Die Klosterkirche – Von der Basilika zur Barockkirche

Klaus A.E. Weber

 

Blick von Süden über die Klostermauer auf die ehemalige Klosterkirche

Mai 2024

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

9. Jahrhundert

Gründungsbau mit Scheitelkapelle 822-844

Während der Jahre 822-844 entstand im Dienst der christlichen Heilsverkündung an der Stelle der heutigen Kirche der Gründungsbau der frühromanischen Klosterkirche, die 844 als Missionskirche geweiht wurde.

Die karolingische Kirche war eine turmlose, einfache dreischiffige Basilika mit

  • Chorviereck

  • flacher Balkendecke

  • Hauptapsis

  • langem, schmalem Innenraum

  • zwei schmalen Seitenschiffen

  • dreiarmiger Umgangskrypta.

Dabei sollen nach SAGEBIEL [13] und BRÜNING/HENZE [11] die „Ähnlichkeit der Flussniederung an Somme und Weser … der Bautätigkeit der Mönche aus der Pikardie in Corvey zweifellos von Nutzen“ gewesen sein.

In der frühmittelalterlichen Choranlage befand sich eine Umgangskrypta.

In der Bauzeit der 844 geweihten Basilika war die Translation der Gebeine des Heiligen Vitus von St. Denis zur Coveyer Abteierfolgt, die zur Errichtung einer Verehrungsstätte (etwa 8,0 x 10,0 m) durch die Verlängerung ders Chores der Basilika führte (ehemalige „Vituskrypta“).

Die Chorpartie wurde 867 nochmals verändert, wobei die Länge der Basilika einschließlich des Chorraumes der Länge der heutigen Barockkirche entsprochen haben soll.[12]

Vor dem westlichen Giebel bestand eine kleine Vorhalle (4,0 m breit, 3,65 m tief), die zugunsten des späteren Westwerkes weichen musste.

Der zerstörerische Brand infolge eines Blitzeinschlags von 870 im östlichen Kirchenbereich gilt als "äußerer Anlass dafür, die Missionskirche den neuen Anforderungen entsprechend umzubauen".[14]

Die Baumaßnahme zog eine Chorerweiterung nach sich, wobei noch vor dem Bau des Westwerks um 873 der Chor nach Osten erweitert und die zum Gründungsbau gehörende karolingische Scheitelkapelle niedergelegt wurde.

An ihrer Stelle entstand eine dreiachsige Stollenkrypta mit kreuzförmigem Abschluss.

Im Jahr 873 war der Grundstein zu einer aufwändigen Dreiturmanlage gelegt worden, die 885 geweiht werden konnte..

Nach rund 820 Jahren wurde die frühmittelalterliche Corveyer Basilika infolge der barockzeitlichen Neubaumaßen unter dem Fürstbischof von Münster und Corveyer Administrator Christoph Bernhard von Galen (1606-1678) im Jahr 1663 abgebrochen.

Zur Rekonstruktion der karolingischen Klosterkirche als Pfeilerbasilika von 844 wird auf den 1966 erstellten Beitrag von BUSEN [9], Landeskonservator Münster, verwiesen.

 



Abteikirche Corvey

I - Modell der Kirche [1] │Langhaus mit hohem Mittelschiff aus der ersten Bauperiode

873-885 erbautes Westwerk und Erweiterung der Ostteile um Querhaus, Chor und neue Außenkrypta

II - Abbildung aus BRÜNING/HENZE [2] │ III - Zustand Mai 2024

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Umbau des Chores und Querhauses um 870

In der frühmittelalterlichen Choranlage befand sich eine Umgangskrypta.

Der wohl durch einen Blitzschlage 870 verursachte Brand im Ostteil der Basilika zog unter dem Abt Adelgar (Abbatiat 856-877) [3] eine ohnehin erforderliche Chorerweiterung nach sich, nachdem sich der Konvent vergrößert hatte..

Hierbei wurde noch vor dem Bau des Westwerks um 873 der Chor nach Osten erweitert und die zum Gründungsbau gehörende karolingische Scheitelkapelle niedergelegt.

An ihrer Stelle entstand eine dreiachsige Stollenkrypta mit kreuzförmigem Abschluss.

Der wiederhergestellte Chor wurde 885 geweiht.

Zu dem Umbau von 870 wird auf die Ausführungen von BUSEN [10] verwiesen.

 

Palmettfriesfragment der karolingischen Kirche │ Sandstein │ 9. Jahrhundert

Museum.Welterbe Corvey

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Die kasernenhafte Eintönigkeit der Missionskirche aber verwandelte man ab 870 durch das östliche Querhaus und das Westwerk in eine monumentale Baugruppe, die der Würde und dem Ansehen des berühmt gewordenen Klosters besser gerecht wurde.“[14]

 

10.-11. Jahrhundert

Unter dem Abt Thietmar I. (Abbatiat 983-1001) [18] wurden sechs ungewöhnlich große Erzsäulen, vier davon nachträglich mit Inschriften versehen, im Kirchenraum aufgestellt.[15][16]

Kirche und Kloster wurden im 11. Jahrhundert durch einen Brand zerstört und der Wiederaufbau erst unter dem Abt Saracho (Abbatiat 1055-1071) [7] vollendet.

 

12. Jahrhundert

In den Jahren 1146-1158 erfolgte unter Abt Wibald von Stablo ein Umbau des Westwerks.

 

17. Jahrhundert

Barockkirche

Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) war das Corveyer Kloster wiederholt überfallen, geplündert und verwüstet worden.

Die karolingische Abteikirche war nur noch eine Ruine und die ausgebrannten Abteigebäude waren unbewohnbar.

Wegen Baufälligkeit wurde der ursprünglich frühmittelalterliche Kirchenbau um 1665 abgebrochen, wobei das Westwerk in seiner ursprünglichen Bausubstanz bestehen blieb.

 

Porträt von Christoph Bernhard von Galen │ um 1780

Fürstbischof von Münster und Corveyer Administrator

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

In den Folgejahren 1667-1674 wurde die Kirche unter dem Corveyer Administrator, dem münsterischen Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen (1606-1678) mit erinem gotisierenden. einschiffigen Barockbau ersetzt.

Die feierliche Grundsteinlegung erfolgte am 18. November 1667, die Einweihung der Kirche 1674, die der Seitenaltäre ersst 1676.

Das Westwerk hingegen blieb in seiner ursprünglichen Bausubstanz bestehen.

Mit dem Neubau der Abteikirche wurde die größte Bauperiode der Klosteranlage eingeleitet, die das Stift bis 1740 erlebte.

Es entstand ein Saalbau in Form des norddeutschen Frühbarocks.

Der Neubau der Abtei konnte 1740/1741 unter dem Fürstabt Caspar II. von Boeselager (Abbatiat 1737-1758) abgeschlossen werden.[6]

Im Jahr 1954 wurde die alte Fassung freigelegt und die Restaurierung des Kirchenbaus durchgeführt.

In die neue, innen reich und farbenprächtig ausgestatte Barockkirche gelangt man heute durch das Erdgeschoss des karolingischen Westwerks.

 

Abteigebäude von Nordwesten um 1700

karolingisches Westwerk │ angrenzendes Kirchenschiff der barocken Abteikirche

Mai 2015 │ Juli 2023

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

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[1] Firma Hannemann Modellbau, Oldenburg, 1999.

[2] BRÜNING/HENZE 1991, Abb. S. 13.

[3] KURTE 2017, S. 41-43.

[4] KOCH 2023, S. 113.

[5] HAASE 1922, S. 24.

[6] KURTE 2017, S. 240-242.

[7] KURTE 2017, S. 79-81.

[9] BUSEN 1967, S. 19-27, 642-644 Nr. 374-376.

[10] BUSEN 1967, S. 26-27.

[11] BRÜNING/HENZE 1991, S. 10.

[12] BRÜNING/HENZE 1991, S. 12.

[13] SAGEBIEL 1973, S. 9.

[14] BUSEN 1967, S. 37.

[15] KURTE 2017, S. 65-66.

[16] BUSEN 1967, S. 38-39.