Hoher Stand der Glasverarbeitung
Klaus A.E. Weber
Birka-Reticella-Becher │ Nachbildung
9.-10. Jahrhundert
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Gebrauchs- und Schmuckglas im frühurbanen Haithabu
8.-11. Jahrhundert n. Chr.
Frühmittelalterlich an der westlichen Ostsee am Haddebeyer Noor gegründet, gilt die frühurbane Ansiedlung mit Hafenbereich als bedeutsamer zentraler Umschlagsplatz im Warenverkehr zwischen Mitteleuropa und den Rohstoffmärkten Nord- und Osteuropas.
Hier wurde die Glasherstellung als eine der am höchsten spezialisierten Handwerkstechniken auf qualitativ hohem Niveau ausgeübt.
Wie zahlreiche und vielfältige Herstellungsreste und Halbfabrikate glasarchäologisch belegen [17], hatte auch die Herstellung und Verarbeitung von Glas für Haithabu eine besondere Bedeutung als nordeuropäischer Handelsort.
Obgleich im Einzelfall schwierig zu unterscheiden, lässt sich sowohl der Import als auch die lokale Herstellung und Verarbeitung von Glas auf qualitativ hohem Niveau nachweisen.
Hierbei ergaben Analysen der Haithabu-Gläser [26]:
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Soda-Kalk-Gläser
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Soda-Aschegläser
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Holzaschegläser
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Bleigläser
- Misch-Gläser aus Soda-Kalk- und Holzaschegläser
Wie SCHIETZEL [17] ausführt, diente zunächst Pflanzenasche als Grundstoff für das Flussmittel Natriumkarbonat, "später trat importierte Pottasche (Kaliumkarbonat) an deren Stelle" (Kaliumgläser).
So wurden innerhalb des Halbkreiswalles von Haithabu Spuren mehrerer Werkstattkomplexe, ein Glasschmelzofen sowie mehr als 8.000 Glasobjekte gefunden:[16][17][19]
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Rohmaterial, wie Glasmasse, Stäbchen, Glaswürfel
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Halbfabrikate (Zwischenprodukte)
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Abfall, wie Schmelzkügelchen und -tropfen
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fertige Glasprodukte, wie verschiedene Glasperlen, Hohlglas (Rand- und Bodenscherben von Gefäßgläsern, Trichtergläser) sowie einfarbiges braunes und grünes Flachglas zur Fensterverglasung.
Vorgefertigte, unterschiedlich gefärbte Glasmosaiksteine (Tesserae) wurden zum Einfärben der Glasschmelze als Handelsware aus norditalienischen Werkstätten bezogen.[9]
Zudem gab es den Nachweis unterschiedlich gefärbter Glasstäbe (Fragmente).
Geblasene Hohlgläser gelten als besondere Luxusware aus dem Fränkischen Reich.[10]
Hierzu zählten unverzierte, spitzbodige Trichterbecher (Sturzbecher) aus hellgrünem Glas, wie auch kugelige Traubenbecher.
Funde der trichterförmigen "Sturzbecher" stammen auch aus Birka in Schweden.[22]
Wandungsscherben gläserner Traubenbecher
Siedlung Haithabu │ Wikinger Museum Haithabu
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Königliches Tafelgeschirr
"Imitatio Imperii" - Nachahmung fränkischer Hofkultur als gehobener Lebensstil [8]
Siedlung Haithabu
Bootkammergrab │ 9./10. Jahrhundert [3][4][8]
Irisch-insulare Bronzebecken
unverzierter, spitzbodiger Trichterbecher
karolingischer Sturzbecher aus hellgrünem Glas
Wikinger Museum Haithabu
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Farbig gestaltete Gefäßgläser (Becher) [20]
Fragmente aufgeschmolzene Mündungsstreifen
Wikinger Museum Haithabu
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Gniedelstein und Glättbrett
Als "Bügeleisen" waren massiv oder hohl gefertigte Glättgläser (Gniedelsteine) in der jüngeren Wikingerzeit fast kaum in der Form verändert in Gebrauch, besonders häufig zum sorgfältigen Glätten, feinen Fälteln wertvoller Textilien (Leinenstoff) und/oder Reiben.[1][2]
An vielen Fundstellen lag ein Glättglas auf einem Brett aus Walknochen oder Kirschholz, das eine glatt geschliffene Oberseite aufwies und mit zwei geschnitzten Tierköpfen verziert war (Birka).[21]
Nachbildungen
Glasperlen
Glättglas │ massiv, dunkelgrün
Haithabu │ 9.-11. Jahrhundert
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Glasperlen am offenen Feuer geformt
Verschiedenfarbige Glasperlen als Halsschmuck waren im 9.-10. Jahrhundert ein beliebter und fester Bestandteil wikingerzeitlicher Frauentracht, zugleich aber auch ein Zahlungsmittel.
Glasperlen als Körperschmuck
Haithabu │ 9.-11. Jahrhundert
Wikinger Museum Haithabu
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Glasperlen als Zahlungsmittel
Haithabu │ 9.-11. Jahrhundert
Wikinger Museum Haithabu
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Glasspielsteine
Auch sind für Brettspiele mit strategischer Figurenführung bunte Spielsteine aus Glas bei der vielfältigen Freizeitbeschäftigung von Wikingern bekannt (Birka).[12][23][24]
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[1] STEPPUHN 1998, S. 74-76.
[2] SCHIETZEL 2014, S. 367.
[3] STEPPUHN 1998, S. 58-69.
[4] SCHIETZEL 2014, S. 276.
[8] MAIXNER 2012, S. 92-93, Abb. 106, 173, Abb. 198.
[9] MAIXNER 2012, S. 177, Abb. 201.
[10] MAIXNER 2012, S. 173.
[12] MAIXNER 2012, S. 66-67, Abb. 72.
[16] ELSNER 2004, S. 104.
[17] SCHIETZEL 2014, S. 452-458.
[19] STEPPUHN 1998, S. 62-71.
[20] SCHIETZEL 2014, S. 458.
[21] Anschauliche Darstellung bei LAUWIGI 2014, S. 38.
[22] Anschauliche Darstellung bei LAUWIGI 2014, S. 88.
[23] Anschauliche Darstellung bei LAUWIGI 2014, S. 90.
[24] SCHIETZEL 2014, S. 287.
[26] STEPHAN 2022b, S. 55-56.