Protoindustrielle Glashüttenanlage
Klaus A.E. Weber
1746 - Übersiedlung von Hellentaler Glasmacher nach Schorborn
Herzoglich angelockt mit neuen "Laborantenhäusern"
Ausgehend von der um 1715 im Hellental gegründeten "Steinbeker Glashütte" [1], wurde durch deren Ankauf von Herzog Carl I. (1713-1780) von Braunschweig-Wolfenbüttel 1744 am Schorbornsteich [11] eine fürstliche Hohl- und Tafelglashütte unter landesherrlicher Administration errichtet.
Wie die genealogischen Forschungsergebnisse zum Hellentaler Ortsfamilienbuch belegen [29], verschwinden „wie abgeschnitten” ab 1745 die ursprünglichen, traditionellen Glasmachernamen aus dem Kirchenbuch Heinade.
Daher ist davon auszugehen, dass die Übersiedlung der Glasmacher mit ihren Familien in die neuen, bezugsfertigen "Laborantenhäuser" in Schorborn zu Anfang des Jahres 1746 erfolgt sein könnte.
Das Kirchenbuch "bei der Fürstlichen Glaßhütte bei den Schorborner Teich" beginnt mit einem ersten Eintrag am 09. Februar 1746.[8]
Soweit die alten Hüttenarbeiter nicht auf der Glashütte in Hellental verblieben, übersiedelten sie Anfang 1746 nach Schorborn [5][45], so dass ab 1746 sie dann zum großen Teil im ersten Kirchenbuch von Schorborn wieder zu finden sind, wie u. a. Stender, Seitz, Kaufhold, Schlieker.
▷ Hierzu wird auf das Ortsfamilienbuch "Schorborn mit Schießhaus" von NÄGELER vom November 2013 verwiesen.
"Schorborn Glas Hütte" um 1745
Parallelbetrieb mit der Steinbeker Glashütte im Hellental
Schorborn liegt etwa 4 km von Hellental entfernt am Nordrand des Sollings an der Quelle des Beverbaches.
Bislang erstmals kartografisch fassbar wird die fürstlich-braunschweigische Glasmanufaktur Schorborn in der Forstkarte "Geometrischer Grundriss Der Merxhäuser-Forst - Wie selbiger in Anno 1745 aufgenommen worden von Ludwig August Müller".
Der Ausschnitt aus der Merxhäuser Forstkarte belegt im "Der Erste Haupt Theil" mit den Forstabteilungen IV und V südwestlich von Deensen den Glashüttenstandort durch Gebäudesignaturen und den Namenszug "Schorborn Glas Hütte".[3]
Zudem dokumentiert der "Geometrische Grundriss Der Merxhäuser-Forst" des Jahres 1745 zugleich auch den zumindest noch um 1744 bestehenden "Parallelbetrieb" der Steinbeker Glashütte "Hölthal Glas Hütte" und der Schorborner Glashütte "Schorborn Glas Hütte" im braunschweigischen Solling.[3]
⊚ Zum Anklicken
"Schorborn Glas Hütte" und "Hölthal Glas Hütte" │ 1745
"Geometrischer Grundriss Der Merxhäuser-Forst
Wie selbiger in Anno 1745 aufgenommen worden von Ludwig August Müller".
NLA WO, 4 Alt 10 XIV Nr. 2 │ Ausschnitt 3 Karte Bl. 2 Teil 2
Bis Mitte März 1744 soll der Glasofen "im Hellenthal" schließlich noch "für Ihro Hochfürstl. Durchlaucht Rechnung geführt" und anschließend die Glasproduktion am Schorbornsteich mit "Hellenthaler Fabrikanten" und deren mitgebrachten Hüttenequipment aufgenommen worden sein.
Glashüttenanlage um 1768
mit 32 Feuerstellen
Protoindustrielle Dorfanlage von Schorborn mit 32 Feuerstellen │ 1768
Auszug aus der Karte des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel (1763-1775)
von Johann Heinrich Daniel Gerlach [14] │ NLA WO, K 3 Blatt 5
Glashütte Schorborn im frühen 19. Jahrhundert
Rund 60 Jahre nach der Betriebsaufnahme der Fürstlichen Hohl- und Tafelglashütte werden die Glasmanufaktur und das Dorf Schorborn im Amt Allersheim in der Beschreibung, die „Sr. Herzoglichen Durchlaucht Herrn Karl Wilhelm Ferdinand regierendem Herzoge zu Braunschweig=Lüneburg unterthänigst gewidmet“ ist, geographisch-statistisch von HASSEL/BEGE 1802 [42] und 1803 [43] dargestellt.⦋55⦌
1802
„Die Glashütte zu Schorborn, auf der Spitze des Sollings und am Mühlenteiche, nicht weit von Deensen, ist nach Eingehen der grünen Glashütte von Hellenthal zwischen 1747 und 1748 von dem Kammerrathe Ziesisch angelegt.
Sie besteht aus dem Hütten= und Magazingebäude, und liefert weisses Hohlglas, chemische und physische Instrumente von allen Sorten (unter andern auch die Parkersche Lebensluftmaschine) vergoldet, bemalt, schön geschnitten und geschliffen.
Der Sand wird von Lenne, und die Potasche von Boffzen, Holzminden und Bevern geholt.
Zu den an derselben stehenden 21 Glasarbeitern gehören
4 Fertigmacher,
2 Vorbläser,
4 Ballotmacher,
2 Einträger,
2 Schürer,
1 Holzschieber,
1 Kistenmacher,
1 Formenmacher,
1 Tischler,
1 Glaseinfasserinn,
1 Thonstampfer und
1 Pfeifenschmid,
der unter der Aufsicht des Administrators und eines Faktors stehen.
Zur Zubereitung der Hüttenmaterialien ist eine nahe dabei liegende Poch= und Stampfmühle bestimmt.“
1803
„Schorborn, ein Hüttenort auf einer nördlichen Spitze des Sollings und am Mühlenteiche nahe bei Deensen und 1 ¼ St. [Stunde] von Allersheim im Osten mit Betsaal und Schule, die das Hüttengericht besetzt, 35 Feuerstellen und 235 Einw. [Einwohner*innen].
Er ist nach Deensen eingepfarrt.
In der Mitte des Ortes steht im Thale eine Glashütte mit ihren verschiedenen Gebäuden, die, als die grüne Hütte zum Hellenthale wegen Mangel an Holze einging, seit 1747 und 1748 durch den Kammerath Ziesich vorgerichtet ist.
Sie besteht aus dem Hüttengebäude, worin verschiedene Stuben für die Arbeiter, Glasschleifer, Schneider, Schmiede ϰ [usw.], und aus dem nahe dabei gelegenen Magazingebäude.
Um den Mühlenteich her sind vor und hinter demselben am Eingange in das Thal und an beiden Seiten der dasselbe einfassenden Anhöhen die verschiedenen nur 1 Stock hohen Wohnhäuser der Fabrikanten und Hüttenbedienten angebauet.
In der Wohnung des Administrators ist ein Betsaal zum Gebrauche der Hütten eingerichtet, worin alle 14 Tage Gottesdienst gehalten wird.
Sie liefert nur weißes Hohlglas. (…)
Außer den Glasfabrikanten zählt man hier 21 Professionisten, Schneider, Schuster ϰ [usw.].
Im Norden des Ortes entspringt die Bever in dem bewölbten Schorborn oder Schorfborn, einen Brunnen, wovon der Ort seinen Namen hat.
Unmittelbar unter dem Brunnen liegt ein Teich, der eine Privat=Mahlmühle mit Mahl= und Oehlgange und die zur Zubereitung der Hüttenmaterialien allein bestimmte Poch= und Stampfmühle treibt.
Beide sind herrschaftlich.“
1826
Um 1826 werden an der Schorborner Glasmanufaktur Glasschleifmühlen betrieben, "welche sich durch geschmackvolle Arbeiten jeder Art auszeichnen".[44]
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[1] WEBER 2012/4, S. 15-24.
[5] ALMELING 2006, S. 108 Abb. 89.
[8] CASEMIR/OHAINSKI 2007, S. 188-189.
[11] Schorbornsteich = alter Fischteich, vormals Forellenteich des Klosters Amelungsborn; wie viele andere Nachbarorte war auch der alte Ort Schorborn („Scorenburnen“) im Mittelalter wüst geworden; bei der um 1744 folgenden Neugründung der Siedlung bestand keine Feldmark mehr.
[14] ARNOLDT/CASEMIR/OHAINSKI 2006, Blattschnitt 15.
[29] NÄGELER/WEBER 2004.
[43] HASSEL/BEGE 1803, S. 332-333 (8.).
[44] OHLMS 2006, S. 17.
[45] BLOSS 1950a, S. 17.
⦋55⦌ GÖHMANN 1991, S. 78.