Erste langfristig ortsfeste Glashütte im Solling

Klaus A.E. Weber

 

Deckblatt der 1950 herausgegebenen Festschrift "800 Jahre Schorborn" │ Otto Bloß [33]

© Zeichnung von Curt Sauermilch

 

Glasmanufaktur zur Deckung des Landesbedarfs an Hohl- und Flachglas

 

Hohlglas

  • grünes Hohlglas

  • farbloses ("weißes") Hohlglas

 

Flachglas (Tafelglas)

  • grünes Tafelglas

  • böhmisches Tafelglas

 

1743 initiierter staatlich-merkantilistischer "Industriebetrieb"

  • "Neue Glasehütte"

  • "Schorborn Glas Hütte"

  • "Glase Hütte Teich Schorborn"

  • "Glaßhütte bei dem Schorborner Teich"

Etwa 4 km vom Glasmacherort Hellental entfernt liegt heute in der Gemeinde Deensen die einst wüst gefallene Siedlung und das spätere Glashüttendorf Schorborn [13] in einem abgelegenen Tal am Nordwestrand des Sollings, an der Quelle des Beverbachs.

Dabei gilt es auch auf die Grenzen der Klosterherrschaft Amelungsborn in der frühen Neuzeit hinzuweisen.[27]

Absolutistisch regierend lies hier Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713-1780) 1744 seine landesherrliche "Glasmanufactur" mit festen Gebäuden errichten.

Das geschützte Sollingtal eignete sich offenbar lokalräumlich besonders gut für die Glasherstellung, so dass Herzog Carl I. dort seine "Fürstlich Braunschweigisch-Lüneburgische Hohl- und Tafelglashütte" - die "Glase Hütte Teich Schorborn" - unter maßgeblicher Wirkung des "Wolfenbüttelschen Cammer Raths Thomas Ziesich" aufbauen und als staatlich-merkantilistischen "Industriebetrieb" führen ließ.[15][19]

 

⊚ Zum Anklicken

Glasstelen-Standort Schorborn [34]

Die Master-Glasstele wurde am 15. Oktober 2020 in Schorborn auf dem Dorfplatz errichtet.

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

1743

Kammerrat Thomas Ziesich

Am 29. Dezember 1743 war der Kammerrat Thomas Ziesich durch Herzog Carl I. beauftragt worden,

  • zu dem Hüttenbau an der Weser, seinem Vorschlag nach, möglichst Anstalt zu machen, auch die Haushaltung so einzurichten, daß [man] nach Ablauf eines Jahres die Malter-Holz-Consumtion ganz genau wissen könne.

Unter dem Oberinspektor Ziesich wurde die landesherrliche Glasmanufaktur nicht zuletzt in wirtschaftlicher Konkurrenz zur "ausländischen", 1742 "beym Silberbrunnen" und "ohnweit dem Neuen Hause" errichteten Ruhländischen Glashütte (1742-1748).

Diensteifrig hatte daraufhin Oberinspektor Ziesich bis zum 11. März 1744 "14 Waldmorgen Holzes am Schorborner Teiche" (das entspricht 35.022 m² Wald) abtreiben lassen.

Des Weiteren sollte er "in seinem Dienst-Eifer" fortfahren und auch "fernerweit" alles "so einzurichten, daß der intendirte Zweck dadurch erreicht werde".[2]

Nach OHLMS [2] sei gleich danach im März 1744 der Glasofen in der Hellentaler Hütte kaltgelegt worden, der bis zu diesem Zeitraum "für Ihro Hochfürstl. Durchlaucht Rechnung geführt" worden war.

Nachdem Mitte des Jahres 1744 das Hüttengebäude samt dem Grünglasofen am Schorbornsteich fertiggestellt worden seien, habe man mit Hellentaler Personal und Gerätschaften die Grünglasherstellung aufgenommen.[2]

 

1748

Hof-Jägermeister Johann Georg v. Langen

Am 07. Oktober 1748 übernahm der braunschweigische Hof-Jägermeister Johann Georg v. Langen die Oberinspektion über die landesherrliche Schorborner Glasmanufaktur.

Dabei verfolgte v. Langen maßgeblich zwei strategische Ziele:[38]

  • möglichst rationelle Verwendung der ungenutzten Holzvorräte der Sollingforsten an Ort und Stelle

  • Ansiedlung von Handwerkern, "die sich mit der Zeit an einem einsamen Orte mit ihrer Hände Arbeit als nützliche Landesbewohner ernähren können".

 

1775

Erste Hüttenteilung - Anlage der Glashütte am "Pilgrimsgrund"

Schließlich wurde als Filialglashütte die "Grüne Hütte" 1775 nach dem "Pilgrimsgrund" oberhalb des Bauerndorfes Heinade verlegt.

 

1777

Protest und Tumult

Die absolutistische Ansiedlungspolitik des Braunschweiger Hofes blieb um 1777 nicht ohne kurzeitigen regionalen Protest und Tumult.

 

1783

Zweite Hüttenteilung - Anlage der Glashütte am "Mühlenberg"

Bei steigender Nachfrage wurde nach längerer Planungszeit 1783 als weitere Filialglashütte die "Tafel- und Medicin-Glasofen am Mühlenberge" für böhmisches ("weißes") Tafelglas und Medizinglas errichtet.

Der 1756 errichtete Tafel- und Weißhohlglasofen verblieb in Schorborn.

 

1807-1813

"Königlich Westphälische Glashütte Schorborn"

Während der „Napoleonischen Epoche" (1807-1813) im französischen Königreich Westfalen gelegen, wurde die Glasmanufaktur mit einem neuen Namen belegt: "Königlich Westphälische Glashütte Schorborn".[49]

Von den "Sollinghütten" wurde die Mühlenberger Glashütte durch eine hohe Absatzsteuer und Ausfuhrverbote stark beeinträchtigt.

War 1802-1804 der Bedarf an "weißem Tafelglas" in braunschweigischen Städten noch groß, so "musste unter dem Einfluss der westfälischen Zeit der Betrieb auf 26 Wochen jährlich eingeschränkt werden".[50]

 

1842

Einstellung der Glasherstellung

Rentablere Verwertungsmöglichkeit des Holzes und die zunehmenden Absatzschwierigkeiten machten eine "durchgreifende Rationalisierung des Betriebes notwendig, der aber der ganz im Herkömmlichen befangene Pächter nicht gewachsen war".[51]

Letztlich gelangte der Braunschweiger Hof zur ökonomischen Einsicht, dass die Glasherstellung in massenhaftem Umfang in den in traditioneller Art weiterhin mit Holz befeuerten Ofenanlagen mit dem wenig nachhaltig gestalteten Holzangebot der Sollingforsten nicht mehr zukunftsfähig möglich war.

Unternehmerisch gescheitert, wurde nach fast 100 Jahren schließlich der staatliche Hüttenbetrieb ab 1841 eingestellt.

1842 endete die Glasherstellung in fürstlicher (staatlicher) Regie mit delegierter Verpachtung - fast 130 Jahre nach herzoglichem Erwerb der Hellentaler Glashütte Steinbeke.

Damit endete eine bedeutende Ära der neuzeitlichen Glasgeschichte im braunschweigischen Solling.

 

Die "Sollinghütten" und ihre Standorte im Solling

Bei BECKER [4] werden die vier Glashüttenstandorte im braunschweigischen Solling unter dem Begriff "Sollinghütten" subsumiert:

  • 1744-1842: Hohl- und Tafelglasmanufaktur zu Schorborn
  • 1783-1841: Weißglashütte zu Mühlenberg ("Schoppewiese" mit "Weddenborn") für Flachglas (böhmisches Tafelglas) und Apparateglas sowie für die Medizinglasherstellung
  • 1799-1829: Moorhütte - Torfhütte "auf dem Mecklenbruch"

 

 

⊚ Zum Anklicken

© [hmh, Grafik: Klaus A.E. Weber (2021-03)

 

_______________________________________________________________

[2] OHLMS 2006, S. 7.

[4] BECKER 1927, S. 60-83.

[5] ALMELING 2006, S. 108 Abb. 89.

[13] CASEMIR/OHAINSKI 2007, S. 188-189.

[15] Vortrag beim Kulturnachmittag des Heimatpflege- und Kulturvereins Schorborn-Schießhaus am 13. November 2015 in Schorborn: Die Waldglashütten im Nordsolling, Referent: Dr. Klaus A.E. Weber, Hellental.

[18] KRAMER 2017a, S. 16-21.

[19] LEIBER 2017, S. 61-70.

[27] LILGE 2000, S. 19- 20.

[33] Deckblatt der Festschrift "800 Jahre Schorborn. 1150-1950. Bilder aus der Vergangenheit der Gemeinde Schorborn und der Waldglashütten im Solling" des Lehrers Otto Bloß (Schorborn) mit Zeichnungen von Curt Sauermilch (Holzminden) │ BLOSS 1950a.

[34] KRAMER 2020b.

[38] BLOSS 1950a, S. 13.

[48] Blatt 11 der faksimilierten Sollingkarte von 1603 [ARNOLD/CASEMIR/OHAINSKI (Hg.), 2004 - StAWF K 202 Blatt 11.

[49] BLOSS 1950a, S. 35.

[50] BECKER 1927, S. 71.

[51] BECKER 1927, S. 87.