Glas im frühislamischen Kulturkreis

Klaus A.E. Weber

 

Hochstehender und einheitlicher Formenreichtum

Vielfalt der Veredelungstechniken - Der römischen Glaskunst ebenbürtig

 

Mittelalterliche islamische Flaschen │ Naher Osten, Iran

10.-12. Jh. n. Chr.

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Der glaskulturelle Prozess im neupersischen Reich der Sassaniden wurde nicht durch die Eroberung des Nahen Ostens durch Heere muslimischer Araber (Islamische Expansion) um die Mitte des 7. Jahrhunderts (651 n. Chr.) unterbrochen, die es die Araber geschickt verstanden, sich die vorgefundenen technischen Kunstfertigkeiten anzueignen und vielfach römisch-byzantinische und sassanidische Vorbilder nachzuahmen.

Dadurch konnte die Entwicklung der Glaskunst während der Entstehung der islamischen Reiche eine ungebrochene Kontinuität erfahren und sich spätantik eigenständig in der höfischen Kultur ein islamisches Form- und Dekorverständnis herausbilden [1] und mittels älterer Glasschliffverfahren Glasschnitt und Gravur zu entwickeln.

Ohnehin hatte sich mit dem Niedergang des Römischen Reiches die Glaskunst nach Osten verlagert und die Parther-Reiche und persischen Sassaniden neue Glasgefäßformen auf der Basis alter Kulturtechniken entwickelt.

Für die wissenschaftliche Bestimmung der Entstehungszeit islamischer Gläser ist nach wie vor nur für ein Zeitraum von zwei Jahrhunderten die Norm.[1]

 

Mittelalterliche islamische Flaschen (teils mit Tellermündung) und Kanne │ vermutl. Iran

8./9.-10. Jh. n. Chr. [5]

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Nach RICKE haben viele der Glastypen, die sich "in den alten Glaszentren der Mittelmeerküste und an Euphrat und Tigris als ausgeprägt islamische Gefäße herausbildeten, ... unmittelbare Vorläufer in der sassanidischen Glaskunst".[2]

Hierfür sind die orientalischen Öllampen charakteristisch, wie zugleich auch die Duftwassersprenggefäße (Duftwassersprinkler - Omom), welche im Osten bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlich blieben.[2]

 

Öllampe │ Naher Osten

9.-10. Jh.

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Ziergefäß in Form einer mittelalterlichen Moscheeampel

Venedig │ um 1500 [3][9]

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Nach islamischer Mystik

 

Sprenkler für destilliertes Rosenwasser, assoziiert mit göttlicher Reinheit

Exportgut [10]

 

 

Duftwassersprenkler - Omom │ Naher Osten, verm. Iran oder Irak

7.-9. Jh. n. Chr. [4]

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Duftwasserprenkler - Omom │ Naher Osten

verm. 10.-12. Jh. n. Chr. [7]

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Elegant geschwungener blauer persischer Rosenwassersprengler

Iran, Shiraz │19. Jh. [8]

Jugendstil-Vase in Form eines Rosenwassersprenglers

Louis C. Tiffany, New York, USA │ ~ 1900

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Nach RICKE ist das mittelalterliche islamische Glas aus persischen und irakischen Werkstätten an "Formenreichtum und Vielfalt der Veredelungstechniken durchaus dem römischen ebenbürtig".[2]

Dies gilt wohl auch für die Häufigkeit der Verwendung von frei oder optisch geblasenen Gebrauchgsgefäßen im Haushalt wie auch für besonders aufwändig gestaltete, hochrangiger höfischer Luxusgläser mit typischer Betonung des ornamentalen Dekors (fortgeschrittene Ziertechniken mit Diamantriß und Schliff):[2]

  • Flaschen

  • Kannen

  • Näpfe

  • Becher

  • Glasteller

 

Islamische Gläser als hochgeschätzte Kostbarkeiten

 

Becher oder Lampen mit Emailmalerei, Syrien (Damaskus oder Aleppo?)

Ende 13. / Anfang 14. Jh. n. Chr. [6]

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

Islamisches Goldemailglas („Aleppo-Becher“)

Syrien (Aleppo) oder Ägypten

2. Hälfte 13. Jh.

Hessisches Landesmuseum Kassel

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Kanne │ Iran ?

7.-9. Jh. n. Chr.

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Als Endpunkt der islamischen Glaskunst gelten die mit Gold- und Emailmalerei dekorierten Gefäße (Goldemailgläser) des 13./14.Jahrhunderts aus syrischen Zentren (Aleppo, Damaskus), die ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für die westliche Glaskunst in Europa werden sollten.[2]

Der Mongolen- oder Tatarensturm im 13. Jahrhundert mit Eroberung, Plünderung und Verwüstung der Metropolen des Vorderen Orients beendete die blühende islamische Kultur des frühen und hohen Mittelalters.

In der Folgezeit sollte schließlich im westlichen Europa Venedig als führende Handelsmacht im Mittelmeer das Erbe der syrischen Glaskunst antreten.

 

Schale │ Iran oder Syrien

10.-12. Jh. n. Chr.

Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

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[1] Dauerausstellung Glasmuseum Hentrich im Museum Kunstpalast, Düsseldorf.

[2] RICKE 1995, S. 39-40.

[3] RICKE 1995, S. 79 (124).

[4] RICKE 1995, S. 41 (54).

[5] RICKE 1995, S. 42 (55), 45 (65).

[6] RICKE 1995, S. 51 (81, 82).

[7] RICKE 1995, S. 49 (78).

[8] RICKE 1995, S. 135 (214).

[9] KRAMER 2018b, S. 26 (4).

[10] BUNDESKUNSTHALLE 2014, S. 114.