Römisches Glas der Provinz Niedergermanien
Klaus A.E. Weber
Colonia Claudia Ara Agrippinensium
römische Provinz Niedergermanien [4]
Städtische und ländliche Glaswerkstätten und Grabbeigaben
Dass oft Glasgegenstände unversehrt erhalten geblieben archäologisch aufgefunden werden, ist im Wesentlichen dem antiken römischen Brauch zu verdanken, Verstorbenen die nötigsten Gebrauchsgegenstände für das jenseitige Leben mitzugeben.[49]
Steinbogen
über mittlerem Durchgang (Mittelbogen)
Nordtor der römischen Stadtmauer
Bauinschrift
eingemeißelte Buchstaben "CCAA"
Namen der Provinzhauptstadt
"Colonia Claudia Ara Agrippinensium" [13]
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Städtisches Umfeld
Glaswerkstätten der römischen Provinzhauptstadt CCAA│Köln
Zu Siedlungs- und Grabfunden bei Gräbern unterschiedlicher Zeitstellung sowie zur Art, Lage und Verwendung von zeittypischem Glas im antiken Köln wird auf TRIER/NAUMANN-STECKNER verwiesen.[17]
Glasimporte der frühen Stadt Köln
Colonia Claudia Ara Agrippinensium in der römischen Provinz Germania inferior
Bei gehobenem Lebensstandard wurden bereits im frühen 1. Jahrhundert n. Chr. als Luxusgüter - neben mediterranen Lebensmitteln in Transportamphoren - von weither auch kostbare Glaswaren, transportiert in Stroh eingebettet in Holzkisten, ins Oppidum Ubiorum und die "Kolonie am Altar der Agrippina" [55] - die Colonia Claudia Ara Agrippinensium - importiert.[20]
Zudem ist auch weiterhin nach KRAMER [59] davon auszugehen, „dass wenige »mega-producers« im östlichen Mittelmeer das gesamte römische Imperium mit Rohglas versorgt haben“.
1. Jahrhunderts n. Chr.
Seit Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. stellten aus dem Mittelmeerraum zugewanderte Glasmacher als spezialisierte Handwerker in der Koloniestadt "Colonia Claudia Ara Agrippinensium" zunächst Gefäße aus importierten Rohglasbarren her.[12]
2. Jahrhundert n. Chr.
Begünstigt durch das ortsnahe Vorkommen reiner tertiärer Quarzsande wurden in den feuergefährlichen Glaswerkstätten außerhalb der Stadtmauern von Colonia seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. Glaswaren gefertigt - neben Massenwaren insbesondere auch qualitativ hochwertige und ideenreich kunstvolle Luxusgläser.
Dabei zählt die Glasherstellung in der prosperierenden Kolonie zu den bekanntesten Handwerkszweigen der antiken Stadt, wo bis heute archäologisch mindestens fünf Stellen bekannt sind, an denen Gläser von spezialisierten Handwerkern hergestellt wurden.[3]
3.-4. Jahrhundert n. Chr.
Ergänzend zu den mit farbigen Glasfäden dekorierten Schlagenglasgefäßen und Glasschalen mit Schliffdekor mit mythologischen und christlichen Darstellungen als Luxusgüter wurden kunstfertig auch edelsteinbesetzte Silbergefäße imitierend Nuppengläser gefertigt.[12]
Dem gegenüber scheint im Bereich von Rheinland-Pfalz die Glasherstellung keine (wirtschaftliche) Rolle gespielt zu haben; im gesamten Rheinland dominieren die Kölner Werkstätten mit ihrer umfänglichen Produktionspalette, vornehmlich auch an Luxusgläsern.[2]
Geformtes Buntglas [22]
a) gläsernes Tischgeschirr als geformtes, transparentes oder opakes Buntglas (intensivrot, grün, leuchtendweiß, kobaltblau) für das Speisen im Liegen, wie Näpfe, Tassen, Schälchen, kleine Teller - "Glas in keramischen Formen" bzw. "Glas mit keramikartigen Profilen"
b) variantenreiches Mosaikglas:
-
Streifenbandmosaikglas
-
Reticellaglas
-
Bandmosaikglas
-
Goldbandglas - Luxus par excellence
-
Kameoglas - imitiert Halbedelsteine, zählt zu den Überfanggläsern
-
Millefioriglas
-
Achatglas
c) Überfangglas
d) in Model gepresstes Glas │ Glasphalerae (millitärische Ehrenzeichen) - vermutlich zentral hergestellt
e) schwere Rippenschalen - über ein Jahrhundert lang beliebtestes Glasgeschirr (Trinkgeschirr)
Mosaikglasteller
in Streifenband
und Millefioritechnik [21]
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Luxusglas
100-300 n. Chr.
wahrschinlich aus Norditalien
importiert
Rijksmuseum van Oudheden
Leiden
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Geblasenes Buntglas [23]
Auch geblasene und daher dünnwandige Buntglasgefäße wurden ins Oppidum Ubiorum und die Colonia Claudia Ara Agrippinensium importiert.
a) zarte Rippenschalen als attraktive Trinkbecher
b) Kantharos
c) zweihenklige Salbgefäße mit bunten Flecken
d) Glasbehältnisse als Verpackung für Salben, Parfüms und weitere kostbare Essenzen:
-
Parfümflakon
-
Dattelfläschchen
-
Fadenbandflasche/-fläschchen
-
Fadenbandkugel
-
Schminkkugel
-
Glasvogel
Typisches Trinkgeschirr
"Schwere" Rippenschalen
aus leuchtend blauem
und honiggelbem Glas
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Luxusglas
100-300 n. Chr.
wahrschinlich aus Norditalien importiert
Rijksmuseum van Oudheden
Leiden
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Fadenbandflasche
azurblauer Glaskörper
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
In Model geblasenes Glas - Kostengünstig und in Serie herstellbar [26]
Im augusteischen Zeitalter war von römischen Glasbläsern und Modelleuren das Herstellungsverfahren, Gläser in Model zu formen (Formblasen), aufgenommen worden, welches mit seinen Schau- und Spaßgefäßen sowie durch modellierte Flaschen, Kannen und Schalen eine große Verbreitung fand:
-
Kleine und große Kopfgefäße
-
Vollfiguren
-
Traubenflaschen
-
Muschelgefäße
-
Faßkannen, liegende Faßkännchen, Faßhumpen
-
Zylindrische Krüge mit Henkel
-
Zylindrische Delphinhenkelflaschen
-
Zylindrische Kannen
-
Vierkantflaschen
- Merkurflaschen (Vierkantflaschen mit langem Hals)
Frei geblasenes und geformtes Glas [27]
Durch Formen, Ausziehen, Aufstellen und Eindellen konnten verschiedenartige, formvariante große und kleine Glasgefäßkörper (unguentaria) erzeugt werden, wie
-
Fläschchen mit besonders langem Hals│kugeligem, birnen-, kegel- oder spindelförmigem Bauch
-
Becher, Schalen und Flaschen mit Dellen oder Falten
-
Becher und Kannen mit Noppen, Warzen, Stacheln oder Stegen, Zacken
-
Kugelflaschen mit Trichter- und mit Röhrenhals
a) Vorratsgeschirr: Kugeltöpfe, runde oder viereckige Riesenflaschen mit Henkel, Amphoren mit Doppelhenkel
b) Alltagsgeschirr: Trinkbecher, Näpfe, Schalen, Teller, Platten, Krüge, Kannen, Trinkhörner, Kerzenständer, Spielzeug
In Model
geblasene Glasgefäße
Fasskannen (Einhenkelkrüge)
Wein- oder Ölbehälter
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Glasherstellung außerhalb der Stadt
Außerhalb der Stadt gelegen, stellten mehrere, in der Regel mit Buchenholz befeuerte Glasöfen Kölner Glaswerkstätten Gläser in Serienproduktion als Alltagsware her oder fertigten besondere Luxusgläser.
Kaiserlich-römisches Glas war zunächst Soda/Natronglas, wobei wahrscheinlich Soda/Trona aus (Unter-)Ägypten bezogen wurde.
Später wurde Glas mit Hilfe von kaliumreicher Pflanzenasche (Pottasche) hergestellt, gewonnen aus Buchenholz oder aus Farnen.
Innerhalb wie außerhalb des römischen Köln konnten archäologisch an verschiedenen Stellen Reste von Glashüttenanlagen (Arbeits- und Kühlofenreste, Glashäfen, Abfallprodukte etc.) nachgewiesen werden.[24]
Zu den wichtigsten Arbeitsgeräten der Glasmacher zählten:[24]
-
Glasmacherpfeife
-
Hefteisen
-
Märbelplatte
-
Tiegel und Glashäfen
-
Zange, Schere
- Model (Bodenplatten, Holz- und Tonmodel).
Bodenmodel (Marmor)
Herstellung von Vierkantflaschen [28]
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Birnenförmige römische Kannen
mit Henkeln
Grünglas
Zwei formgleiche Glaskannen
mit steilen Henkeln
aus einem spätrömischen Grab
in Köln
Ausgrabung am Barbarossaplatz [18]
Mit geschwungener Glasauflage
dekorierte Kanne mit "Selleriehenkel"
Römisch-Germanisches Museum
Köln
© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber
Ländliches Umfeld
Spätantike Hambacher Glashütten
Auch im Hambacher Forst lag mit kurzer Blütezeit ein ländliches Zentrum der spätantiken Glasherstellung (2. Hälfte 4. Jahrhundert bis zur Hälfte 5. Jahrhundert) nahe überregionaler römischer Fernstraßen.
Wie KRAMER [58] aktuell berichtet, konnten etwa 25 km westlich von Köln im Bereich des rheinischen Braunkohletagebaus Hambach römische Glashüttenplätze und Gräberfelder innerhalb von Siedlungsgebieten aus der mittleren römischen Kaiserzeit systematisch ergraben und archäologisch untersucht werden:
-
sechs Glashütten (Wanderhütten) │ Glasofenresten unterschiedlicher Ofentypen
- Reste tönerner Glasschmelzgefäße: weitmundige Schüsseln
Hierbei festigte sich nach KRAMER [60] auch die These, "dass Hambacher Glashütten auch die Rohglasherstellung beherrschten, dafür allerdings natürliches Soda aus dem Mittelmeerraum bezogen, wobei die schlechte Transportfähigkeit des Produkts unerklärt blieb."
Gläserne Grabbeigaben [58]
aus örtlicher Herstellung in den sechs Hambacher Glashütten │ unterschiedliche Glasfärbung │ hohe Eisengehalte
-
zahlreiche Fasskrüge mit gestempelten Bodenmarken ECVA und FR(ON) │ mit Namen und Namenskürzeln │ zylinderförmiger Hals mit abgeflachter Mündung │ ein/zwei relativ breite Bandhenkel
-
enghalsige zylindrische Flaschen mit Ösenhenkeln
-
kugelbauchige Flaschen - mit zylindrischem Hals │ Trichterhals │ Standring
-
vierkantige Glasgefäße
-
konische und halbkugelige Becher
-
hohe Fußbecher
-
Teller │ groß
-
Schalen
-
formgeblasene Schalen mit Ornamentmuster │ mit breitem waagrechtem Rand
- Trinkhorn mit farbiger Fadenauflage und Nuppen
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[2] CÜPPERS 2005, S. 293.
[3] FISCHER/TRIER 2014, S. 218-221.
[4] Kartenausschnitt aus SIEGLIN 1903, S. 26.
[12] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 7.
[13] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 37.
[17] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 55-63.
[18] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 60-61.
[20] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 64-77.
[21] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 65-67.
[22] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 65-73.
[23] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 73-77.
[24] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 80-90.
[26] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 92-100.
[27] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 101-103.
[28] TRIER/NAUMANN-STECKNER 2016, S. 86 Abb.
[49] RICKE 1995, S. 20.
[55] DIETRICH 2013, S. 29-42.
[58] KRAMER 2021, S. 24-26, 27 Abb. 4, 28 Abb. 5, 29 Abb. 6, 30 Abb. 7, 31 Abb. 8.
[59] KRAMER 2021, S. 31.
[60] KRAMER 2021, S. 29.