Glashütten in der Klosterkulturlandschaft

Klaus A.E. Weber

 

Dass die frühen Handwerker vor allem auch in den Klöstern selbst zu suchen sind und der ein oder andere Mönch, aber auch Wanderhandwerker über solche handwerklichen Fähigkeiten verfügt hat, ist bekannt.

Klöster strebten danach, ihre Klöster kunstvoll auszuschmücken imd Bischöfe und Äbte bemühen sich um … Glasmacher und –maler.

Glashütten in der Umgebung der Klöster lieferten dabei Rohstoffe.“[17]

Vornehmlich unter der Verwaltung von Klöstern breitete sich die Glasherstellung in den Jahren 800-1200 n. Chr. aus, wobei "Klosterglashütten" vorwiegend einfache Trinkgläser, Fensterglas und Reliquiengläser anfertigten.[1][13]

Nach Untersuchungen von STEPHAN stellten im Weser-Leinebergland seit der Karolingerzeit dem Holz nachwandernde Glashütten gefärbtes Waldglas her.[2]

Wie die entdeckte Waldglashütte auf Königsgut am Solling zeigt, wurde bereits im 9. Jahrhundert mit der anspruchsvollen Glasverarbeitung begonnen, die wahrscheinlich im Kontext mit der Aufbauphase (822–885) in der nahegelegenen Benediktiner Reichsabtei Corvey an der Weser zu interpretieren ist.[3]

Dabei konnten am Kreickgrund zwischen Bodenfelde und Polier drei Öfen einer karolingischen Glashütte des 9. Jahrhunderts an einem kleinen Bachlauf archäologisch freigelegt werden, die in Verbindung mit dem ehemaligen Reichskloster mit karolingischer Hauptbauzeit gesehen werden kann.[4][14]

 

Klosterglashütten im „Eversteinischen Forst“?

Folgt man STEPHAN ⦋6⦌, so wurden die auf der Westseite des Hellentals angelegten Waldglashütten wahrscheinlich vorwiegend um 1170–1300 betrieben.

Des Weiteren führte STEPHAN [9] auch aus, dass der als „Eversteinischer Forst“ bezeichnete „Solling vom Stein bei Corvey (Steinkrug) über Neuhaus bis hin zu Merxhausen mit mehreren … wüst gefallenen Dörfern am Nordrand … als altes eversteinisches Erbe … als Zubehör der Burg Everstein angesehen“ wurde.

Somit ging möglicherweise die Initiative zur Anlage jener mittelalterlichen Waldglashütten primär von den im 12.-13. Jahrhundert in Sichtweite residierenden Eversteiner Grafen aus.

Unter dem Aspekt zeittypischer Errichtung klösterlicher Glashütten (Klosterglashütten) ist eine mögliche Verknüpfung mit dem Kloster Amelungsborn zu diskutieren.

Ohnehin zeichneten sich im Mittelalter die eigenbetrieblichen Klöster der Zisterziensermönche wirtschaftlich als frühkapitalistische Unternehmen mit einer bemerkenswertem Diversifikation aus.

Bereits 1977 ging BLOSS [10] der Frage nach, ob Klöster, so wie Amelungsborn, „als Keimzellen“ seinerzeit erfasster weltlicher Glashütten anzusehen seien.

Es fehlten ihm jedoch Publikationen, die „Hinweise auf klösterliche Beziehungen zu frühen südniedersächsischen Glashütten“ ergaben.

Ergänzend schrieb BLOSS [11], es sei „nicht auszuschließen, daß da und dort eine Glashütte auf klösterliche Anregung oder klösterliche Rechnung betrieben wurde.

Die älteste Glashütte im Hils und das 1129 gegründete Kloster Amelungsborn kommen sich zeitlich und örtlich recht nahe.“

Er merkt an, dass 1556 in einer Grenzbeschreibung des Klosters Amelungsborn die Forstgrenze des Klosters wie folgt führte:

der Schnedezug …uber die Egge des Berges [Voglerkamm] nach der Köppen bis an den Glesner Stich in der Lutken Holle und ist dar ein Weg der kompt von den neuwen erbauten Dorf Holenberck“.[8]

 

Kultur- und technikhistorische Fernkontakte nach Frankreich

Nicht zuletzt darf im Rahmen angewandter kirchlicher Kunst eine Verbindung zu dem französischen Kulturraum angenommen werden.

In größeren regionalen und überregionalen kultur- und technikhistorischen Zusammenhängen betrachtet, nahm nach STEPHAN/MYSZKA/WILKE [15] in Europa, einhergehend mit der Goldschmiedekunst und dem damit verbundenen Buntmetallhandwerk, „die französische Farbglaskunst, mit ihren Ausstrahlungen alsbald Lothringen, das heutige Belgien und die Rheinlande erreichend, in den Jahrzehnten ab 1080/1100 und noch lange Zeit später in der Romanik und Gotik eine führende Rolle ein“.

In diesem kultur- und technikhistorischen Kontext betrachtet, kann dem aus letztlich aus französischen Wurzeln entstammenden Zisterzienserkloster Amelungsborn eine hervorgehobene Bedeutung bei der Herstellung von Holzasche-Glas im Sollinggebiet zugeordnet werden, insbesondere bei farbigen sakralen Bleiglasfenstern.

So gilt nach MARX [16] die Herstellung hochwertiger Glasprodukte auch als ein Wirtschaftsfaktor des Zisterzienserklosters Amelungsborn.

 

Herstellung von Klosterfenstern?

Zumindest bei zwei hoch- bis spätmittelalterlichen (Kloster-)Hütten des Hellentals im früheren braunschweigisch-wolfenbüttelschen Waldgebiet Solling darf durch oberflächennahe Bodenfunde die Verwendung von Blei-Kupferverbindungen zur Erzeugung von Blei-Gläsern angenommen werden, an einer Hüttenstelle möglicherweise auch von farbigem Fensterglas.

Dabei ist zu diskutieren, ob Klosterfenster für die Klosterkirche St. Marien des nahe gelegenen Amelungsborner Zisterzienserklosters hergestellt wurden.

 

Zisterzienserorden

Grafen von EversteinKloster Amelungsborn ⬌ Edelherren von Homburg

?

Klosterglashütten im Hellental

um 1170 bis 1300 ⦋3⦌

Herstellung von Klosterfenstern

 

Skizze einer theoretisch möglichen regionalen Beziehungsstruktur

 

Klösterliche Glashütten in Mecklenburg

Die früheste Erwähnung eines Glases in Mecklenburg ist für das Jahr 1262 bezeugt.[12]

Bereits 1171 sollen Zisterziensermönche aus dem Kloster Amelungsborn in dem südöstlich gelegenen Althof das erste Kloster in Mecklenburg - das Kloster Doberan - gegründet und Güter besessen haben, die eine besondere Stellung einnahmen.

Anderen Quellen zufolge lag in Mecklenburg die älteste klösterliche Glashütte bei Doberan, die bereits im 13. Jahrhundert erwähnt wurde; der erste urkundliche Hinweis datiert von 1268.[7][12][17]

Nach WENDT [12] wird in jenem Jahr „in einer Beglaubigung der Liegenschaften des Klosters Doberan bei Rostock vom 17. Februar 1268 das heutige Dorf Hütten ausdrücklich mit der Bezeichnung ‚Glashütten‘ genannt.“

Nur wenig später werden 1273 „durch den Bischof von Schwerin dieser wieder als ‚Glashütte‘ bezeichneten Ortschaft die dem Kloster Doberan zustehenden Zehntabgaben bestätigt; in der gleichen Urkunde erfolgte dasselbe für den unweit davon gelegenen Ort ‚Glashagen‘“.[12]

Hierfür lieferte der vom Zisterzienserkloster urbar zu machende Wald ausreichende Holzmengen als Brennmaterial.

Wie WENDT [12] darlegt, findet 1280 in einer Urkunde der Glasermeister Johann zu Rostock Erwähnung wie auch, dass 1275 „ein Mönch wegen zu kleiner Trinkgläser“ eine Geldstrafe zahlen musste (Rostocker Geldbußen-Register).

Somit ist die erste Anlage mecklenburgischer Glashütten der Kultivierung von Rodungsland durch Zisterziensermönche zu verdanken, in dem „eingewanderte Mönche ihr Wissen von der Glaserzeugung mitbrachten“.

Demnach darf davon ausgegangen werden, dass das Wissen über die klösterliche Glasherstellung und -verarbeitung bei den mittelalterlichen Zisterziensermönchen hinreichend ausgereift war.

"Eine Glaswerkstatt mit Blei und Gießeisen an einem Kloster ist in Ostdeutschland am Zisterzienserkloster Doberan für 1552 historisch erwähnt, archäologisch untersucht werden konnte sie bisher nicht, da sie sich nicht im Klostergelände lokalisieren lässt."[18]

 

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[1] TSCHIRR 2009, S. 23.

[2] STEPHAN 2015.

[3] STEPHAN 2020, S. 125.

[4] STEPHAN 2015a; STEPHAN 2017.

⦋6⦌ STEPHAN 2020, S. 135.

[7] BLÜBAUM/FISCHER 2011, S. 29

[8] HEUTGER 1968, S. 85.

[9] nach LETZNER: "Kürtze Beschreibüng des Fürstlichen Stiffts Und Closters Amelüngsborn" in GÖHMANN 1991, S. 17.

[10] BLOSS 1977, S. 7.

[11] BLOSS 1977, S. 82 e, 124.

[12] WENDT 1977, S. 6.

[13] STEPHAN 2010, S. 139.

[14] DBU 2018.

[15] STEPHAN/MYSZKA/WILKE 2018, S. 327.

[16] Klosterküster Ulrich Marx: Kleine Baugeschichte des Klosters Amelungsborn.

[17] WITTKOPP 2022, S. 103.

[18] MUCHA 2022, S. 103.