Glasmanufakturen - ab 1744

Klaus A.E. Weber

 

Anlage gewinnbringender Manufakturen zur "Beförderung des commerce"

Merkantilismus im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel

Technische Verbesserungen wie auch die gewachsene Nachfrage nach Manufakturprodukten wurden von den braunschweigischen Herzögen fiskalwirtschaftlich (merkantilistisch) dazu genutzt, das Land Braunschweig mit staatseigenen, gewinnbringenden Manufakturen auszustatten, um letztlich auch ihr Bedürfnis nach höheren Staatseinnahmen befriedigen zu können.

So wurde um die Zeit des staatlichen Erwerbs der Glashütte Steinbeke 1744 von Herzog Carl I. u.a. auch die fürstliche Spiegelhütte "auf dem Grünen Plan" im Ackenhäuser Holz auf dem Grund einer früheren Glashütte errichtet, der ab 1748 eine planmäßige Werkssiedlung für Glasmacher folgte.[3]

Die ab 1736 nach Braunschweig („Graues Hofschloss“, erbaut 1717-1735) verlegte, ständige Residenz war mit der großen, üppig-glanzvollen Hofhaltung (Hofstaat von ca. 400 Personen) und prunkvoller barocker Hofkultur unter Carl I. und seiner preußischen Gemahlin Philippine Charlotte finanziell sehr aufwendig geworden und bedurfte daher fiskalischer Zuflüsse, bei bereits bestehender hoher Schuldenlast.

Der Staat wurde Träger wesentlicher wirtschaftlicher Unternehmen, u.a. mit dem Ziel, einerseits vom Import industrieller Produkte unabhängig zu werden und hierdurch das Geld im eigenen Staat zu binden, andererseits die eigene Exportfähigkeit zu fördern - ganz im Sinne des Merkantilismus.[1]

Wurden bestimmte landesfremde Waren besteuert oder der Import "gemäßigt" (kleinstaatliche Schutzzollpolitik) oder gar untersagt, so wurde der Absatz landeseigener Produkte im Sinne des Merkantilismus nachdrücklich gefördert, in dem sie u.a. in staatlich monopolisierten Betrieben hergestellt wurden.

Aufgrund der Finanzmisere seines Hofes setzte sich Carl I. für die Ansiedlung und Förderung neuer Wirtschaftsbetriebe in seinem Fürstentum ein, eine fiskal- und wirtschaftspolitische Entwicklung mit Konzentration von Fiskalbetrieben auf engem Areal, der möglicherweise auch die abgelegene nicht-staatliche Steinbecker Glashütte im Hellental "zum Opfer" fiel.

Wie BUSCH [7] ausführte, sollte der „fürstliche Gründungseifer“ die „alte Handwerkskunst von neuem erwecken und nach der Unrast des Umherziehens ihre Sesshaftigkeit begründen.“

Um ergiebige Einnahmequellen zu erschließen soll Carl I. „zur Wiederbelebung der Glasmacherkunst“ geschritten sein.

Eine Neugründung herzoglicher Glashütten fällt in die vierziger Jahre des 18. Jahrhunderts.

So wurde 1744 die neue, ortsfeste Fürstlich-Braunschweigisch-Lüneburgischen Hohl- und Tafelglashütte am Schorbornsteich eingerichtet.[6]

Nach BLOSS soll der braunschweigsche Oberjägermeister Johann Georg v. Langen bei Gründung der Schorborner Glashütte zunächst davon ausgegangen sein, dass für diese "für absehbare Zeit eher ein Überfluß als ein Mangel an Holz für die Glasherstellung zu erwarten gewesen" sei.[2]

Unter forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten wurde den Glasmachern der Holzbedarf (Bau- und Brennholz) in Klaftern kontrolliert zugemessen und berechnet.

Stationäre Glashütten bestanden aus größeren, festen Steinbauten mit mehreren Ofenanlagen, in denen eine große Anzahl von Glasmachern unter der Leitung des Glasmachermeisters beschäftigt war.

Die Glasmacher, ihre Familien und Gehilfen wohnten entweder in einer nahen Ortschaft oder auf der Glashütte.

Die Anlage von Werkssiedlungen wurde staatlich gefördert, um die Glasmacher an ihren Arbeitsplatz zu binden.

Genau in die Anfangsphase der grundlegenden wirtschaftspolitischen Neuorientierung fallen die Stilllegung und der Verkauf der privaten Glashütte im Hellental.

 

1744

Herzog Carl I. gründet im Weserdistrikt fürstliche (merkantilistische) Glasmanufakturen

Während des 18. Jahrhunderts veränderte sich das Glashüttenwesen insofern, als technologisch weiterentwickelte und auf einen größeren Glaswarenabsatz ausgelegte, ortsfeste Manufakturen errichtet und vorwiegend landesherrlich betrieben wurden.

In dieser Zeit des grundlegenden ökonomischen und technischen Wandels trat auch das Land Braunschweig unter der langen Regierungszeit von Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713-1780) erstmals als Wirtschaftsförderer und Unternehmer auf.

Fiskalisch bedeutende Wirtschaftszweige - wie gerade die der Glasherstellung - wurden in die landesherrliche Eigenregie als Staatsbetriebe in der Wirtschaftsform des Merkantilismus übernommen.

Nach TACKE [19] führte das einseitig ausgerichtete fürstliche Manufakturwesen mit seinem großem Brenn- und Kohlholzbedarf im 18. Jahrhundert zur vorherrschend Gestaltung der Kulturlandschaft.

Zeitnah nebeneinander wurden aus „merkantilistischem Geiste hervorgegangener industrieller Unternehmungen“ unter dem vielseitgen "Landesvater" Herzog Carl I. im Jahr 1744 planmäßig drei fürstliche Glas- und Spiegelhütten im Solling, am Ith und im Hils gegründet.[9][15]

Nach Plänen des Kammerrates Thomas Ziesisch entstanden unter dem vielseitgen "Landesvater" Herzog Carl I. 1744 neue und zudem dauerhaft angelegte Glashüttensiedlungen im ressourcenreichen, aber ökonomisch wie strukturschwachen braunschweigischen Weserdistrikt:

 

Schorborn

"Fürstliche Hohl- und Tafelglas-Manufactur" [11][12][17][18]

Solling

„weiße“ Hütte am "Schornborner Teich" (Schorborn)

1744-1842

„Fürstliche Hohl- und Tafelglas-Manufactur" für Weiß- und Grünglas am "Schornborner Teich"

mit den späteren Filialglashütten Pilgrimsteich 1775, Mühlenberg 1783 und Mecklenbruch 1799.

 

Holzen

„Fürstliche Bouteillenmanufactur" [13][23]

dicht am Waldrand des Ith

„grüne“ Hütte "unterm Renneberg bey Holtensen" (bei dem Dorf Holtensen - Holzen)

hier hatte bereits vor 1726 eine Waldglashütte bestanden ("Holzer Hütte") [14]

1744-1768 „Fürstliche Bouteillenmanufactur"

Fertigung von „grünem Hohl- und Kisten-Glaß“ (Bouteillen = Flaschen und Flachglas für Fenster)

 

Grünenplan

"Fürstliche Spiegelmanufactur am grünen Platz" [24][5]

Hils

Glas- und Spiegelhütte am "grünen Plan" (Grünenplan)

seit 1744

"Fürstliche Spiegelmanufactur am grünen Platz" in der seit 1667 ortsfesten Glashütte von Seidensticker

 

Für die fürstliche „weiße“ Hohl- und Tafelglashütte in Schorborn wie auch für die spätere Grünglashütte in Pilgrim lieferten Heinader Bauern Kalk und Holzkohle, zugleich sorgten sie auch für den Abtransport der fertigen Glaswaren.

Die in der Phase des betriebswirtschaftlichen Übergangs zum stationären Manufakturwesen stehende Steinbeker Glashütte war im Hellental die letzte Glas produzierende Hüttenanlage.

 

Literatur

WEBER, KLAUS A.E.: Waldglashütten in den Solling-Forsten des Hellentals. Beiträge zur Glashüttengeschichte im Solling vom 12./13. bis 18. Jahrhundert. Teil IV. Glashütten der Frühen Neuzeit im Umfeld des Hellentals - 1. Hälfte 18. Jahrhundert. Sollinger Heimatblätter. Zeitschrift für Geschichte und Kultur. 4/2012, S. 15-24.

___________________________________________________________________

[1] RAULS 1983, S.316.

[2] BLOSS 1950a, S. 31.

[3] WOHLAUF 1981; BLOSS 1977.

[4] Ausstellung "Kostbarkeiten aus Sand und Asche - entstanden im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel", Museum Schloss Wolfenbüttel, 11. März bis 02. Juli 2017.

[5] BAUMGÄRTNER 1989, S. 10-11.

[6] OHLMS 2006; BLOSS 1950, S. 31 ff.

[7] BUSCH 1993, S. 41 f.

[9] LEIBER 2017, S. 61-70.

[11] OHLMS 2006.

[12] OHLMS 2015.

[13] Die fürstliche Glasmanufaktur Schorborn. Ein Ausstellungs- und Forschungsprojekt im Erich-Mäder-Glasmuseum Grünenplan. 17. Mai 2015 - 01. November 2015.

[14] BLOSS 1950a, S. 8.

[15] HENZE 2004, S. 99; TACKE 1969.

[17] ZWAHR 2017, S. 29.

[18] KRAMER 2017a, S. 16-21.

[19] TACKE 1943, S. 121.

[23] TACKE 1943, S. 137-138.

[24] TACKE 1943, S. 136-137.