Glas der alten Hochkultur Chinas

Klaus A.E. Weber

 

Glasvasen aus China

Glasmuseum Hentrich Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Teller mit Chinesinnen │ Qianlong-Periode (1735-1796)

Tasse │ um 1700/1710

Henkelkrug mit stehenden Chinesinnen

Kangxi-Periode (1662-1722)

Historisches Museum Basel │ Barfüsserkirche

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

"Zu Beginn war ein Drache"

Die Welt der Kreaturen gehört zu den faszinierendsten Gebieten der visuellen Kultur Chinas.

Die Darstellung von Natur, besonders aber auch der Tiere, ist schon seit rund 2.500 Jahren zu den wichtigsten Ausdrucksformen im Reich der Mitte.“[15]

 

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Pekingglas - Chinesisches Glas war einst anders als europäisches Glas

Museum Angewandte Kunst Frankfurt:

In China war Glas, anders als im Vorderen Orient und in Europa, zwar seit rund 2500 Jahren bekannt, spielte jedoch lange Zeit ein Schattendasein.

Erst nachdem im späten 17. Jh. Jesuiten-Gelehrte am Pekinger Hof mit der Errichtung einer kaiserlichen Glashütte beauftragt wurden, bildete sich hier eine ganz eigenständige, von westlichen Vorbildern erstaunlich wenig beeinflusste Glaskunst heraus.“

 

Vase │ 1. Hälfte 19. Jahrhundert │ Ch'ing-Zeit

dickwandiges Glas, farbiger Überfang, opak weißer Grund

plastisch herausgeschnittener Dekor [11]

Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Vase │ 2. Hälfte 18. Jahrhundert

dickwandiges, opak gelbgrünes Glas [12]

Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Eine jahrtausendealte Tradition der chinesischen Steinzeug-Handwerkskunst ist die besondere Seladon-Keramik (Celadon) mit einer jadefarbener Keramikglasur und minimalistischem Dekor - seit dem ersten Jahrtausend v. Chr.[13]

Nach RICKE verfügt China auch "über eine bis in die Jahrhunderte vor der Zeitenwende zurückreichende Tradition der Arbeit mit Glas".[10]

Um 500 v. Chr. beherrschten im südchinesischen Staat Chu lokale Handwerker die frühe Technik der Glasherstellung – bis zum Ende der Westlichen Han-Dynastie (207 v. Chr. - 9 n. Chr.).[2]

Im kulturanthropologischen Vergleich - „China und Ägypten. Wiegen der Welt“ [9] - zählte die Glasherstellung aber nicht zu den traditionellen chinesischen Handfertigkeiten.

Hohlglas wurde vor dem Ende des 17. Jahrhunderts selten hergestellt.[6]

Erst während des 17. und 18. Jahrhunderts gewinnt die chinesische Glaskunst an Eigenständigkeit, wobei das kunstvolle Überfangglas jener Zeit eng an die Tradition des Jade- und Steinschnitts gebunden war.

Technisch wie formal entwickelte sich das chinesische Glas grundsätzlich anders als das europäische, denn die Glasgefäße wurden in Formen gegossen und nicht manuell geblasen.[1][5]

Dabei war die für europäisches Glas so wichtige Transparenz des Glaskörpers stets nur von nachgeordneter Bedeutung.

In China wurde die Glasmasse nicht als dehnbarer, biegsamer Werkstoff betrachtet, sondern edelsteingleich als fester, formbarer Stoff, der wie Jade oder Stein bearbeitet werden konnte.[1][10]

Chinesische Gläser wurden mit bildhauerischen Techniken durch das Herausarbeiten der Dekormotive aus der vollen Glaswand gestaltet, danach geschliffen und poliert.[10]

In der Qing-Dynastie wurde 1680 von Kaiser Kangxi (K'ang-hsi, reg. 1661-1722) die kaiserliche Palastwerkstatt in Peking als Zentrum chinesischer Glaskunst gegründet, die bis zum Ende des 18. jahrhunderts in Betrieb war.[10]

Danach sollen die meisten chinesischen Gläser in dem traditionellen Glaszentrum Po-shan geblasen oder gegossen worden sein; von hier aus war ohnehin bereits Rohglas für die kaiserliche Palastwerkstatt geliefert worden.[10]

 

Chinesische Koppchen mit Blaumalerei │ um 1750

Museum Schloss Fürstenberg

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Die Seidenstraße als „Glasstraße“

Etwa vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis 1000 n. Chr. gelangten Glasobjekte als Handelsgut entlang der Landrouten der Seidenstraße oder auf dem Seeweg von Westen nach Osten – vom Mittelmeerraum bis ins chinesische Kaiserreich.

Vom 1.-8. Jahrhundert n. Chr. war die Handelsroute zwischen Zentralasien und China auch als „Glasstraße“ bekannt.

  • Bettina Zorn, Alexandra Hilgner (eds): Glass along the Silk Road from 200 BC to AD 1000. International conference within the scope of the "Sino-German Project on Cultural Heritage Preservation" of the RGZM and the Shaanxi Provincial Institute of Archaeolgy, December 11th-12th 2008. RGZM-Tagungen Bd. 9. Mainz 2010.

 

Altertum

 

Xia-Dynastie (nicht bestätigt)

etwa 2200/2100 - 1800/1600 v. Chr.

Drachendarstellungen am Beginn der chinesischen Geschichte.

 

Zhou-Dynastie (westliche/östliche) │ Tschou-Dynastie

um 1122/1050 - 256/249 v. Chr.

Die ältesten Glasfunde konnten aus Gräbern der späten, Nordchina beherrschenden Tschou-Dynastie (Zhou-Dynastie) geborgen worden: 1122-249 v. Chr. [1]

 

Kaiserzeit

 

Han-Dynastie (westliche/östliche Han-Zeit)

206 v. Chr. – 220 n. Chr.

Aus der das Kaiserreich China von 206 v. Chr. bis 220 n. Chr. regierenden Han-Dynastie sind Grabbeigaben aus Glas überliefert (Gräber von Lo-Yang), die als Jade-Ersatz dienten - zumeist Perlen mit Augenmuster und Einlageplättchen (Glasblättchen als farbige Einlagen bei Metallgefäßen) in den Farben dunkelblau, blaßgrün mit weiß und gelb.[1][5]

Im Gegensatz zum antiken Glas hat die chinesische Glasmasse durch Verwendung von Blei und Barium ein beträchtlich höheres Gewicht.[5]

 

Glasbecher │ ⌀ 8,3/8,5 cm

2. Jahrhundert v. Chr.

Königsgrab Han-Dynastie bei Beidongshan [3]

Chinesisches NationalmuseumBeijing (Peking) │ 2005

 

Zeit der Zersplitterung

 

T‘ang-Dynastie (Tang-Zeit)

618-907

Als chinesische Kaiserdynastie war die Tang-Dynastie von 618-907 an der Macht.

Neben kleinformatigen Schmuckstücken konnten für diese Epoche auch erstmals geblasene Glasgefäße nachgewiesen werden, deren chinesische Herstellung vermutlich durch westliche Importe angeregt worden war.[1]

 

Song-Dynastie (Nördliche/Südliche Song-Zeit)

960-1279

 

Ming-Dynastie

1368-1644

In diesem rund 280 Jahre langen, eher glaslos erscheinenden Zeitabschnitt spielten wahrscheinlich Porzellane aus den offiziellen bzw. kaiserlichen Manufakturen der Ming-Zeit sowie Keramiken und das Steinzeug aus den wichtigsten Öfen der Song-Zeit die führende Rolle, nicht aber Glas.[1][7]

 

Ts’ing-Dynastie (Mandschu) / Qing-Dynastie (Qing-/Ch'ing-Zeit)

1644-1911/1912

Die Ts’ing-Dynastie (Qing-/Ch'ing-Zeit) war die letzte imperiale Dynastie von China.

Bedeutend waren die Porzellane mit Schmelzfarbenmalerei aus der Blüte der Qing-/Ch'ing-Zeit.[7]

Erst während der Qing-/Ch'ing-Zeit wurde Glas wieder hoch geschätzt, wobei der starke venezianische Einfluss auf die chinesische Glaskunst belegt ist.[1][6]

Aus Italien eingereiste, missionierende Jesuiten brachten die Kunst des Glasmachens mit.

So wurde von dem Würzburger Jesuiten Kilian Stumpf (1655-1720) 1696 unter dem zweiten Kaiser der mongolischen Quing-Dynastie K’ang-hsi (Kangxi, 1654-1722, reg. 1661-1722) im Palastbezirk in Peking eine den Palastwerkstätten unterstelle Glashütte, die Pekinger Palast-Glashütte, errichtet, die bis in das Jahr 1911 betrieben wurde.[6]

Diese wie wohl auch andere Glashütten stellten Glasgegenstände für den höfischen Gebrauch her, wobei ihr Dekor wie ihre Herstellungstechnik darauf hindeuten, dass in jener Zeit ein reger künstlerischer Austausch zwischen China und dem Westen bestand.[8]

Zur Weiterverarbeitung in der kaiserlichen Hauptstadt wurden aus der an der chinesischen Ostküste gelegenen Provinz Shandong (Schantung) barrenförmige Glasrohlinge herangeschafft.

Aus der Regierungszeit von Kaiser Yongzheng (1678–1735) von 1723–1735 sind Goldrubingläser überliefert.

Unter der Regierungszeit des Qing-Kaisers Qianlong (1736-1795) erlebte die Jadekunst ihren letzten, aber glänzenden Höhepunkt mit acht kaiserlichen Werkstätten.[7]

 

Qianlong-Periode

1735-1796

 

Tiefblaue, dickwandige Vasen in Schlegelform │ 17.-18. Jahrhundert

Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast, Düsseldorf [10]

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Flaschenvase │ 19. Jahrhundert

Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Dickwandige Flaschenvase │ 18. Jahrhundert

Milchglas │ blauer, geschnittener Überfang

opak weißer Grund auf der Wandung

Lotosbaum, Ranken und Vögeln

Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast, Düsseldorf [14]

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Deckelvase │ 19. Jahrhundert

Milchglas │ blauer Überfang │ opak weißer Grund

Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Qianlong-Periode der großen Qing-Dynastie

1736-1795

Nach SCHACK [1] gingen aus den kaiserlichen Glaswerkstätten „einfarbige und mehrfach überfangene, farblose und opakweiße Glasgefäße“ hervor, „deren Dekor entweder geschnitten oder emailgemalt“ war.

Erst seit der langen Regierungszeit des vierte chinesischen Kaisers der Qing-Dynastie K’ien-lung (Qianlong, 1711-1799) von 1736 bis 1795 sei dann Glas in größerem Umfang hergestellt worden.

Dabei erlebte unter Kaiser Qianlong die chinesische Glaskunst ihre Blütezeit.

Insbesondere wurde die Herstellung von Goldrubinglas in den Palast-Glashütten außerordentlich perfektioniert.[6]

 

Glasschalen als Luxus

Kaiserliche Palastwerkstätten Peking │ 1736-1795

Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast, Düsseldorf [10]

© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber

 

Mit Ausnahme der Schnupftabakfläschchen wurden während der Qianlong-Periode nur noch wenige Gegenstände aus Glas hergestellt, auch wurde die Glasqualität erheblich schlechter, als um 1760 keine Missionare mehr am kaiserlichen Hof waren.[6][8]

 

Schnupftabakfläschchen (Schnupftabak-Flacons) des 17. Jahrhunderts

Neben Vasen, Deckelgefäßen und Schalen wurden als Luxusgegenstände auch die beliebten Schnupftabakfläschchen hergestellt.

Die modische Verwendung von Schnupftabak war bereits während der Ming-Dynastie aus dem Westen nach China gelangt.

In der Qing-Dynastie wurde 1680 von Kaiser Kangxi (K'ang-hsi, reg. 1661-1722) die kaiserliche Palastwerkstatt in Peking als Zentrum chinesischer Glaskunst gegründet, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in Betrieb war.[10]

Kaiser Kangxi erteilte den kaiserlichen Werkstätten den Auftrag zur Herstellung besonders kostbarer Schnupftabakfläschchen.[8]

Die Schnupftabakfläschchen dienten einerseits dem Gebrauch, andererseits waren sie auch begehrte Sammlungsobjekte, wie bei dem Qing-Kaiser K’ien-lung (Qianlong).[1]

In der Qianlong-Periode der Qing-Dynastie erreichte die Glasfertigung einen Höhepunkt, wobei prachtvolle Schnupftabakfläschchen dieser Periode mit höchst qualitativer Emailmalerei mit verschiedenen Ornamenten - mit feinen Pinselstrichen aufgebrachte vegetabile Motive - auf weißem, halb transparentem Glas sind Bestandteile der weltweit größten Sammlung chinesischer Kunstwerke im Nationalen Palastmuseum, Taiwan.[8]

Hierzu zählt auch eine Miniaturvase in Kürbisflaschenform mit Emailmalerei auf auf weißem, halb transparentem Glas.[8]

Der Umfang der Glasherstellung von Schnupftabakfläschchen nahm nach der Regentschaft des Kaisers Jiaqing 1796-1820 deutlich ab.[8]

 

18./19. Jahrhundert

Die unter Kaiser Qianlong erblühte chinesische Glaskunst wurde letztlich auch in das 18./19. und ins frühe 20. Jahrhundert fortgeführt.[15]

Bereits im 18. Jahrhundert waren die chinesischen Glastechniken hoch entwickelt, einschließlich der Beherrschung des verschiedenfarbigen Überfangs.[10]

In das 18./19. Jahrhundert datieren allerdings die meisten hier bekannten chinesischen Gläser mit besonders reichhaltiger Farbskala mit scharfen Kontrasten und plastisch herausgeschnittenem Dekor.[4][5]

Dem chinesischen Ideal folgend, sind sie aus dickwandigem, fast niemals farblosem Glas hergestellt.[6]

 

Glasvase │ 19. Jahrhundert

Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast, Düsseldorf

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

"Das vielfarbige Überfangglas aus China fand später ein deutliches Echo im europäischen Jugendstil, insbesondere bei Émile Gallé, der sich nachweislich intensiv mit chinesischem Glas beschäftigte.

Darüber hinaus überrascht monochromes Pekingglas des 18. und 19. Jahrhunderts oft mit Formen, die bereits die Bauhaus-Moderne vorwegnehmen."[15]

 

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[1] SCHACK 1979, S. 39-40.

[2] ZORN/HILGNER 2010, S. 163-189.

[3] Abb. aus der chinesischsprachigen Ausgabe des Ausstellungskatalogs des Chinesischen Nationalmuseums. Peking 2005, S. 217, 370.

[4] SCHACK 1979, S. 40, 186 (Abb, 18, 19).

[5] SCHLOSSER 1977, S. 423-426.

[6] KERSSENBROCK-KROSIGK 2001, S. 55-56.

[7] SEIPEL 2008, S. 24.

[8] SEIPEL 2008, S. 146-148, Abb. Kat.-Nr. 75-78.

[9] Ausstellung „China und Ägypten - Wiegen der Welt“ im Neuen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin, 06.07.2017 - 03.12.2017.

[10] RICKE 1995, S. 130.

[11] RICKE 1995, S. 134 (211).

[12] RICKE 1995, S. 133 (219).

[13] RUST 2018.

[14] SCHACK 1979, S. 186 Abb. 18.

[15] Museum Angewandte Kunst Frankfurt: 亞歐堂 meet asian art: Pekingglas │ Ausstellung 29. September 2022 – 04. Juni 2023. Der Glasfreund. Zeitschrift für altes und neues Glas. 27. Jg. Nr. 85. November 2022, S. 7.