Objektgruppe Glas │ Glashütte "Bremer Wiese"

Klaus A.E. Weber

 

Fundbestand

04. August 2023

 

Hochmittelalterliches Kaliumglas

Verschiedenfarbige Glastropfen, Glasfäden und Glaskügelchen sind als Lesefunde die alleinigen, nicht völlig korrodierten mittelalterlichen Glasrelikte der Waldglashütte des späten 12. Jahrhunderts (um 1170).

So konnten bei den wiederholten Oberflächenbegehungen oder Mikroschürfungen am Standort der Waldglashütte über 410 überwiegend gut erhaltene tropfenförmige, ovale oder unregelmäßig ausgebildete Glastropfen, Glasfäden und Glaskügelchen aus Kalium-reichem Glas (Kaliumglas) [1] in unterschiedlicher Anzahl, Gestaltung, Größe und mit unterschiedlicher Färbung erfasst werden.

Glastropfen, Glasfäden und Glaskügelchen aus

  • hell- bis dunkelgrünem Glas

  • hell- bis dunkelblauem Glas

  • rot-braunem opakem Glas.

 

Mittelalterliche Waldglashütte

"Bremer Wiese"

spätes 12. Jahrhundert

Erste archäologische Zeugnisse

der Glashütte

März 2007

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Mittelalterliche Waldglashütte

"Bremer Wiese"

spätes 12. Jahrhundert

Vielzahl tropfenförmig,

oval oder unregelmäßig

ausgebildeter Glastropfen,

Glaskügelchen und Glasfäden

Kalium-reiches Holzascheglas [1]

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

So deuten die wahrscheinlich Vorproduktproben [2] des Rohglases aus Holzasche-Glas (Holzasche-Blei-Glas?) einerseits auf die Fertigung sakraler Fenstergläser hin, andererseits, dass es offenbar neben grünlich gefärbtem auch andersfarbiges Waldglas gab.

Es gelang allerdings nicht, oberflächennah die Endprodukte Fensterglas und/oder Hohlglas nachzuweisen.

 

Qualitative Untersuchung der hochmittelalterlichen Glastropfen

Eine Probe (P1) von drei unterschiedlich farbigen Glastropfen (1 rotbraun / 1 grün / 1 bläulich) aus dem Herstellungsprozess der mittelalterlichen Waldglashütte „Bremer Wiese“ konnten mit der zerstörungsfreien Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA-Handgerät) an der Technischen Universität Clausthal qualitativ untersucht werden.[4]

Alle drei hochmittelalterlichen Glastropfen waren hinsichtlich ihrer glasbildenden Hauptelemente Calcium-reich (Ca) und Kalium-arm (K) - im Verhältnis etwa 4-5:1.[5]

Die RFA-Ergebnisse weisen auf die Veraschung von Buchenstämmen mit Ästen und Zweigen bei der Herstellung des hochmittelalterlichen Glastyps Holzasche-Glas hin.

Bei BERGMANN [6] fand sich ein vergleichbar hohes CaO/K2O-Verhältnis von 4,19 bei der Analyse eines romanischen Glasscheibenfragmentes (hellgrünes Holzasche-Glas), welches bei Grabungen in der Krypta (um 1100) des Paderborner Doms (Fragment Pad 19) geborgen werden konnte.

Nach WEDEPOHL [7] wies frühmittelalterliches Holzasche-Glas ein höheres CaO/K2O-Verhältnis auf „als das spätere hochmittelalterliche, weil offenbar früh das Holz von Bäumen mit viel Zweigen verbrannt worden ist“.

Entgegen des anhand von Fundmaterial vermuteten Zusatzes von Blei bei der Glaserzeugung jn der Waldglashütte „Bremer Wiese“, konnte hier der Nachweis von Blei (Pb) nicht geführt werden.

Bei den Metallen, die für die Farbgebung eine Rolle spielen, ließen sich keine signifikanten Mengen nachweisen (alle < 1%).

Im rotbraunen und grünen Glastropfen waren vorherrschend Eisen (rund 1% Fe) und weit weniger Mangan (Mn) nachzuweisen.

Es ist zu vermuten, dass die Farbe mit den Wertigkeitsstufen zusammenhängt.

Der bläuliche Glastropfen enthielt etwas Zink (Zn) mit 1000-2000 ppm, Eisen (Fe) mit ca. 6000 ppm (vermutlich himmelblau färbendes zweiwertiges Eisen) und Mangan (Mn) mit ca. 1500 ppm, aber keine signifikanten Kobaltmengen (Co) mit < 200 ppm (Bereich der Nachweisgrenze).

Kupfer (Cu) war ebenfalls nicht nachweisbar.

 

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[1] Vorläufige Expertise von Dr. Detlef Wilke, Wennigsen, persönliche Mitteilung vom 17. Juli 2019.

[2] DBU 2018, S. 57.

[4] Qualitative RFA-Analyse vom 01. August 2023 durch den Diplom-Mineralogen Dr. Wilfried Ließmann, Institut für Endlagerforschung/FG Lagerstätten und Rohstoffe der Technischen Universität Clausthal. Zuvor Unterredungen am 22. November 2022 und 21. Juni 2023 mit Hinweis auf das norwegische Blaufarbenwerk Modum und die hessischen Blaufarbenwerke Carlshafen.

[5] Verhältnis von Calciumoxid (CaO) zu Kaliumoxid (K2O).

[6] BERGMANN 2008, S. 126, 130-131, Tab. 11, Zeile 7.

[7] WEDEPOHL 2012. S. 125.