Naturheilkunde im Nationalsozialismus

Klaus A.E. Weber

Leitender Medizinaldirektor / Amtsarzt a. D.

 

Das Themenfeld der Naturheilkunde und der Volksmedizin in der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) ist eine eigene zeitkritische Betrachtung wert.

Verbunden mit der provozierenden Fragestellung:

Wie nationalsozialistisch war in jener terroristischen und mörderischen Zeit insbesondere die Naturheilkunde?

Hierzu sei an dieser Stelle nur so viel angemerkt:

Während der Endphase der Weimarer Republik (1919-1933) entstand eine massenhafte „Vertrauenskrise“ gegenüber der übermächtig gewordenen „Schulmedizin“.

Sie wurde nationalsozialistisch kritisiert als „jüdisch-marxistisch“ durchsetzt, als zu stark sozialmedizinisch orientiert.

Hitlers Gefolgsleute nutzten die „Krise der Medizin“ planvoll, widerstandslos eine gleichgeschaltete nationalsozialistische Gesundheitspolitik zu organisieren und eine „Neue Deutsche Heilkunde“ zu entwickeln.

Ohnehin stand der Nationalsozialismus der Naturheilkunde und der Volksmedizin von Beginn an positiv gegenüber.

Im „Dritten Reich“ sollte im Rahmen der gesundheitspolitischen Gleichschaltung die „Schulmedizin“ und die Naturheilkunde in einer konzeptionell angestrebten „Synthese“ zusammengefasst werden.

Dabei waren die populäre Kräutermedizin und die traditionelle Pflanzenheilkunde von zentraler Bedeutung in der nationalsozialistischen „Neuen Deutschen Heilkunde“.

Im Mai 1935 wurde in Nürnberg als Dachverband die „Reichsarbeitsgemeinschaft für eine Neue Deutsche Heilkunde“ gegründet, im gleichen Jahr als Zusammenschluss der Laienverbände die „Reichsarbeitsgemeinschaft der Verbände für naturgemäß Lebens- und Heilweisen“ sowie als weiterer Dachverband die „Reichsarbeitsgemeinschaft für Heilpflanzenkunde“.

Im Februar 1939 trat das Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung – das Heilpraktikergesetz - in Kraft.

Das Heilpraktikergesetz hat, wenn auch in veränderter Form, weiterhin Gültigkeit in der Bundesrepublik Deutschland.

Zur unabhängigen Arzneimittelversorgung wurden im Konzentrationslager Dachau Heilpflanzgärten angelegt.

Traditionen der Volksmedizin im Solling weiter nachzuspüren könnte auch mit der spannenden Frage verknüpft werden, welche Spuren und Auswirkungen die nationalsozialistisch ausgerichtete Naturheilkunde und Volksmedizin in der Solling-Region hinterlassen hat.