Flachsverabeitung
Klaus A.E. Weber
Flachsernte
Die faulig-mürben Pflanzenteile wurden langwierig getrocknet, mit einer „Holzbrake“ grob geschlagen und mit der „Handbreche“ gebrochen.
Die dabei vom Stengelholz gelösten Bastfasern zog man büschelweise durch ein Nagelbrett („Hechelkamm“ oder „Hechelbock“).
Bei dem so durchgehechelten Flachs wurden die Fasern gleichmäßig für den anschließenden Spinnvorgang ausgerichtet.
Die ausgekämmten Bastfasern wurden zu langen Zöpfen zusammengedreht und aufbewahrt.
Der letzte Arbeitsgang erbrachte schließlich eine verspinnbare Faser unterschiedlicher Qualität.[2]
Die regionale Flachsernte wurde von RAULS [7] in anschaulicher Weise beschrieben:
„Bei der Flachsernte werden die Pflanzen mit der Wurzel aus dem Boden gezogen, in der Sonne getrocknet und einige Wochen bündelweise in Rotten mit fließendem oder stehendem Wasser gelegt und mit Steinen beschwert, damit die Blätter und Grünteile verrotteten.
Danach folgte das Brechen oder Boken und das Schwingen des Flachses, um ihn von den anhaftenden Holzteilchen zu befreien.
Zur Trennung der Fasern wurde der Flachs auf einem mit spitzen Eisenstiften versehenen Brett gehechelt.
Schließlich wand man die Fasern um einen Stab und verzierte den spinnfertigen „Wocken“ oder „Rocken“ mit einer bunten Papierhülse, auf der Scherz- oder Liebessprüche zu lesen waren.“
Von dem geernteten Rohflachs blieb nur etwa 1/3 der Ausgangsmenge als reiner, hochwertiger Flachs übrig, etwa 2/3 als „Heede“ (Werg).
Als Hede wurden kurze, grobe Faserreste minderer Qualität bezeichnet (Heedegarn zur Herstellung von Schockleinen - Säcken, Stricken und Tauen).
Die Faseranteile besserer Qualität wurden als „kleine“, „feine“ oder „linnen“ ausgewiesen (Leinengarn zur Herstellung von Stiegenleinen).
Mittels Spinnrad wurden die aufbereiteten Flachsfasern zu Fäden gesponnen und von Leinenwebern auf dem Webstuhl zu Textilien verarbeitet.[3]
Im „Holzmindener Wochenblatt“ wurde 1787 zur Flachsverarbeitung im braunschweigischen Weserdistrikt berichtet:[4]
"Das vornehmste und zugleich nützlichste Produkt für die Untertanen ist der Flachs. Davon wird im Wesertal so viel gebaut, gesponnen und verwebt, daß das Bedürfnis an Hemden, Kitteln, Beinkleidern, Schürzen, Bett- und Tischtuch, Säcken und Saatlaken u. dgl. damit bestritten werden kann.
Das größte Gewerbe wird mit dem Legge-Linnen gemacht.
Es hat seinen Namen daher bekommen, weil es beim Einkauf über einen Tisch oder Bank gelegt und gezogen, und auf solcher nach der Länge und Breite gemessen und nach der Güte beschaut wird …
Das Leggelinnen wird aus Hede und Flachsgarn gewebt und tuchweise zu 15 Ellen verkauft."
Arbeitsgeräte zur Flachs- und Wollverarbeitung [2]
Flachsverarbeitung um 1910
Wibbecke im Flecken Adelebsen
Bilder aus B. Birkigt-Quentin, G. Busse, W. Schäfer: Flachs und Leinen zwischen Leine und Weser. Uslar 2002, S. 11, 14, 15, 16.
Brechen
Arbeit an der Handbreche
Hecheln
Flachs durchhecheln
Spinnen
Arbeit am Spinnrad
Haspeln
Aufwickeln des Garns von der Spindel auf den Klopferhaspel
Regionale Arbeitsgeräte zur Flachsverarbeitung [9][10]
∎ Riffelkamm (Reepebusch) │ um 1900
zum Abziehen der Samenkapseln von den Stängeln der Flachsbündel
Holz │ Eisen
Herkunft unbekannt
[hmh Inv.-Nr. 1277
∎ Flachsbreche (Brake) │ um 1900
Holzgestell mit Holzhebel und Eisenschienen zum Feinbrechen holziger Bestandteile des Flachsstängels (Feinbreche)
Holz │ Eisen
Hellental
[hmh Inv.-Nr. 1278
Handspinnrad
zum meist saisonalen Verspinnen von zuvor gehecheltem Flachs
-
Flucht (offener Rahmen)
-
Spindel zur Fadenaufnahme
-
Spule
∎ Handspinnrad │ 1948
mit Handkurbel
fehlender Spinnrocken
Holz │ Eisen
Holzinschrift: „7. VI. 1948 D“
[hmh Inv.-Nr. 1280
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[1] HAHNE 1972.
[2] BUSSE 2002, S. 8 ff.
[3] HENZE 2004, S. 70; BUSSE 2002, S. 8 ff.
[4] zit. in RAULS 1983, S. 134.
[5] TACKE 1943, S. 87.
[6] BUSSE 2002, S. 5.
[7] RAULS 1974, S. 128-130; RAULS 1983, S. 133 f.
[8] Gelehrte Beyträge zu den Braunschweigischen Anzeigen │ 88tes Stück 11.November 1769, S. 711-716 │ 89tes Stück 16.November 1769, S. 719-722.
[9] Abbildungen aus: Tacke, E.: Der Landkreis Holzminden (1951) S. 73
[10] SIUTS 2002, S. 148-163.