FUNDORTSPEICHER │ Datenkatalog Glashütten Hellental

Klaus A.E. Weber

 

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Wie STEPHAN [2] darlegt, lag die Erforschung des mittelalterlichen Glases „über Generationen hinweg weitgehend in der Hand von Kunsthistorikern und ging primär von im Gebrauch erhaltenen Gläsern, seltener von Bodenfunden aus“.

 

Glasmachen – Ein frühes „Hellental-typisches“ Handwerk

Vor dem Hintergrund,

  • einerseits die durch intensive Geländerecherchen im Umfeld des Hellentals nachgewiesenen historischen Glashüttenstandorte als Kulturdenkmale zu schützen, zu pflegen und wissenschaftlich zu erforschen,

  • andererseits bei der Forschung erhobene Erkenntnisse und Daten (auch ohne archäologische Grabungen) für Wissenschaft und Öffentlichkeit transparent zugänglich zu machen,

werden die im Gelände lokalisierten Standorte der Waldglashütten im definierten Untersuchungsgebiet des Hellentaler Umfeldes innerhalb der nördlichen Sollingregion in dieser Forschungsdatenbank veröffentlicht und aktualisiert.

Zudem ist festzustellen, dass die erfassten Waldglashüttenstandorte in ihrem Erhalt zunehmend bedroht sind, teils auch unwiederbringlich vernichtet werden, durch nachteilige ökologische wie klimatische Veränderungen und insbesondere durch forstwirtschaftliche Eingriffe mit Abholzungen und massiven Bodenzerstörungen.

 

Waldglashütten - zeitlich und räumlich

Fundstellen im ehemals braunschweigisch-wolfenbüttelschen Waldgebiet des Sollings

"Ein paar Glashütten … räumten wohl hin und wieder Flächen ab, doch waren die Zuschläge im Ganzen gering.“ [4]

 

Lokalisierung

Bei allen durch Feldbegehungen mit archäologischen Lesefunden und Detektorbegehungen greifbaren Standorte handelt es sich ausschließlich um nicht ausgegrabene Oberflächenfundplätze dreier Produktionsphasen temporärer Waldglashütten im Umfeld des Hellentals im Nordsolling.

Wie kompliziert und schwierig dies nur anhand von Beobachtungen zu Oberflächenbefunden und Lesefunden zu beurteilen ist, zeigte sich jüngst für das Weserbergland, insbesondere das Hellental im Nordsolling, wo angeblich in dichter Nachbarschaftslage mindestens eine Haupthütte und mehrere Ein-Ofen-Anlagen des 13. Jahr-hunderts aufgefunden worden sein sollen (so Leiber 2012).

Von letzteren sind inzwischen jedoch teils Funde von Häfen und mehreren Ofenhügeln bekannt, so dass sie zumindest recht wahrscheinlich als Haupthütten anzusehen sind (Klaus Weber, Internetauftritt Merxhausen-Hellental).“[9]

 

Mittelalterliche, frühneuzeitliche

und neuzeitliche Waldglashütten

Geländestandorte mit

Aktivitätszone im

Umfeld des Hellentals

Forschungsstand [1][12]

Januar 2023

© Historisches Museum Hellental, Grafik: Klaus A.E. Weber

 

Dreiphasige Präsenz im Fund und Befund

Bei den in der Glashüttenlandschaft des Hellentals lokalisierten mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Glashütten lassen sich anhand der vorläufigen Auswertung von neuerem archäologischem Fundstoff - in Verbindung mit den wenigen schriftlichen Überlieferungen - chronologisch drei Phasen vorindustrieller Glasherstellung mit unterschiedlicher relativer Höhenlage von 261-427 m üNN in größeren Hütten und/oder kleineren Nebenhütten schematisierend beschreiben.[6]

Während des späten Mittelalters kam es im Weserbergland zu starken Wüstungserscheinungen, wobei ab etwa 1350/1400 weite Landstriche mehr oder weniger stark verödeten, die Bevölkerung erheblich abnahm und sich die Mehrzahl ländlicher Siedlungen reduzierte.[7]

 

Dreiphasige Glashüttenaktivität

im Umfeld des Hellentals im Nordsolling

© Historisches Museum Hellental, Grafik: Klaus A.E. Weber

 

Im Umfeld des Hellentals im Nordsolling lässt sich historisch-archäologisch eine dreiphasige Glashüttenaktivität nachweisen.

Eine deutliche zeitliche Lücke in der Waldglasherstellung ist wahrscheinlich als Folge ökonomischer und demografischer Krisen im 14. Jahrhundert und der beginnenden ökologischen Veränderungen im 15. Jahrhundert zu interpretieren.

 

Glashüttengeografie

Dabei sind neben den zeitlichen auch kleinräumige Differenzierungen erkennbar.

Sämtliche vorgefundene Geländestandorte von Waldglashütten wurden auf der Westseite des Hellentals im braunschweigisch-wolfenbüttelschen Waldgebiet angelegt.

 

Relative Höhenlage der Glashüttenstandorte

Tallage

  • 261-385 m üNN │ 7 mittelalterliche Glashütten
  • 281 m üNN │ 1 neuzeitliche Glashütte
  • 368 m üNN │ 1 frühneuzeitliche Glashütte

Hanglage

  • 298 m üNN │ 1 mittelalterliche Glashütte
  • 335 m üNN │ 1 frühneuzeitliche Glashütte

Hochlage

  • 397-427 m üNN │ 4 mittelalterliche Glashütten │ 2 frühneuzeitliche Glashütten

 

Räumliche Distanz zwischen den Glashüttenstandorten

Mittelalterliche Glashütten

{HtGM 1-1} → {HtGM 1-2}  ca. 380 m

{HtGM 1-1} → {HtGM 1-2}  ca. 380 m

{HtGM 1-2} → {HtGM 1-3}  ca. 140 m

{HtGM 2-1} → {HtGM 2-6} ca. 100 m

{HtGM 2-1} → {HtGM 2-2} ca. 200 m

{HtGM 2-2} → {HtGM 2-3} ca. 200 m

{HtGM 2-3} → ({HtGM 2-4}?) ca. 390 m

 

Frühneuzeitliche Glashütten

{HtGfN 1-1} → {HtGfN 1-2} ca. 1.640 m

{HtGfN 1-1} → {ShGfN 1-1} ca. 3.200 m

{HtGfN 1-1} → {ShGfN 1-2} ca. 2.850 m

 

Standort an zwei Fließgewässern

Die „Erschließung“ des langgestreckten, leicht ansteigenden Hellentals durch hoch- bis spätmittelalterliche Waldglashütten dürfte nach bisherigen Erkenntnissen sukzessive dem Holz als Brennstoff- und Flussmittellieferant folgend vom unteren, nordöstlichen Talbereich (240 m üNN) bis zum oberen, südwestlichen Hellentaler Grund (370 m üNN) erfolgt sein.

Dabei zeichnen sich die Glashüttenstandorte geografisch dadurch aus, dass sie regelhaft im unmittelbaren Umfeld zumindest zwei Fließgewässer erkennen lassen.

Es sind einerseits noch heute saisonal mehr oder minder Wasser führende Bachläufe, andererseits ehemals bestehende Wasserläufe, deren Bodenstruktur sich im Gelände abbildet.

 

Zeitstellung

Mittelalterliche und frühneuzeitliche Glashütten im Werra-, Leine- und Weserbergland - Periodengliederung: Phase I - III

Gefäßkeramik nach STEPHAN [11]:

  • Einführung grauer Irdenware in den Jahrzehnten um 1400

  • Aufkommen von regionalem Steinzeug etwa um 1240

 

Fundaufbewahrung und Ausstellung

Die systematische Aufbewahrung und Ausstellung der Funde erfolgt in Abstimmung mit der Archäologischen Denkmalpflege Landkreis Holzminden (Kommunalarchäologie) im HISTORISCHEN MUSEUM HELLENTAL.

 

Literatur zur lokalen Glasgeschichte

BLOSS, OTTO: Die älteren Glashütten in Südniedersachsen. Veröffentlichungen des Instituts für historische Landesforschung der Universität Göttingen. Bd. 9. Hildesheim 1977.

HENNE, ROLAND: Waldglashütten im Bergland an der oberen Weser. 20 Jahre Geländebegehung im Überblick. Verein Heimat und Kultur Gieselwerder e.V. Bd. 3. 2016.

STEPHAN, HANS-GEORG: Mittelalterliche und frühneuzeitliche Glashütten im Solling (1200-1740/50). Sollinger Heimatblätter. Zeitschrift für Geschichte und Kultur. 2/2006, S. 13-18.

STEPHAN, HANS-GEORG (Hg.): Der Solling im Mittelalter. Archäologie - Landschaft - Geschichte im Weser- und Leinebergland. 2010, S. 507-527.

STEPHAN, HANS-GEORG: Mittelalterliche Glashütten im Weserbergland. Die karolingerzeitlichen Anfänge der Waldglashütten und der Umbruch der Glaserzeugung im 15. Jahrhundert im regionalen und weiteren europäischen Kontext. In: CERNA, EVA, PETER STEPPUHN (Hg.): Glasarchäologie in Europa. Regionen - Produkte - Analysen. 2014, S. 35-77.

WEBER, KLAUS A.E.: Hellental – Glasproduktionsort, Wiesental und Landhandwerkerdorf einer braunschweigisch-hannoversch-preußischen Grenzregion. In: Kulturpfade. Führer zu kulturhistorisch interessanten Stätten in der VoglerRegion. 2005, S. 68-72.

WEBER, KLAUS A.E.: Waldglashütten in den Solling-Forsten des Hellentals. Beiträge zur Glashüttengeschichte im Solling vom 12./13. bis 18. Jahrhundert. Teil I Glashüttenforschung im Umfeld des Hellentals. Sollinger Heimatblätter. Zeitschrift für Geschichte und Kultur. 1/2012, S. 14-21.

WEBER, KLAUS A.E.: Waldglashütten in den Solling-Forsten des Hellentals. Beiträge zur Glashüttengeschichte im Solling vom 12./13. bis 18. Jahrhundert. Teil II Glashütten des Mittelalters im Umfeld des Hellentals - 12.-14- Jahrhundert. Sollinger Heimatblätter. Zeitschrift für Geschichte und Kultur. 2/2012, S. 8-17.

WEBER, KLAUS A.E.: Waldglashütten in den Solling-Forsten des Hellentals. Beiträge zur Glashüttengeschichte im Solling vom 12./13. bis 18. Jahrhundert. Teil III Glashütten der Frühen Neuzeit im Umfeld des Hellentals - 1. Hälfte 17. Jahrhundert.  Sollinger Heimatblätter. Zeitschrift für Geschichte und Kultur. 3/2012, S. 13-22.

WEBER, KLAUS A.E.: Waldglashütten in den Solling-Forsten des Hellentals. Beiträge zur Glashüttengeschichte im Solling vom 12./13. bis 18. Jahrhundert. Teil IV Glashütten der Frühen Neuzeit im Umfeld des Hellentals - 1. Hälfte 18. Jahrhundert. Sollinger Heimatblätter. Zeitschrift für Geschichte und Kultur. 4/2012, S. 15-24.

 

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[1] vergl. STEPHAN 2010, S. 515 Abb. 225; STEPHAN 2020, S. 135.

[2] DBU 2018, S. 18.

[4] REDDERSEN 1934, S. 7.

[6] WEBER 2012b, S. 14-21.

[7] DBU 2018, S. 35.

[9] DBU 2018, S. 108.

[11] STEPHAN 2022b, S. 64.

[12] STEPHAN 2022b, S. 64 Abb. 17.