Römische Glaskunst im Rheinland
Klaus A.E. Weber
Kölner Schnörkel │ Kölner Schlangenfadengläser │ Muschelpokale
Prachtgläser mit Fadenschmuck, Bemalung und plastischem Dekor [11]
Zweite Hälfte 2. Jahrhundert bis erste Hälfte 3. Jahrhundert
Mit kunstvollen Applikationen heißer Glasfäden auf der transparenten Glaswandung wurden gegen Mitte des 2. Jahrhunderts in Köln dekorative "Schlangenfadengläser" von besonderer Qualität, unterschiedlicher Größ und unterschiedlich ausgeführtem Schlagenfadendekor kreativ gestaltet:
- transparente Glasfäden auf transparentem Glas
- opakfarbene, selten vergoldete transparente Glasfäden auf transparentem Glas
Ursprünglich entwickelt wurde das Schlangenfadendekor in der Mitte des 2. Jahrhunderts im östlichen Mittelmeerraum, wahrscheinlich in Syrien.
Schlangenfadenflasche
Römisches Reich
Östl. Mittelmeergebiet
Syrien
1. Hälfte 3. Jahrhundert v. Chr.
Glasmuseum Hentrich
Museum Kunstpalast Düsseldorf [53]
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts wurde die Herstellung der kunstvollen Schlangenfadengläser in einer Kölner Werkstatt übernommen - mit einem Höhepunkt der innovativen und experimentierfreudigen Produktion während der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts.
Außerhalb von Köln konnten im Verlauf der Agrippa-Straße (Zülpich) in einem römerzeitlichen Steinsarkophag aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. auch gut erhaltene Glasobjekte (wahrscheinlich Kölner Werkstätten) geborgen werden.[56]
Hierzu zählen
- eine Griffschale in Form einer Henkelschale mit "Kölner Schnörkel" aus opaken weißen und blauen Glasfäden
- drei zylindrische Parfümfläschchen mit kleinen Delphin-Henkeln
- ein kleines, kugeliges Glasfläschchen mit eingeritzter Umschrift "Utere Felix" am Halsansatz
Beispiele eigenwilliger. exquisiter Kölner Prachtgläser mit Schlangenfadendekor ("Schlangenfadengläser") und Muschelpokale (Grabbeigaben) [1] [11]
Farbig verzierter "Muschelpokal"
um 200 n. Chr. [30]
schlanker Becher mit
Tellerfuß aus farblosem Glas
Schlagenfadendekor
und Muschelkorb
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Das "Meisterstück"
spätes 2. Jahrhundert [31]
linsenförmige Flasche
mit Henkeln auf Tellerfuß
farbloses Glas
kostbares Schaugefäß mit Eichenblatt- und Girlandendekor
Römisch-Germanisches Museum Köln
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Taubenhaus-Parfümbehälter
Singuläre, plastisch dekorierte
"Taubenflasche"
spätes 2. Jahrhundert
Taube als Symbolfigur der Venus [30]
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Gläser mit Bemalung [10][39]
1. Jahrhundert - 4. Jahrhundert
Bemalte Glasgefäße waren Luxusartikel und auch Grabbeigaben von der frühen Kaiserzeit bis in die Spätantike.
- "Zirkus-Becher": formgeblasene Glasschale mit Emaillemalerei - 2.-3. Jahrhundert n. Chr. [37]
- Becher mit Theaterszene - Syrien oder Palästina, um 50-100 n. Chr. [39]
- Glas mit Emaillemalerei: Figuren von Boxern und Gladiatoren - Vindolanda, 1. Jahrhundert n. Chr. [42]
- Blassgrüner, durchsichtiger Glasbecher mit gemalter Girlande - 4. Jahrhundert n. Chr. [46]
- Kölner "Achillespokal" mit Emaillemalerei - 1. Hälfte 3. Jahrhundert n. Chr.
Der hohe Kölner "Achillespokal"
1. Hälfte 3. Jahrhundert n. Chr.
mit Knotenstengel
und Tellerfuß aus farblosem Glas [10]
Emaillemalerei mit dem zentralen
griechischen Mythos von der
Entlarvung des jungen Achilles
unter den Töchtern des
Lykomedes in dessen Palast
auf Skyros
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Nuppengläser und der Kölner "Schneckenbecher" [32][33]
Letztes Drittel 3. Jahrhundert - mittleres Drittel 4. Jahrhundert
Seit dem letzten Drittel des 3. Jahrhunderts gibt es unterschiedlich dekorierte Nuppengläser, teils auffällig mit "expressiven leuchtenden Dekor".
Nuppengläser sollten Edelsteineinlagen in Metallgefäßen nachahmen, in dem bunte Glastropfen oder knopfförmig gerollte Glasfäden durchsichtigen Hohlgläsern aufgelegt wurden.[57]
Dabei wurden ausschließlich Schank- und Trinkgefäße mit verschiedenfarbigen, größeren und kleineren Nuppen verziert - mit einer hauptsächlichen Gebrauchszeit im 4. Jahrhundert:
-
Nuppenbecher
-
Nuppenflaschen
-
Nuppenschalen
-
Nuppentrinkhörner
Der singuläre Kölner "Schneckenbecher" steht mit seinem Dekor in der Tradition der Schlagenfaden- und Nuppengläser und wird in das mittlere Drittel des 4. Jahrhunderts datiert.
Nuppenbecher
Köln?
4. Jahrhundert n. Chr.
Glasmuseum Hentrich
Museum Kunstpalast │ Düsseldorf
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Nuppenbecher
Rheinland-Pfalz
4. Jahrhundert n. Chr.
Römisch-Germanisches
Zentralmuseum Mainz
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Die Konchylenbecher - Vom Delphinbecher zum Rüsselbecher [9]
Erste Hälfte 4. Jahrhundert
Die Konchylienbecher sind mit farbig dekorierten, plastischen Meerestieren gestaltete Glasbecher (erste Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr.).
Sie gelten einerseits als ein Höhepunkt der Glasgestaltung während der späteren Kaiserzeit, andererseits als Spezialität rheinischer Glashütten.[52]
Dabei kann der Kölner "Delphinbecher" als spätantikes "Vorbild" für die fränkischen Rüsselbecher angesehen werden, die vermuten lassen, dass die Franken das römische Handwerk der Glasherstellung ungebrochen weiterführten.
"Delphinbecher" (Konchylienbecher)
Köln
4. Jahrhundert [4][9]
Farbloses Glas mit dunkelblauen
Aufsätzen und geblasenen Auflagen
zwei Reihen kleiner Delphine
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Diatretbecher │ dekorativer "Käfig"
Unüberbietbare Perfektion und zerbrechlicher Höhepunkt antiker Glaskunst [5][8][45]
250 - 4. Jahrhundert
Die "Diatrete" - Netzgläser - bilden als besondere Prachtgefäße und teuerste Glasgattung der Spätantike den Höhepunkt antiker-römischer Glaskunst.[52]
Die römischen Diatretgläser erlangten um 250 n. Chr. bis hin zum 4. Jahrhundert n. Chr. demonstrative Bekanntheit als besonderes, teures Luxusgut (Lampe│Trinkgefäß). [45]
Neben anderen Diatretgläsern gilt der zarte, glasklare Diatretbecher (Diatreton) aus einem spätrömischen Grab (4. Jahrhundert n. Chr.) in Köln-Braunsfeld als das einzige weltweit gut erhaltene dreifarbige Netzdiatret mit Farbübergang in den Glasflussstegen - zarter grüner Netzkorb, gelber Kragen - und Schriftzug in purpurnen Buchstaben unterhalb der Mündung in altgriechischer Sprache für den Verwendungszweck (Trinkspruch):[8]
ΠΙΕ ΖΗCΑΙC ΚΑΛѠC ΑΕΙ (= PIE ZESAIS KALOS AEI)
„Trinke, lebe schön immerdar“
„Köln-Braunsfelder Diatret“
spätrömisches Prachtgefäß [5][8]
Dreifarbiger Diatretbecher
4. Jahrhundert n. Chr.
mit zartem grünem Netzkorb,
gelbem Kragen
griechischer Trinkspruch
in purpurnen Buchstaben
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Spätrömisches Diatretglas: In Frankreich ausgegraben – in Mainz von Spezialisten am Römisch-Germanischen Zentralmuseum, Leibniz Forschungsinstitut für Archäologie (RGZM) restauriert.
Als noch rarer als die Netz-Diatrete gelten jene, deren Außenschale vollständig oder teilweise figürlich geschliffen wurde (Figurendiatret).[29]
Fragment eines wohl unfertig
gebliebenen Figurendiatrets [29]
Schulterbild "Dionysos und Panther"
blaues Glas
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Hinzuweisen ist auch auf das teure römische Luxusgut eines
- Diatretglases mit der Abbildung des Todes des mystischen Königs Lycurgus ("Lycurgus-Glas" als dichroitisches Glas) aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. [44]
- Diatretglases mit metallenen Fassungen an der Basis (Glas und Kupferlegierung), eher Lampe als Trinkgefäß - Deutschland, 300-325 n. Chr. [45]
Schliffglas [19]
1. Jahrhundert - 4. Jahrhundert
Dekorierte Glasgefäße mit reliefierter Wandung durch Abtragen der Glasoberfläche wurden gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. modern:
-
Gläser mit "gerissenem Dekor"
-
Hochschliff - Weinvorratsgefäße Amphora und Skyphos, dionysche Trinkbecher, Schliffkantharos, Schliffschalen, Glastabletts
-
Furchen-, Facetten- und Tiefschliff (1.-4. Jahrhundert n. Chr.) - Tischgeschirr für Trinkgelage, einschl. Becher und Zylinderflaschen
-
Gläser mit Schnitt
-
Gläser mit Gravur
Flache Trinkschalen mit eingeschliffenen, spätantiken Bildern
griechisch-mythologische Götterwelt und frühchristliche Motive
Prunkvolle spätantike "Zirkusschale"
mit Tiefschnittdekor
Mithraskult:
Sonnengott Sol im Zentrum [18][19][35]
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Schale "Dionysos
als Gott des Weines
mit Pan und Silen (Seilenos)"
2. Drittel 4. Jahrhundert n. Chr.
Römisch-Germanisches
Zentralmuseum Mainz
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Schale "Opfer Abrahams"
2. Viertel 4. Jahrhundert n. Chr.
Römisch-Germanisches
Zentralmuseum Mainz
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
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[1] KRUEGER 2022 zu Muschelflaschen in Antike und Neuzeit.
[4] SCHLOSSER 1977, S. 51 (Abb. 42).
[5] SCHLOSSER 1977, S. 33 (Abb. II.).
[8] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 62, 129-130 Abb., 131.
[9] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 126-128 Abb.
[10] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 117, 118-119 Abb., 120-121.
[11] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 104-116.
[18] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 60-61.
[19] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 132-138.
[29] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 131 Abb.
[30] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 113-114 Abb., 115.
[31] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 107, 108 Abb., 110-111.
[32] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 121-123.
[33] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 124, 125 Abb., 126.
[35] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 143 Abb., 144.
[37] CAMPBELL 2018, S. 161.
[38] CAMPBELL 2018, S. 166-167.
[39] CAMPBELL 2018, S. 168-169.
[41] CAMPBELL 2018, S. 174.
[42] CAMPBELL 2018, S. 187.
[44] CAMPBELL 2018, S. 249.
[45] CAMPBELL 2018, S. 254-255.
[46] CAMPBELL 2018, S. 258-259.
[52] RICKE 1995, S. 20-35.
[53] RICKE 1995, S. 31 (33).
[56] KRAMER 2018c, S. 44-45 (Abb. 4-6).
[57] TSCHIRR 2009, S. 22.