Farbigkeit und Farblosigkeit historischer Gläser

Klaus A.E. Weber

 

Die Vielfalt der Farbtöne, in denen Glas hergestellt werden kann, gibt diesem Material neben seiner Transparenz einen besonderen Reiz.“[11]

 

Verschieden eingefäbte Glaskrüge

16./17. Jahrhundert

 Süddeutschland

Glasmuseum Hentrich

Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die Farbe eines Glases wird physikalisch durch die Wellenlänge des einfallenden Lichtes bestimmt.

Hierbei ist bei der Lichtundurchlässigkeit zwischen transparentem und opakem Glas zu unterscheiden.

Viele Ionen der Übergangsmetalle bilden in Silicatgläsern Komplexe unterschiedlicher Farbigkeit und Farbintensität aus.“[7]

Aktuelle Ausführungen zu wichtigen chemischen und pysikalischen Hintergründen der Fabigkeit und Opazität von Gläsern findern sich bei DRÜNERT/MÖNCKE/ZACHARIAS [12].

Physikalisch betrachtet kann aus dem Licht, welches durch ein farbiges Glas fällt, auf die Art der Zusätze und Verunreinigungen geschlossen werden.

Weiterhin können aus den vorliegenden Oxidationsstufen polyvalenter Ionen wie Fe2+ oder Fe3+ auch Informationen zu den Schmelzbedingungen während der Herstellung gewonnen werden.“[11]

Verunreinigungen der Glasrohmasse durch mineralische Komponenten im Quarzsand verursachten eine grünliche oder gelbliche bis hin auch leicht bräunliche Färbung des Glasendproduktes, die durch Metalloxidbeigaben zudem noch verstärkt werden konnten.

Das gezielte Färben der Glasmasse erfolgte durch Beifügung geringer Mengen von färbender Stoffen, insbesondere von Metall-Ionen bzw. Metalloxiden in der Glasschmelze.[6]

Die Art und Konzentration der Zusatzstoffe (Übergangsmetallionen) sowie auch die Temperatur und Verarbeitung entscheiden über die Farbe, welche die Rohmasse annimmt.[2]

Bis zur römischen Antike wurde Glas von seinen Ursprüngen an auch Rot gefärbt (opakrotes Glas u. a. Beimengung von Kupfer und Einhaltung bestimmter Schmelzbedingungen), wie es der bis heute einzigartige "Lykurgos-Becher" eindrucksvoll zeigt.[1]

 

Farbgläser

Glashütte Lamberts

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Cobaltblaues Glas

Cobaltblau ist ein sehr intensiver Farbkomplex von vierfach koordinierten Co2+-Ionen, der auch in sehr geringen Konzentrationen andere Farben zu überdecken vermag“, wobei vor allem Kupfer(II)ionen eine farbgebende Rolle spielen.[14]

 

Opak-rotes Glas - geheimnisvoll

Nur mit hohem handwerklichem Geschick und technologischem Wissen konnte opak-rotes Glas unter Verwendung von metallischem Kupfer hergestellt werden.

 

Färben der Glasmasse

Viele Ionen der Übergangsmetalle bilden in Silicatgläsern Komplexe unterschiedlicher Farbigkeit und Farbintensität aus.“[7]

Im Hinblick auf die Sensitivität des menschlichen Auges lassen sich in Verbindung mit der Ofentemperatur durch Zusatz gering dosierter Mengen von Metalloxiden (Übergangsmetalle) hauptsächlich nachweisen - bei mittelalterlichen Gläsern absichtlich hinzugegeben oder unwissend durch verunreinigt Rohstoffe [3]:

 

Farbgebende Metalloxide/Ionen Farbeindruck des Glases
   
Antimon und Blei opak-gelb
   
Blei gelb
   
Chrom(III)-oxid gelb-grün
   
Eisenoxide zahlreiche Mischfarben in Abhängigkeit von der Wertigkeit (Fe3+│Fe2+)
  grün-blaugrün, blassblau, braun-gelbs
   
Gold rubin- bis rosafarben
   
Gold und Zinnoxide Goldrubinglas
   
Cobalt(II, III)-oxid hell- bis leuchtend dunkelblau, schwarz
   
Kupfer - Kupferspezies grün, türkisfarben, blau
   Cu2+ türkisfarben
   Cu+ farblos
   Cu0 rote Kolloidbildung
   
Kupferoxide grün, weinrot
   
Kupferoxide und Gold rot (Rubinglas)
   
Manganoxide farblos, braun, violett bis rotviolett
   
Nickel olivgrün bis braun
   
Schwefel gelb
   
Selen hellrot, rosa- bis orangefarben
   
Silber zitronengelb
   
Zinnoxide weiß
   
Zinnoxid und Antimon opak-weiß (Milchglas)

 

Meistens wurden in Waldglashütten ein Farbgemenge nur in kleinen, topfähnlichen Glashäfen eingeschmolzen, um mit der so erzeugten farbigen Glasmasse Hohlglasgefäße zu veredeln - mit Faden- oder Randauflagen bei Trinkgläsern.[5]

Farbig völlig durchgefärbte Gläser sind in der Regel eher seltener anzutreffen.

Als Seltene Erden-Gläser werden jene modernen Kunst- und Gebrauchsgläser bezeichnet, die mittels Seltener Erden-Oxiden eingefärbt werden.

 

Kelchglas mit zwei rauchenden Männern

farbloses Glas mit Punkt-Gravierkunst

Dordrecht │ 1776

Rjiksmuseum Amsterdam

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Farbloses Glas durch Über-/Entfärben

In der Antike gelang es nach ECKMANN [7] bereits in 18. Dynastie der ägyptischen Hochkultur zurzeit von Tutanchamun (1. Hälfte 14. Jahrhundert v. Chr.) farbloses, durchsichtiges Glas herzustellen, wahrscheinlich unter Zusatz von Manganoxid (Braunstein).

Berühmt wurde das venezianisch Glas (Venedig-Murano) während des späten Mittelalters aufgrund seiner Dünnwandigkeit in Verbindung mit der Klarheit und Reinheit der farblosen Glasmasse ("Cristallo", "Cristallino"), die die muranesischen Glasmacher seit dem 15. Jahrhundert zu schmelzen verstanden.[9]

Vom 16. bis weit in das 17. Jahrhundert war die Glaskunst von Glas im veneziaischen Stil bestimmt.

Durch Zusätze von Glasmacherseifen, Kalk und Blei waren die Glasmachermeister bestrebt, farbloses Glas herzustellen.

Später sollten böhmische Glasmacher ebenfalls farbloses "weißes" Glas herstellen können - ein einst streng gehütetes Geheimnis.

Für die Verzierung mittels Schliff, Schnitt und Gravur zu Repräsentationzweckwn wurden in Böhmen neue Kristallglas-Sorten entwickelt.

Diese Kristallgläser waren völlig transparent und klar, trotz des dickwandigen Ausblasens.

Damit eignten sie sich im 18. Jahrhundert vor allem für den qualitativ hochwertigen, barocken Glasschnitt in Hofwerkstätten deutscher Residenzen.

"Durch Zusatz von Kalk und durch ein Überfärben (Entfärben) des Eisenoxydes mit Braunstein, später Nickel, Selen und Kobalt entstand rein weißes 'Kristallglas'", das als besseres Glas "durch Beimischung von Pottasche und Kalk, zumeist Marmormehl oder Baryt erschmolzen" wurde, wobei das Baryt dem Glas einen besseren Glanz gab.[8]

Durch den Schmelzzusatz von Blei konnte im 17. Jahrhundert das bekannte "Bleikristallglas" in England erzeugt werden.

"Die lichtbrechenden Eigenschaften dieses Glases und sein metallischer Glanz ließen es besonders für den Schliff geeignet erscheinen." [8]

In der Neuzeit wird farbloses Glas durch Zusatz geringer Mengen (Entfärberzusatz) erzeugt:

Die Farblosigkeit von kann auch durch extrem eisenarmen Quarzsand erreicht werden, wie auch durch den Zusatz von Asche mit relativ hohem, natürlichem Mangangehalt als Nebenbestandteil in einem bestimmten Mischungsverhältnis.[4]

SÜSSMUTH [10] bemerkt hierzu:

Um eine rein weiße Farbe des Glases zu bekommen, müssen die grünfärbenden Eisenoxyde und die gelbfärbenden Kohle- und Tonbestandteile, die in jedem Sande enthalten sind, überfärbt werden.

Das geschieht durch Beischmelzen von Selen, Nickel, Kobalt und Braunstein.

Bei Entfärbungen, wie das Überfärben in der Fachsprache genannt wird, ergeben sich leicht nachträgliche Verfärbungen des rein weißen Glases durch das Sonnenlicht.

Zu stark mit Braunstein überfärbte Gläser werden leicht gelb, mit Nickeloxyd und Selen überfärbte Gläser bekommen einen grauen oder schmutziggelben Stich.

Verfärbungen treten auch auf, wenn als Läuterungsmittel bei der Schmelze zuviel Arsenik beigemischt wird.“

 

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[1] KERSSENBROCK-KROSIGK 2001, S. 15-19.

[2] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 25-28.

[3] DRÜNERT/MÖNCKE/STEPPUHN 2022, S. 393.

[4] VOHN-FORTAGNE 2016, S. 190-193.

[5] TSCHIRR 2009, S. 9.

[6] FISCHER 2011, S. 13.

[7] Christian Eckmann, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie, Mainz │Vortrag am 23. November 2021 │ Museum für Archäologie Schloss Gottorf: Fit for a King │ Tutanchamuns "gläserne" Kissen, "himmlisches" Eisen und Bilder königlicher Macht.

[8] SÜSSMUTH (1950), S. 31.

[9] RICKE 1995, S. 78.

[10] SÜSSMUTH (1950), S. 75.

[11] DRÜNERT/MÖNCKE/ZACHARIAS 2022, S. 157.

[12] DRÜNERT/MÖNCKE/ZACHARIAS 2022, S. 157-166.

[13] DRÜNERT/MÖNCKE/ZACHARIAS 2022, S. 166.

[14] DRÜNERT/MÖNCKE/ZACHARIAS 2022, S. 160-161.