Keramikrestauratorische Glashafenrekonstruktion
Klaus A.E. Weber
Technische Keramik zur Glasschmelze
Mittelalterliche Waldglashütte
"Bremer Wiese"
spätes 12. Jahrhundert
Glashafenfragment
mit Standboden und
aufsteigender Wandung
Fundsituation
Ackerfläche
Oktober 2004
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
Glasarchäologisch spektakulär war für das Hellental im Jahr 2005 die Bergung zweier hellgrauer leicht verzogener, konischer Hafentonscherben auf dem Standort der mittelalterlichen Glashütte "Bremer Wiese" des späten 12. Jahrhunderts (um 1170) im unteren Hellental.[6][7]
Mittelalterliche Waldglashütte
"Bremer Wiese"
spätes 12. Jahrhundert
Zwei hellgraue leicht verzogene,
konische Hafentonscherben
© Foto: Keramik Restaurierung Lüdtke
Topfförmiger Glashafen
Die größere der beiden Hafenscherben bestand aus dem Standboden mit flacher, relativ breiter, kreisförmiger Grundfläche und schrägem Wandungsansatz mit nach innen abgestrichener Randlippe
-
Höhe max.: 8,3 cm │ Breite max.: 16,0 cm │ Wandungsstärke: 2,7 – 3,1 cm │ Bodenstärke: 0,6 – 1,5 cm
- korrosive Vertiefungen mit erstarrtem, schwach verfestigtem bläulich-grünem Glasfluss (vermutlich (Reste von Bleiglas?):
Das zweite passgenaue Hafenfragment mit glasurartigem Flecken entsprach der glatten, konischen, ungegliederten Wandung des Glashafens:
- Höhe max.: 11,2 cm │ Breite max.: 12,1 cm │ Wandungsstärke: 1,4 – 2,5 cm.
Vitrinen-Prunkstück des Historischen Museums Hellental
Im September 2006 gelang in einer Restaurierungswerkstatt für Keramik [1] die fachgerechte Rekonstruktion des topfförmigen Glasschmelztiegels aus einer freihandgeformten Feuerfestkeramik.[2]
Die keramikrestauratorische Rekonstruktion ergab einen kleinformatigen, leicht asymmetrisch verformten, ungewöhnlich dünnwandigen Glashafen von hellgrauer Scherbenfarbe:
-
Höhe: 19,0 – 19,5 cm
-
Mündungsdurchmesser: 25,5 – 26,5 cm
-
ausgeprägter Standboden │ Fußdurchmesser: 18,0 cm │ Bodenstärke: 0,6 – 1,5 cm mit korrosiven Vertiefungen, teilweise mit erstarrten bläulich-grünen Glasanhaftungen │ den Ofenflammen und dem Druck der aggressiven flüssigen Glasmasse besonders ausgesetzt
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konische Tiegelwand │ mit innenseitiger Glasanhaftung (Glasurfleck) │ Höhe: 19,0 – 19,5 cm │ Wandungsstärke: 2,7 – 3,1 cm
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Abschlusskante, asymmetrische Mündung
Das errechnete Füllvolumen beträgt etwa 4 Liter, was einem Fassungsvermögen von etwa 10 kg erschmolzener Glasmasse entsprechen dürfte.[3][4]
Das Format und Fassungsvermögen des mittelalterlichen Hellentaler Schmelzgefäßes ist damit deutlich kleiner dimensioniert als die charakteristischen, im Volumen weiter zunehmenden Großglashäfen des 16.-18. Jahrhunderts aus Großalmeroder Hafenton.[8]
Mittelalterliche Waldglashütte
"Bremer Wiese"
spätes 12. Jahrhundert
Kleines dünnwandiges hellgraues
Glasschmelzgefäß mit Glasrückständen
freihandgeformt
restauriert und ergänzt [1]
Bodenfund im Oktober 2004:
Zwei passgenaue hellgraue Hafenfragmente
© Foto: Keramik Restaurierung Lüdtke
© Zeichnerische Rekonstruktion: Henri Henze [10]
Archäologische Denkmalpflege Landkreis Holzminden.
Die sich vom Boden zum Rand verbreiternde Hafenform mit flacher, kreisförmiger und relativ breiter Standfläche legt nahe, dass das Glasschmelzgefäß wahrscheinlich auf einer ebenen, stabilen, von unten befeuerten Hafenbank aus Buntsandstein eines liegenden Ofens mit vertikal angeordnetem Feuerungskanals platziert war.
Mittelalterliches Glasschmelzgefäß
in der Ausstellung
© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber
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[1] Keramik Restaurierung Lüdtke, Bad Münder am Deister.
[2] vergl. Angaben zu Schmelzhäfen bei BERGMANN 2008, S. 9-10, 15.
[3] vergl. BERGMANN 2008, S. 80.
[4] STEPHAN 1995, S. 76-77.
[6] WEBER 2012b, S. 14-21.
[7] WEBER 2012c, S. 8-17.
[8] STEPHAN 1995, S. 74.
[10] Zeichnung von Henri Henze, Kommunalarchäologie Landkreis Holzminden (Dr. Christian Leiber), 2005.