vielen weiteren Opfergruppen.

Hierbei wurde der Nationalsozialismus von einer breiten Zustimmungskultur in Deutschland getragen, die letztendlich auch in die hier betrachtete Dorf:Region hinein wirkte.

Die verfügbaren Dokumente und Daten belegen die sukzessive Zerstörung der Weimarer Republik durch die vernichtende Diktatur des antisemitischen/antijüdischen, antidemokratischen und antirepublikanischen Nationalsozialismus und seiner Kräfte auf kommunaler Ebene.

Die Vernichtungsstrategie galt auch gegenüber dem "Marxismus" - den Kommunisten (KPD) und den Sozialdemokraten (SPD).

 

Ausdruck nationalsozialistischer

Gewaltherrschaft in Stadtoldendorf

© Historisches Museum Hellental

 

Nationalsozialistische Gewaltherrschaft

Hellental [1]

© Historisches Museum Hellental

 

Propaganda-Versammlung

Hellentaler Mühlenteich

"Braunhemden" der SA und Nazigrößen

um 1932

© Historisches Museum Hellental

 

Wie die unten stehende Tabelle zeigt, war Merxhausen ab 1930 mit 45,5 % zu einer kleinen ländlichen Hochburg der Nationalsozialisten geworden; bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 und im März 1933 stieg der Stimmenanteil der NSDAP auf 70,5 % bzw. 88,9 %.[13]

Am 03. April 1932 marschierten von Merxhausen aus "unter dem Vorantritt der SA-Kapelle Sievershausen (...) 160 SA- und SS-Leute sowie Angehörige der Hitlerjugend neben ebenso vielen Mitgliedern und Anhängern der Partei nach den Ortschaften Heinade und Hellental" - möglicherweise "unter dem Vorantritt der Hakenkreuzfahne bei dem Gesange nationalsozialistischer Kampflieder" oder "mit den üblichen Kampfliedern".[6]

In diesem Kontext ist zu erwähnen, dass am 03. April 1932 in Merxhausen ein "Deutscher Abend" als Propagandaaktion veranstaltet worden war; Ortsgruppenführer war in Merxhausen Karl Dörries jun.[7]

Am 18. März 1933 führten im Zeichen des nationalsozialistischen Terrors drei Landjäger und 15 SA- und SS-Leute abends gegen 18 Uhr Hausdurchsuchungen bei SPD-Funktionären und SPD-Mitgliedern in Hellental durch - bei eher bescheidener Ausbeute:

  • sozialdemokratische Schriften und Parteibüchern, eine schwarz-rot-goldene Fahne, einige Wimpel, zwei Trommeln, drei Flöten, ein Militärgewehr.[14]

Zwei Tage zuvor hatten in Heinade am 16. März Polizisten und Hilfspolizisten die Wohnungen von bekannten SPD-Mitgliedern durchsucht, wobei sie allerdings nur wenige Broschüren gefunden haben sollen.[15]

Als Ausdruck des dörflichen "Endes roter Milieuvereine" kann beispielhaft angesehen werden, dass Sportgerätschaften und Vereinsvermögen von Arbeiterturnern aus Heinade vom Gemeindevorsteher "sichergestellt" wurden.[16]

 

Nationalsozialistische Gewaltherrschaft

vor "unserer Haustür"

Heinade

Der Ortsgruppenführer Deppe

aus Braak war gefürchtet.

© HGV-HHM

 

Wahlergebnisse von Merxhausen und Hellental bei den Reichs- und Landtagswahlen 1924-1933

Übersicht und Zusammenstellung nach Angaben von BÖKE [4]

Wahlakt: Reichstagswahl: RTW │ Landtagswahl (Land Freistaat Braunschweig): LTW

Die Daten belegen die sukzessive Zerstörung der Weimarer Republik durch antidemokratische und antirepublikanische Kräfte.

 

Merxhausen

 

RTW

1924

04.05.

RTW

1924

07.12.

LTW

1924

07.12.

LTW

1927

27.11.

RTW

1928

20.05.

RTW

1930

14.09.

LTW

1930

14.09.

RTW

1932

31.07.

RTW

1932

06.11.

RTW

1933

05.03.

SPD/

USPD

gesamt

40,2

38,2

25,6

39,4

43,9

40,7

43,1

18,6

25,0

10,2

SPD/

USPD/

KPD

gesamt

45,9

39,2

25,7

40,4

44,9

43,0

43,1

22,0

27,7

11,6

NSDAP

1,9

1,9

1,1

2,8

2,7

45,5

32,1

75,9

70,5

88,9

 

Hellental

 

RTW

1924

04.05.

RTW

1924

07.12.

LTW

1924

07.12.

LTW

1927

27.11.

RTW

1928

20.05.

RTW

1930

14.09.

LTW

1930

14.09.

RTW

1932

31.07.

RTW

1932

06.11.

RTW

1933

05.03.

SPD/

USPD

gesamt

76,1 %

77,0 %

79,7 %

88,2 %

76,2 %

68,2 %

68,1 %

21,7 %

48,6 %

42,7 %

SPD/

USPD/

KPD

gesamt

80,2 %

77,4 %

81,0 %

88,2 %

80,3 %

78,5 %

77,8 %

49,8 %

53,8 %

42,2 %

NSDAP

1,6 %

0,0 %

0.0 %

0,0 %

0,8 %

21,7 %

10,6 %

49,0 %

45,3 %

53,9 %

 

__________________________________________________________

[1] Die Fotografie wurde von Rolf Sievers (Eitorf/Mühleip) dem HISTORISCHEN MUSEUM HELLENTAL überlassenen Fotoglasplatten übernommen (Scan); Aufnahme auf Eisenberger Ultra Rapid Platten │ Eisenberger Trockenplattenfabrik │ Otto Kirschten – Eisenberg i. Thür. │ SOLLINGHAUS Weber.

[4] BÖKE 2005, S. 45-72. Die von BÖKE [2005, S. 66-67] veröffentlichte tabellarische Darstellung der gemeindlichen Wahlergebnisse bezieht sich allerdings ausschließlich auf die im Täglichen Anzeiger Holzminden (TAH) wiedergegebenen Wahlergebnisse: Landtagswahl 1924 und 1927, Reichstagswahl 1924, Reichspräsidentenwahl 1925.

[6] SEELIGER 2008a, S. 17.

[7] SEELIGER 2008a, S. 24-25.

[13] REICHARDT/SCHÄFER 2016, S. 87, 240.

[14] REICHARDT/SCHÄFER 2016, S. 253.

[15] REICHARDT/SCHÄFER 2016, S. 252.

[16] REICHARDT/SCHÄFER 2016, S. 305.