Das Hellental - Ein Raum historischer Glasherstellung
Klaus A.E. Weber
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Waldglasherstellung im Umfeld des Hellentals
Handwerk, Kunst und Erbe im Solling
"Waldglas" benennt die glasgeschichtliche Epoche vom 12. Jahrhundert bis 17. Jahrhundert.
Aus Glas gefertigte Trink-, Schenk- und Vorratsgefäße waren im Mittelalter kostbare Gegenstände des gehobenen Bedarfs - als Luxusartikel nur vermögenden Haushalten vorbehalten.
Die faszinierende, edle und freie „heiße Kunst” der manuellen Herstellung von Waldglas gab es in jener Epoche als ländlichen Gewerbezweig auch in der wald- und wasserreichen Umgebung des abgelegenen Hellentals im nördlichen Solling.
Das „Alte Tal der Glasmacher“ [7] lag einst im herzoglichen Weserdistrikt des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel.
Im Mittelalter folgten dem „Hellentaler Graben“ Territorialgrenzen zwischen dem Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, Hochstift Hildesheim und Fürstentum Calenberg, später Kurfürstentum/Königreich Hannover.
... gelegen im "europäischen Kernraum der historischen Glaserzeugung"
Während des frühen bis späten Mittelalters zählte das Weser-Leine-Bergland mit angrenzenden Gebieten zu den bedeutendsten Glaserzeugungs- und Glasverbreitungsgebieten im deutschen Raum und zu den wichtigsten europäischen Glaserzeugungsgebieten im Mittelalter, fortgesetzt bis zum 19./20. Jahrhundert.
Das Oberweser-Werra-Bergland gilt nach STEPHAN [4][8] als "ein Kerraum der historischen Glaserzeugung Europas im Mittelalter bei hoher Anzahl im Gelände lokalisierter mittelalterlicher Hüttenplätzen, besonders aus dem 12./13. Jahrhundert, auch aus dem 14./15. Jahrhundert".
In den Wäldern des Bramwaldes, Reinhardswaldes und des Sollings konnten bislang insgesamt rund 200 mittelalterliche und neuzeitliche Waldglashütten lokalisiert werden.[6]
Auch der Kaufunger Wald zählt mit seiner Gläsnerei - Glashütte II im oberen Niestetal⎹ Glashütte I im oberen Niestetal⎹ Große Niestehütte - zu den wichtigsten deutschen Gebieten der Waldglasherstellung.
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Burgen - Klöster - Städte
Der europaweite Kultur- und Wissenstransfer kennzeichnen das 12./13. Jahrhundert.
Kulturtechnik der Glasherstellung in mittelalterlichen Klosterglashütten lässt sich im Umfeld des Hellentals um 1170 bis 1300 belegen.
Bei einem Rundgang begegnet man den Wurzeln der faszinierenden „heißen Kunst” der manuellen Glasherstellung in dem abgelegenen Grenzraum des Hellentals im ehemaligen Weserdistrikt des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel die Stadt- und Klostergründungen zu einem erhöhten Bedarf an verschiedenen Glaswaren führten.
Eine Zeitreise durch das Bodenarchiv des glashistorischen Erbes im "Alten Tal der Glasmacher" führt zu wandernden Glasprofis im Umfeld des lang gestreckten Sollingtals.
Glasarchäologische Zeugnisse ehemaliger Glashüttenstandorte belegen eindrucksvoll die holzwirtschaftliche Nebennutzung des Sollingwaldes zur saisonalen Waldglasherstellung - vom Mittelalter bis zur Neuzeit.
In drei Phasen - im Hoch- bis Spätmittelalter, im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts - wurde in dem für die Glasherstellung besonders ressourcenreichen Hellental diskontinuierlich handwerklich kunstvolle "Feuerspiel" durch den historisch typischen Wanderberuf des Glasmachers ausgeübt.
"Vitrinenstars" in der Ausstellung
© [hmh, Foto: Mechthild Ziemer
Waldglas als archäologisches Kulturgut
Betrachtet man die bislang relativ wenigen Befunde und Funde im Umfeld des Hellentals, so lässt sich feststellen, dass die temporäre Waldglasherstellung mit Häufungen im späten 12.-13. Jahrhundert und in der Zeit vom ersten Drittel des 17. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dreiphasig erfolgte.
Historisch dreiphasige Glashüttenaktivität
© [hmh, Grafik: Klaus A.E. Weber
Bei der Betrachtung der historisch dreiphasigen Glashüttenaktivität im Umfeld des Hellentals im Nordsolling fällt eine zeitliche Lücke in der Waldglasherstellungauf, die wahrscheinlich infolge der Umbruchszeit mit ökonomischen und demografischen Krisen im 14. Jahrhundert und beginnender ökologischer Veränderungen im 15. Jahrhundert entstand.
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klimatische Extremereignisse
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Agrarkrisen
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Kriege
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Seuchen
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Krise der Kirche
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Konfrontation von Kulturen und Religionen
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neues Zeitverständnis
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Wüstungsvorgänge
Wandernde Glasprofis im Hellental
Archäologische Relikte alter Glashüttenstandorte zeigen als Sachkulturgut, dass einst das wirtschaftlich unattraktiv abgelegene, aber wasser- und waldreiche Hellental ein bedeutender Glaserzeugungskreis im Solling war.
Obwohl das Auffinden mittelalterlicher Produktionsstätten im Gelände schwierig ist, konnte für das Hellental belegt werden, dass dort bereits seit dem Hoch-/Spätmittelalter das Glasmacherhandwerk betrieben wurde.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden größere Hüttenanlagen gegründet, die mit verfeinerter Technik an mehreren Werköfen Hohl- und Fensterglas fertigten.
Es waren dorfähnliche Siedlungen auf Zeit mit schlichten, aus Holz gebauten Wohn- und Wirtschaftsgebäuden mitten in der Forst.
Während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde im Hellental letztmals Glas hergestellt und zugleich das Ende der traditionellen Waldglashüttenzeit im Solling eingeläutet.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war von zugewanderten Glasmachern eine privatwirtschaftlich über zwei Jahrzehnte betriebene Glashütte gegründet worden - ein Glasunternehmen des betriebswirtschaftlichen Übergangs.
Der Hüttenbetrieb wurde zu jener Zeit eingestellt, als um 1744 andernorts im Solling und Hils erste dauerhafte Glasmanufakturen als merkantilistische Staatsbetriebe unter landesherrlichem Kapitaleinsatz des Braunschweiger Hofes unter Herzog Carl I. (1713-1780) errichtet wurden.
So ist die Geschichte des Sollingdorfes Hellental eng mit der faszinierenden Geschichte des Glasmacherhandwerks im Weser-Leine-Bergland verbunden.
Die Glasherstellung in dem Sollingtal begann im 12./13. Jahrhundert und endete in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Handwerklich kunstvolles Spiel mit Feuer und Sand
Das Spezialgewerbe der Herstellung von Hohl- und Flachgläsern stellte einst einen aufwändigen und komplizierten Arbeitsprozess dar, der von den Glasmachern ein hohes Maß an Fachwissen erforderte und eine Reihe manueller Arbeitsschritte umfasste:
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Gewinnen der Rohstoffe
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Vorbereiten des Glasgemenges
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Schmelzen des Glasgemenges
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Verarbeiten der flüssigen Glasmasse mit Formgebung im Mundblasverfahren
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Entspannungskühlung
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Oberflächenveredelung
- Transport der Glaswaren.
Hierbei waren aus Ton gefertigte Glasschmelzgefäße hoher technischer Qualität unentbehrlich.
Ideale Lage für das Glasmacherhandwerk im Solling
Schon im Mittelalter waren für zugewanderte Glasmacher in dem wasser- und waldreichen Hellentaler Landschaftsraum die entscheidenden Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Glashüttenbetrieb gegeben:
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ausreichendes Vorkommen von Buchenholz als Energielieferant für den Glasschmelzprozess und zur Aschegewinnung
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ökonomisch günstiger Zugang zu anderen Rohstoffen, wie insbesondere zu silikatreichem Sand als wichtigstem glasbildenden Rohstoff
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befeuerungs- und schmelztechnisch günstige Witterungs-/Windverhältnisse
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unmittelbare Nähe zu Fließgewässern
- ortsnahe Anbindung an Land- und Wasserfernhandelswege
Ende und Neubeginn
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Mittelalterliche Glasprofis wanderten im Hellental dem Holze nach.
Dabei hinterließen sie auf mehreren Glashüttenplätzen im Umfeld des Sollingtals archäologische Spuren ihrer kunstfertigen Tätigkeit.
Sie belegen, dass bereits im 12./13. Jahrhundert in dem ressourcenreichen Hellental Glashütten betrieben wurden.
Da die Hüttenbetriebe abseits von Siedlungen im Wald lagen, tragen sie die Bezeichnung „Waldglashütten“.
Die Waldglashütten waren kleinere Anlagen auf Zeit, in denen saisonal Glas aus gereinigtem Sand und Holzasche gefertigt wurde.
War der Holzvorrat im Umfeld der Glashütte aufgebraucht, zogen die Glasmacher weiter zum nächsten Standort, wo der Rohstoff Holz in ausreichender Menge vorhanden war.
Deshalb wird auch von „Wanderglashütten“ gesprochen.
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Vornehmlich im 17. Jahrhundert entfaltete sich die Blütezeit des Glashüttenwesens im Weser-Leine-Bergland.
In diesem glashistorischen Kontext sind im Hellental zwei Glashüttenstandorte des frühen 17. Jahrhunderts zu sehen.
Es handelt es sich um zeitlich befristete Glasmachersiedlungen mit Produktionsanlagen (Ofenensemble) und anzunehmenden Warenlagern, Wohn- und Wirtschaftsgebäuden.
Der Hüttenbetrieb war auf ein komplex strukturiertes, arbeitsteiliges und präzises Zusammenwirken aller Produktionsbeteiligten angewiesen.
Der Arbeitsalltag war auf den Waldglashütten anstrengend und gefährlich.
Archäologisches Fundmaterial belegt zudem, dass weitläufige Handelsbeziehungen bestanden, die weit über die Sollingregion hinaus reichten.
Ein differenziertes, regionaltypisches Formenspektrum spätrenaissancezeitlicher Hohl- und Flachgläser ist für eine der beiden Waldglashütten rekonstruierbar.
Bislang konnten im Verlauf des Sollingtals keine angelegten Begräbnisstellen für Hellentaler Glasmacher und ihre Familien nachgewiesen werden.
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Während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde im Hellental letztmals Glas hergestellt und zugleich das Ende der traditionellen Waldglashüttenzeit im Solling eingeläutet.
Die Hellentaler Glashütte Steinbeke ist insofern von regionaler glashistorischer Bedeutung als sie den produktionstechnischen Übergang von der mittelalterlich geprägten Waldglashüttenzeit zur vorindustriellen Produktionsweise in Manufakturen mit dauerhafter Glashüttenansiedlung markiert.
Von dem "Glaßmeister" Jobst Henrich Gundelach (1676–1740) war um 1715/1717 mit anderen "aus dem Mecklenburgischen" zugewanderten Glasmacherfamilien die Glashütte in der staatlichen „Merxhäuser-Forst“ angelegt worden.
Der Hüttenbetrieb wurde zu jener Zeit eingestellt als 1744 durch Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713-1780) andernorts im Solling und Hils ortsfeste Glasmanufakturen errichtet worden waren.
Dabei handelte es sich um merkantilistische Staatsbetriebe mit landesherrlichem Kapitaleinsatz und zentraler Verwaltung durch den Braunschweiger Hof.
Von der "Hellenthaler Glaß Hütte" zur Anlage der "Dorfschaft Hellenthal"
Der Braunschweiger Staat erwarb brauchbare Teile der Hüttenanlage und verbrachte sie an den nahen Schorbornsteich im Solling.
Dort ließ 1744 Herzog Carl I. eine fürstlich-braunschweigische Glasmanufaktur als erste langfristig ortsfeste Hohl- und Tafelglashütte im Solling errichten.
Unter Herzog Carl I. und seinem Hof-Jägermeister Johann Georg von Langen (1699-1776) wurde die zerfallende Kleinsiedlung der Glashütte zur historischen „Keimzelle“ des heutigen Bergdorfes Hellental.
Im Rahmen des fürstlichen Landesausbaus war zu Beginn der 1750er Jahre der ehemalige Werkweiler planmäßig zur "Colonie im Hellenthale" ausgebaut worden - als man im 18. Jahrhundert in den Braunschweiger Staatsforsten verstärkt Holzhauer benötigte.
Der Glasmacherort Hellental entwickelte sich in der Folgezeit zu einem bedeutenden Waldarbeiterdorf der Sollingregion.
Glas als Herrschaftsware ⎸Töpferware für Minderbetuchte
Die mittelalterliche Trinkfreudigkeit bedeutete, dass sich wohlhabende Bürgerkreise und Adelige ihre Trinkgefäße für das heimische Bier etwas kosten ließen.
In einer Gegenüberstellung zeigt eine Ausstellungseinheit, dass in der mittelalterlichen Zeit des "Aufbruchs in die Gotik" [5] aus Glas gefertigte Trink-, Schenk- und Vorrratsgefäße kostbare Gegenstände ausschließlich des gehobenen Bedarfs waren - als Luxusartikel nur vermögenden (herrschaftlichen) Haushalten vorbehalten.
Demgegenüber deckten keramische Erzeugnisse - Irdenware sowie Steinzeugprodukte - regionaler Töpfereien, wie beispielsweise gebrauchskeramische Fragmente aus dem Fundschleier der mittelalterlichen Wüstung des Töpferdorfes Bengerode (12.-15. Jh.) zwischen Fredelsloh und der Burg Grubenhagen (13. Jahrhundert, Einbeck) den alltäglichen Geschirrbedarf der zumeist ärmeren städtischen und ländlichen Haushalte.
Restaurierte Deckeldose mit Knauf-Deckel
Duinger Steinzeug
Waldglashütte im oberen Hellental
1. Drittel 17. Jahrhundert
© [hmh, Foto: Keramik Restaurierung Lüdtke
Weserware und Duinger Steinzeug der Renaissance
Zur Alltagskultur der frühneuzeitlichen Glashütte "Oberes Hellental“ zählte das in Töpfereizentren zwischen Oberweser und Leine im 16. und 17. Jahrhundert massenhaft hergestellte Gebrauchsgut.
Dekorative Weserware als Irdenware mit Malhorndekor und hochwertiges Steinzeug aus dem "Pottland" (Duingen):
∎ Deckeldose ⃒ restauriert
Duinger Steinzeug
Die scheibengedrehte, hellbraune, unbemalte Keramikdose mit Knaufdeckel besitzt auf ihrer glasierten Oberfläche eine flächen deckende Rollradverzierung an Deckel und Dose.
∎ Salbendöschen
Duinger Steinzeug
∎ Teller mit Malhornverzierung ⃒ restauriert
Die Wandung und der Gefäßboden des scheibengedrehten Tellers zeigt in polychromer Malhornverzierung auf rötlich-braunem Grund ein alternierendes, geometrisches gelbliches und dunkelbraunes Dekor.
Werraware - „Nur die teuren Stücke werden verziert …“
Zur vornehmen, repräsentativen Ausstattung der Glashütte "Oberes Hellental“ des frühen 17. Jahrhunderts zählte renaissancezeitliche Werrakeramik des „Wanfrieder Typs“.
Als Malhornware mit figürlichen Dekordetails in Ritztechnik und teils qualitätsvoll ausgestalteten Hauptmotiven auf dem Fond ist die Werrakeramik eine bedeutende, aufwändige und hochspezifische Gruppe bemalter Irdenware zwischen 1570 und 1650.
Die scheibengedrehte, innen bleiglasierte Geschirrkeramik ist eine stilistische Innovation - nur zum Ansehen für Vornehme und Reiche - mit einem ikonografischen Programm in der volkstümlichen dekorativen Handwerkskunst regionaler Töpferwerkstätten an Werra und Weser.
∎ Teller- oder Schüsselfragmente bemalter und ritzdekorierter Werrakeramik
∎ Zeittypisch zeigt ein zusammengesetztes Bodenfragment als figürliches Hauptmotiv einen renaissancezeitlich gewandeten Mann.
Wanfrieder "Tellers mit dem Falkenmotiv“
originalgetreue Nachfertigung
Werraware aus dem Jahr 1605
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Restaurierte Schale der polychromen "Weserware"
Frühneuzeitliche Glashütte im oberen Hellental
1. Drittel 17. Jahrhundert
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Pfeife, Holzform und Schere
Glasherstellung durch Wanderarbeit im Umfeld des Hellentals
Den besonderen Schwerpunkt des Themenbereichs bildet die hoch-/spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Glasherstellung und Glasbearbeitung in so genannten Waldglashütten, an deren aktiven Erforschung sich das Regionalmuseum betätigt und Forschungsergebnisse veröffentlicht.
Fundmaterialien von Oberflächenbegehungen belegen für die Glashütten-Landschaft des Hellentals mehrere wüstgefallene Glashüttenstandorte des Mittelalters, die dem Holzvorrat der Sollingforsten nachwanderten.
Von traditionellen Glasmachern als "Wanderglashütten" betrieben, waren die Hüttenanlagen abgelegene kleine Betriebssiedlungen auf Zeit.
Für die Arbeitsverhältnisse der Glasmacher war kennzeichnend, dass sie die Arbeitsöfen ihrer Waldglashütten von Ostern bis Martini betrieben.
War dann die Glasofenanlage nicht mehr wirtschaftlich nutzbar, so wurde sie im Umfeld des Hellentals an einem andern Ort neu errichtet.
Glasfunde zu den verschiedenen Produktionsperioden im Hellental informieren über eine reichhaltige Produktpalette verschiedenartiger Hohlgläser und Flachgläser dortiger Glashüttenbetriebe.
Veranschualicht werden auch die wesentlichen Rohstoffe zur anspruchsvollen manuellen Hohl- und Flachglasherstellung, ebenso die dazu erforderlichen Glasmacherwerkzeuge.
Vielfältige Oberflächenfunde im Hellental wie in seiner näheren Umgebung dokumentieren - gemeinsam mit dem Großmodell eines frühneuzeitlichen Werkofens - anschaulich das "Spiel mit dem Feuer" beim Betreiben einer Sollingglashütte.
Die keramikrestauratorische Rekonstruktion eines etwa 800 Jahre alten Glashafens gilt als archäologische Rarität früher Waldglasherstellung im Glaserzeugungskreis des nördlichen Sollings, ein fassbares Zeugnis hoch-/spätmittelalterlicher Glaserzeugung in einer Hellentaler Waldglashütte.
Dem Formenspektrum oberflächennaher gläserner Bodenfunde aus dem "Alten Tal der Glasmacher" werden komplette regionaltypische Formglasprodukte - originalgetreu nachgebildete Gläser - zur Veranschaulichung gegenübergestellt.
Zusammen mit Oberflächenfunden aus Glas, Eisen und Keramik erzählt das historisch inszenierte Großmodell eines Glasschmelzofens vom "heißen Arbeiten", aber auch von den alltäglichen Arbeits- und Lebensbedingungen auf einer Waldglashütte im Solling.
Die hohe Leistungsfähigkeit der im 1. Drittel des 17. Jahrhunderts im Hellental produzierenden Glashütte unterstreicht ein differenziertes Hohl- und Flachglasspektrum in regionaltypischer, zeitgenössischer Formensprache.
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Feuerfester Beeren-Nuppenstempel
Waldglashütte im oberen Hellental
1. Drittel 17. Jahrhundert
© Archäologische Denkmalpflege Landkreis Holzminden
Die Werrakeramik gilt als die bedeutendste und aufwändigste polychrome Irdenware in der Renaissance - mit Ritzverzierungen und teils qualitätsvoll ausgestalteten Zentralmotiven im Gefäßboden.
Die scheibengedrehte, dekorativ bemalte und innen bleiglasierte Keramik wurde in den Jahrzehnten um 1600 stromabwärts von Werra und Weser in regionalen Töpferwerkstätten hergestellt, u.a. auch in Höxter.[2]
Charakteristisch für die Werrakeramik ist, dass – neben der Schlickermalerei - Dekordetails in Ritztechnik hervorgehoben und zentrale Personen- oder Tierdarstellungen vielfältig ausgestaltet wurden, häufig auch mit innen aufgemalten Jahreszahlen.
Gefäßbodenfragmente
aufwändiger Werrawaren-Schalen
in der Bildmitte: Zentralmotiv
eines renaissancezeitlich gewandeten Mannes
Waldglashütte im oberen Hellental
1. Drittel 17. Jahrhundert
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Einfaches wie auch aufwändiges renaissancezeitliches Gebrauchsgeschirr aus bleiglasierter, teils bemalter Irdenware - "Weserware" und insbesondere lokal eher selten anzutreffende "Werraware" - weisen auf weitläufige Handelsbeziehungen, auf einen gewissen Wohlstand und auf eine längere Betriebszeit der um 1600 im oberen Hellental betriebenen Waldglashütte hin.
Wie für Waldglashütten typisch, so waren auch hier das Arbeiten und Wohnen eng miteinander verbunden.
Der Frage, wie im Hellental in der um 1715 von mecklenburgischen Arbeitsmigranten gegründeten "Söllinger Glasshütte" letztmals Glas hergestellt und unter der Regentschaft von Herzog Carl I. zugleich das Ende der traditionellen Waldglashüttenzeit im Solling eingeläutet wurde, widmets ich die Glas-Ausstellung.
Flaschensiegel aus der Zeit der "Sollinger Glashütte"
Hellental │ 1. Hälfte 18. Jahrhundert
Zeichnung: Sandra Gregor │ August 2004
Archäologische Denkmalpflege Landkreis Holzminden
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[1] nach: Museum Kunstpalast – Spot on 07, Düsseldorf 2011.
[2] KÖNIG, ANDREAS: Renaissancezeitliche Werrawarefunde aus Höxter - ein Überblick. In: GÄRTNER, TOBIAS, STEFAN HESSE, SONJA KÖNIG: Von der Weser in die Welt. Festschrift für Hans-Georg Stephan zum 65. Geburtstag. Alteuropäische Forschungen. Arbeiten aus dem Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Neue Folge 7. Langenweißbach 2015. S. 197-209.
[4] STEPHAN 2017.
[6] Umfassende Übersicht bei STEPHAN 2010, S. 133-143, 260-253, 507-527.
[7] Das "Alte Tal der Glasmacher" im Solling – Als Marketingtitel © Copyright 2014 by Dr. Klaus A.E. Weber, Hellental.
[8] TAH 2017; STEPHAN 2017.
[9] Keramik Restaurierung Lüdtke, Bad Münder am Deister.