Rieselbewässerung durch „Fleuen“│„Flößen“

Klaus A.E. Weber

 

Element der historischen Kulturlandschaft des Sollings

 

Hangbau-Bewässerung

Dezember 2020

überwachsener

"Fleuegraben"

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Im Hellental verbreitete Wiesenkultur

Im 19. Jahrhundert hat die Wiesenbewässerung eine enorme Verbreitung gefunden

Jede Fläche offener Wiesentäler im Solling, die einen landwirtschaftlichen Ertrag versprach, wurde in früheren Tagen als Wiese oder, wenn möglich und die Flächen nicht allzu feucht waren, zum Ackerbau genutzt.

Die Wiesentäler des Sollings wurden durch Gräben nicht nur entwässert, sondern auch in jahrhundertealter Tradition bewässert (berieselt), damit das Gras während seiner Wachstumsperiode früh über genügend Wasser verfügte.[6]

Dabei sollte die düngende Bewässerung möglichst eine ergiebige Futtergewinnung bzw. Ertragssteigerung erzielen.[1]

Durch das gestaute und gelenkte Bachwasser sollten die Wiesen im Frühjahr rascher vom Schnee befreit und zugleich mit den Schwebstoffen des Bachwassers gedüngt werden.[5]

Im „Sollinger Platt“ nannte man das Bewässerungssystem der geregelten, künstlichen Rieselbewässerung von Grünland (Wiesen)

  • „Fluien“

  • „Fleuen” (Fluten)

  • „Flößen”.

 

Bewässerungswiesen

mit ehemaligen

Bewässerungsgräben

über drei Stockwerke

Mai 2008

© [hmh, Foto/Grafik: Klaus A.E. Weber

 

Bewässerungswiesen

ehemalige "Fleuegraben"

Entwässerung in

die Helle

April 2006

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Tradition der Hangbau-Wiesenbewässerung

Wie vielerorts wurde früher auch im Hellental das Bewässern - „Fleuen“ genannt - von Hangwiesen mit Oberflächenwasser durch künstlich angelegte Gräben und Wehre betrieben.

Wenige Reste von ehemals künstlichen Rinnenstrukturen der wasserbaulichen Anlagen sind noch heute in der Kulturlandschaft des Hellentals erkennbar.

Das „Fleuen“ war eine ökologisch verträgliche Form der Landbewirtschaftung.

Bei der künstlichen Hangbewässerung wurde vormals während der Bewässerungsperiode Oberflächenwasser von einer möglichst hohen Stelle im Tal von einem Zuflussgraben aus über quer verlaufende Verteilungsgräben in Bewässerungsrinnen geleitet, die parallel zu den Höhenlinien streng horizontal angelegt waren.

Technische Bauwerke waren hierbei Wehre, Schieber und Gräben, die durch schwere Handarbeit regelmäßig gewartet und gesäubert wurden.

Der Betrieb der Bewässerungssysteme ergab oftmals Probleme, die nicht mehr nur durch Absprachen der einzelnen kleinbäuerlichen Wiesennutzer untereinander gelöst werden konnten.

Reste umfangreicher Kunst- oder Wässerwiesen befinden sich beispielsweise auch im südlichen Saarland, in der Nähe des Kurortes Weiskirchen.

Noch bis in die 1940er Jahre hinein erfolgte auch in Hellental die Flößwiesennutzung, wobei bei natürlicher Hängigkeit Wiesen mit Hilfe von Quell- und Bachwasser über ein ausgeklügeltes Grabensystem gewässert und zugleich mineralisch gedüngt wurden (Wässer- oder Rieselwiesen).

Insbesondere waren hierzu die feinerde- und schwebstoffreichen Frühjahrshochwässer der zahlreichen Hangquellen und des Wiesenbaches Helle geeignet.

In den östlichen Hangbereichen, wo die Überschwemmungen der Helle oder das Wasser der zahlreichen Quellbäche beider Talhänge nicht hingelangte, wurden zur Bewässerung und Düngung der schmalen Grünflächenstreifen mehrere quer zum Hang verlaufende Stauwerke mit Leitgräben („Fleue-Gräben“ oder „Fleu-Gräben“) mit wenig Gefälle angelegt.

Dort, wo es hydraulisch möglich war, wurde das Bachwasser hangwärts in die langgestreckten Leitgräben geleitet und mittels einer Reihe von Kerbungen in den kleinen Berieselungsgräben oder -rinnen („Flütten“) durch "Herabrieseln über die unten hängenden Wiesen vielfältig verteilt".[3]

Kleinere Dämme oder Buntsandsteinplatten dienten zum Umleiten des Wassers.

 

Ehemaliges Stauwehr

zum Umleiten des

Wassers aus

der Helle

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

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[1] Eine wissenschaftliche Untersuchung zur Wiesenbewässerung in Nordwestdeutschland findet sich bei HOPPE 2002.

[2] LICHTENHAHN 2005, S. 5.

[5] NHB 2020, S. 82.

[6] REDDERSEN 1934, S. 99.