Gebrauchskeramik │ Irdenware und Steinzeug
Klaus A.E. Weber
Fundbestand
14. Januar 2023
Waldglashütte
"Oberes Hellental"
1. Drittel 17. Jahrhundert
gebrauchskeramischer Fragmente
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Im milchwirtschaftlichen Kontext:
Milchsatten (Rahmschüsseln)
Käseformen
Mehrere Bruchstücke von Spezialgefäßen irdener unglasierten Rahmschüsseln oder Käseformen (Bodenfragmente mit Löchern) erinnern an die vorindustrielle Milchverarbeitung bei wahrscheinlich landesherrlich erlaubter Viehwirtschaft auf der entlegenen, frühneuzeitlichen Glashütte im Solling.
Demnach wurde aus Rohmilch - wohl primär aus Kuhmilch, ggf. auch aus Milch vom Schaf oder von der Ziege - auf der entlegenen Waldglashütte im oberen Hellental zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Endprodukt Käse hergestellt.
Waldglashütte
"Oberes Hellental"
1. Drittel 17. Jahrhundert
Unglasiertes Bodenfragment
milchwirtschaftliche Irdenware
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Neben regional- und zeittypischen Hohlglasgefäßen ist scheibengedrehte, glasierte und bemalte Irdenware als Koch- und Tafelgeschirr, aber auch Steinzeugware zu erwähnen.
Neben glastechnischen Bodenfunden traten bei der nur orientierend erfolgten Untersuchung der Abfallhalde auch fragmentarisch erhaltene, gängige keramische Gebrauchsgegenstände zu Tage:
-
Bruchstücke irdener Haushaltsgefäße - Pottlandkeramik │ Duinger Steinzeug
-
Irdenware der landläufigen "Weser-Keramik"
-
der besonderen renaisancezeitlichen Werra-Keramik│Wanfrieder Irdenware.
Zur Alltagskultur der frühneuzeitlichen Hüttenbewohner im Solling zählte die in Töpferwerkstätten zwischen Weser und Leine in Keramikbrennöfen massenhaft hergestellte „Weserware“.
Insbesondere hervorzuheben sind dekorative irdene Teller, Grapen, Schüsseln und Henkelschalen der "Weserware" und der in den Jahrzehnten um 1600 hergestellten "Werra-Keramik".
Malhornware der Renaissance
Werra-Keramik │ Wanfrieder Irdenware
Die "Werra-Keramik" gilt als die bedeutendste und aufwändigste Irdenware in der Renaissance - mit Ritzverzierungen und teils qualitätsvoll ausgestalteten Zentralmotiven im Gefäßboden.
Fragmente hochwertiger scheibengedrehter, mahlhorndekorierter und innen bleiglasierter Teller oder Schüsseln der "Werra-Keramik" zeigen unterschiedliche ikonografische Hauptmotive, wobei ein gut erhaltenes Spiegelfragment mit dem Zentralmotiv eines Renaissancetracht tragenden Mannes besonders hervorsticht.
Am ehesten dürfte die "Werra-Keramik" durch den Fernhandel mit keramischen Erzeugnissen zu dem wohlhabenden Betreiber der abgelegenen Glashütte im Solling gelangt sein.
Der Erwerb und Besitz dieser "fremden Produkte" kann als ein Indikator für einen gehobenen sozialen Status gewertet werden.
Waldglashütte
"Oberes Hellental"
1. Drittel 17. Jahrhundert
Fragmente
scheibengedrehte "Werra-Keramik"
Mahlhornware einer
unbekannten Töpferwerkstatt
Durch Einritzen der Konturen
und vermutlich mit Pinsel
ausgeführte Schlickermalerei.
Das Gefäßbodenfragment (Bildmitte)
zeigt auf dem Fond als Zentralmotiv
einen renaissancezeitlich
gewandeten Mann
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Weser-Keramik
Die fachkeramische Rekonstruktion einer scheibengedrehten Schale der "Weserware" [4][5] zeigt innenseitig in Malhornbemalung ein geometrisches, alternierend gelbliches und dunkelbraunes Dekor auf rötlich-braunem Malgrund.
Zahlreiche Fragmente von Schalen/Tellern mit tyischem Malhorndekor der "Weserware" bedürfen noch der weiteren Untersuchung.
Als regionales irdenes Gebrauchsgut verhandelt, gelangte die Malhornware der Renaissance zu der entlegenen Waldglashütte im Solling.
Waldglashütte
"Oberes Hellental"
1. Drittel 17. Jahrhundert
Teller der polychromen "Weserware"
Mahlhornware
unbekannte Irdenwaretöpferei
restauriert und ergänzt
Die Wandung und der Gefäßboden
des Tellers zeigt in
polychromer Malhornverzierung
ein alternierendes, geometrisch
aufgebautes
gelbliches und dunkelbraunes Dekor
auf rötlich-braunem Untergrund
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Steinzeug
Eindeutig zuordenbar ist hochwertiges Steinzeug aus Duingen (Pottland):
-
einfache Salbtöpfchen/Apothekenabgabegefäße
-
Dose mit Knauf-Deckel
- Vorratsgefäße
Waldglashütte
"Oberes Hellental"
1. Drittel 17. Jahrhundert
Fragmente
Salbtöpfchen
Apothekenabgabegefäße
Duinger Steinzeug
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Hervorzuheben ist eine hellbraune Deckeldose aus Duinger Steinzeug (scheibengedrehte henkellose Dose und pilzförmiger Deckel mit Griffknauf aus dem Duinger Pottland) mit Rollrädchenverzierung auf der glasierten Oberfläche.
Ein vollständig erhaltenes Salbtöpfchen, wie auch die Boden- und Wandfragmente weiterer Salbtöpfchen, bestehen aus im Scherben hellem Duinger Steinzeug mit brauner Salzglasur auf der Außenseite.
Zudem traten Topfböden mit brauner Innenglasur auf.
Waldglashütte
"Oberes Hellental"
1. Drittel 17. Jahrhundert
Dose mit Knauf-Deckel
Duinger Steinzeug
restauriert und ergänzt
Die hellbraune, unbemalte
Keramikdose besitzt auf ihrer
glasierten Oberfläche
eine flächendeckende
Rollrädchenverzierung
© [hmh, Foto: Keramik Restaurierung Lüdtke
Waldglashütte
"Oberes Hellental"
1. Drittel 17. Jahrhundert
Deckelknauf
korrodiertes Fragment
⦰ 37 mm
sich nach oben verjüngende,
5 kreisrund abgedrehte Schleifen
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Irdenware weiterer Gefäßtypen
Daneben konnten bei den zahlreichen Fragmenten der Irdenware weitere Gefäßtypen von Alltagsgeschirr der renaissancezeitlichen Weserware nachgewiesen werden, wie
- Grapen (Dreibeingefäße), rollrädchenverziert, geometrisches Malhorndekor
- Pfannen mit Rohrgriff (Stiel-/Tüllenpfannen)
- Schüsseln / Teller
- Töpfe
Wo das Koch- und Tafelgeschirr im Einzelnen ursprünglich getöpfert wurde, ist nur teilweise nachvollziehbar.
_____________________________________________________________________
[1] Bad Münder: Sonderausstellung im Museum im Wettbergschen Adelshof vom 01. April - 19. August 2012.
[2] MEIER 2012b.
[3] STEPHAN 2012b.
[4] STEPHAN 2012b.
[5] STEPHAN 1987, S. 100-110.