Glashütte Ruhländer in Silberborn

Klaus A.E. Weber

 

„Konkurrenz jenseits der Grenzen“ um Sand und Steine

 

"Ober Glas Hütten Inspector" Thomas Ziesisch wendet sich an Herzog Carl I.

Anschaulich wird in den folgenden Auszügen aus einem 1744 erstellten Dokument [4], das der Silberborner Ortschronik [2] entnommen wurde, die wirtschaftliche „Konkurrenz jenseits der Grenzen“ im Hochsolling – zwischen dem Glashüttenstandort „Silberbrunn“ im hannoverschen Solling einerseits und den Glashütten "Zur Steinbeke" im Hellental und Schorborn im braunschweigischen Solling andererseits beschrieben [3] - ein gewisser politischer Konflikt zwischen den Ländern Braunschweig und Hannover.

Der Wolfenbütteler Kammerrat und "Ober Glas Hütten Inspector" Thomas Ziesisch hatte sich als Beauftragter des Braunschweiger Herzogs Carl I. in einem 16 Seiten umfassenden Schreiben über den Glasmachermeister Justus Ruhländer und einige seiner Hüttenleute beschwert:

"Dieser GlasMeister Ruhländer kam verwichenen Winter in meiner Abwesenheit auf die Steinbecker Glashütte, um einige GlasMacher zu capern, präparirte ein und anderes dazu, ritte weg, und kam nachmittags zurück bey der Hütten vorbey, riefe den Glasmachern, deren keiner heraus wollte, zu, er wolle etwas mit ihnen reden, geht darauf in des Verwalters Stube, verlanget zu Trinken, das ihm gegeben wird.

Endlich konnte er seine Jalousie (Anm.: Neid, Eifersucht) nicht länger cachiren (Anm.: verbergen, verstecken), sondern brach allerhand spöttisches Reden von der Glashütte und meine Person aus, auch daß sie neulich gehoffet hätten, der Teuffel würde mich auf meiner Reise geholet haben, aus.

Worauf ihm jemand sagt, er solle nicht so spöttisch raisoniren (Anm.: schimpfen), sondern wissen, daß er in einem herrschaftlichen Hause sey, fängt er an, diese irrespecteuse (Anm.: respektlose) Reden zu evomiren (Anm.: ausstoßen):

>Was herrschaftlich Hauß hin oder her! Der Herzog ist ja nichts mehr als ich auch, er ist jetzo ein GlasMeister, wie ich!<"

(…)

"Als ich nun selbstens wieder nach der Steinbecker Hütte kam, und solches erfahre, gebe dem Verwalter eine starke reprimade (Anm.: Verweis), daß er diesen Menschen, der den hohen Respect gegen Ihro Hochfürstl. Durchlaucht, meinen gnädigen Fürsten und Herren vergessen, nicht sogleich habe arrestieren lassen.

Indeßen schickte Ruhländer den 13. einen Glas-Macher, nahmens Sturm, von seiner Hütte nach Schorborn an mich, als ich dort eine praetension (Anm.: Amtsausübung) machte, dieser sagte mir unter anderem, der Glasermeister Ruhländer habe sich sagen lassen, ich wäre gegen ihn sehr irritiert und wisse er doch nicht warum, er wolle selber zu mir kommen und scheue sich gar nicht, mit mir auf der Steinbecker Hütte zu sprechen, er schriebe sich allezeit einen Freund von mir, worauf ich ihm antwortete, es wäre sein Glück, daß er seine Reden nicht in meiner Anwesenheit geführt hätte.

Es würde mir gantz angenehm sein, wenn er zu mir kommen wollte, ich verhoffte ihm Lehren zu geben, wie man von einem großen Herren mit allem Respect reden müsse, übrigens wäre mir an seiner Freundschaft ebensoviel wie an seiner Feindschaft gelegen.

Es hätte mir die Hüttenleute referirt (Anm.: berichtet), wie brutal er ihnen begegnet und bey Teuffel holen geschworen, es solle kein Stein von seiner Seite hierher verabfolget werden, ob denn dieser nichtswürdige Mensche nicht wisse, daß er alle alle Sandsteine zu seinen Öfen bisher gratis empfangen und bis dato seine Hütte mit dem auf meines Gnädigen Herren Territorio gegrabenen Sand bloß allein betrieben hätte, er würde durch seine schlechte conduite (Anm.: Benehmen) so viel verursachen, daß wir ihm das fernere Sandgraben, wenn er die geringste Schwierigkeit wegen der Steine, über welche er nichtmahl zu disponieren hätte, machen würde, verbieten müßten.

Da nun dieser Glasemacher reagierte, sein Herr Vetter weiß sowohl daß solches geschehen würde, er fragte nichts danach, er habe schon anderen Sand, indeßen hätte er ihm empfohlen, mir zu sagen, ich möchte nur nicht daran gedenken, einen faustgroßen Stein dorten weg zu bekommen, so hieß ich ihn fortgehen.

Am 14. schickte ich Leute zum Steinebrechen für die Schorhorner Hütte ins Hannoversche.

Dabei wurde meinen Leuten von dem gehenden Förster Meier eine Picke und eine Haue gepfändet, des Försters Bruder wolle nach Uslar reiten und Befehl zum Pfänden holen.

Ein Glasmacher von der Steinbecker Hütte (Anm.: diese Glasmacher wurden jetzt in Schorhorn beschäftigt) sagte mir unter anderem; es habe der Ruhländer sich erfrechet, ihm unter die Augen zu sagen, ihr sollt nun keine Steine haben, und wenn euer Hertzog sölbstens käme und solche wegführen wollte, ich ihn bald davonjage, laßt euch nur nicht mit euren Pferden blicken, ich will sie bald haben.

Darauf schickte den 17. die beiden herrschaftlichen Wagen mit 8 Pferden bespannt nach dem Neuen Hause (Anm.: Neuhaus im Solling), die gebrochenen Steine aufzuladen, mit ausdrücklicher Order, sich, wenn der Förster Meier würklich so impertinent sein würde, sich an den herrschaftlichen Pferden zu vergreifen, im geringsten nicht zu widersetzen, sondern ihm das von Rauschblatsche Original-Schreiben in welchem er das Steinebrechen und Abfahren erlaubt, vorzuzeigen.

Als nun die hiesigen Hütten Knechte die gebrochenen Steine auf zwey Wagen aufgeladen, und bey des Ruhländers Glasehütten vorbey fahren. kommt des Försters Meiers Bruder, und fällt ihnen in die Pferde, solche auszuspannen, die Knechte widersetzen sich anfänglich und presentieret der eine des Forstbeamten Schreiben, dem Jäger zu zeigen, der Ruhländer aber nimmt ihm solches aus der Hand mit den Worten:

>So, so, das ist gantz guth, der Brief ist guth für mich<, steckte ihn ein, und mochte der Knecht machen oder sagen was er wollte, so behielt er, Ruhländer das Schreiben, welches zu meiner Legimitation diente, sowelcher Weise ich deswegen und da keine Copia davon habe, solches unterthänig beyzulegen außer Stande bin, und nahm das vom Jäger ausgespannte Pferd, und führte es in seinen Stall.

Die Knechte fuhren daraufhin mit dem Reste fort, mußten aber, sobald sie auf dem hiesigen Territorio waren, etliche Steine abwerfen, und brachten die übrigen nach dem Schorborner Teiche.

Des Ruhländers Glasmacher sollen auch auf sein Zurufen bereits aus der Hütte gelaufen seyn, um dieseitige Knechte zu insurgieren (Anm.: reizen) einer aber determinirte (Anm.: begrenzte, beruhigte) sie, und ist groß Glücke, daß die dießseitigen Glasmachern mit ihren Instrumenten nicht dabey gewesen, es dürfte sonst ein Handgemenge gegeben haben …"

Die landesherrliche Kammer in Hannover habe daraufhin einige Wochen später von ihren Sollinger Beamten (Amt Uslar) einen Bericht über die "von Ruhländer angeblich ausgestoßene ungebührliche Reden gegen des Regirenden Herzogs Durchlaucht" angefordert, der jedoch nicht zustande gekommen sei.

Vom zuständigen Amt Uslar sei im November 1744 nach gründlicher Untersuchung der Vorgänge lediglich berichtet worden, der Glasermeister Justus Ruhländer sei am 15. Oktober 1744 "plötzlich Todes verblichen".

Neben seiner großen Familie als "aller Unglückseligste und Erbarmungswürdige Armseligste Leute" und der Hüttenbelegschaft hinterließ Ruhländer offenbar eine hoch verschuldete Glashütte.[2]

Trotz Vertragsverlängerung wurde wegen des zunehmenden Holzverbrauchs und der erschwerten Anfuhr des Buchenholzes zur Ofenbefeuerung und Pottachengewinnung schließlich die Glashütte am Dasselschen Mittelberg eingestellt - mit Entscheidung vom 24. Februar 1748.[1]

 

Glas- und Heimatmuseum

Silberborn

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

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[1] nach Angaben des Glas- und Heimatmuseums Silberborn.

[2] BRODHAGE/MÜLLER 1996, S. 24-27.

[3] BLOSS 1977, S. 63, 119-120.

[4] Han 74 Uslar 419: Verhandlungen der von der braunschw. Seite am Dasselschen Mittelberg gebrochene Steine 1744.