Mesolithikum │ Mittlere Steinzeit

Klaus A.E. Weber

 

Mesolithische Silex-Artefakte

im Hellental

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Das Mesolithikum │ 9.500-5.500 v. Chr.

Bis an den Nordrand des Sollings reichte einst die Südgrenze der Elster-Vereisung, dem hingegen berührte die spätere Saale- und Weichsel-Eiszeit dieses Gebiet nicht mehr direkt.

Während die Altsteinzeit vom Eiszeitalter geprägt war, begann der Zeitabschnitt der Mittleren Steinzeit- das Mesolithikum - mit dem Ende der letzten Eiszeit ab 9800 v. Chr., und mit Beginn des Holozän, unserer heutigen Warmphase.

Durch das Abschmelzen des nordischen Inlandeises in Richtung Skandinavien, konnten während des Mesolithikums alle Naturräume besiedelt werden.

Mit der Erwärmung des Klimas kommt es zu einer zunehmenden Bewaldung mit Birken, Kiefern und Hasel. Im Laufe der Zeit entstehen erste Laubmischwälder.

Die Veränderung der Landschaft hat zur Folge, dass die bis dahin vorherrschende Großwildfauna, beispielsweise Wollnashorn und Riesenhirsch aus ihrem Lebensraum verdrängt werden und aussterben. In den dichten Wäldern breiten sich Rothirsch, Reh, Elch und Wildschwein aus.

Während des Holozäns entstehen in vielen Teilen Niedersachsens verschiedene Moore, zu ihnen gehören auch die bekannten Hoch- und Niedermoore des Sollings, zum Beispiel das Hochmoor „Mecklenbruch“.

Seit dem Jungpaläolithikum hat sich die Jagd mit Pfeil und Bogen etabliert.

Die Geschossspitzen werden unter Berücksichtigung der zunehmenden Rohmaterialknappheit im Laufe der Zeit immer kleiner.

Für die Pfeilspitzen wurden während des Jung- und Spätpaläolithikums Rückenspitzen und Rückenmesser (Federmesser) verwendet.

Im Mesolithikum werden diese durch so genannte "Mikrolithen" abgelöst.

Die Mikrolithe werden mittels einer gezielten Klingentechnologie und der damit verbundenen Kerbtechnik hergestellt.

Über die Mikrolithenformen kann eine klare zeitliche Trennung definiert werden.

Während des Frühmesolithikums herrschen dreieckige Mikrolithenformen vor, als Beispiel ist dafür der Fundplatz Merxhausen 26 zu nennen; hier wurden zwei partiell retuschierte Einfachspitze gefunden.

Im Spätmesolithikum findet ein Wechsel zu trapezförmigen Mikrolithen statt.

Im Hellental ist das Spätmesolithikum mit einem Trapezmikrolithen vom Fundplatz Merxhausen 9/10 belegt.

Auch die Phase des Endmesolithikums kann mit einer Pfeilschneide von dem eben genanntem Fundplatz für das Hellental belegt werden.

Als Lagerplätze bevorzugten die Mesolithiker Orte mit Gewässernähe, mittlere Hanglagen und kleinere Geländekuppen.

Ihre Subsistenz beruht auf dem Sammeln von Früchten (Beeren, Wurzeln, Haselnüsse etc.), der Jagd auf Wild und maritimen Nahrungsquellen.

Es ist anzunehmen, dass die Mesolithiker als Behausungen Zelte und Windfänge verwendeten.

Diese können im archäologischen Befund allerdings nur selten nachgewiesen werden.

Das Mesolithikum endet während des 5. vorchristlichen Jahrtausends.

Die Kultur der Linienbandkeramik, die über den fruchtbaren Halbmond, der Levante, mit den neuen Technologien des Ackerbaues und der Viehzucht nach Europa einwandern und in Südniedersachsen um 5500 v. Chr. sesshaft werden, verdrängen zunehmend die etablierten Sammler-Jäger-Fischergemeinschaften.

 

Jäger-Sammler-Fischergemeinschaften

Bis an den Nordrand des Sollings reichte vor etwa 400.000 - 320.000 Jahren die Südgrenze der Elster-Kaltzeit, wohingegen der Eisrand der späteren Weichsel-Kaltzeit vor rund 115.000 - 11.600 Jahren dieses Gebiet nicht mehr direkt berührte.

Während der ersten Jahrtausende der Nacheiszeit waren das Klima und die Landschaft Europas starken Veränderungen unterworfen.

Die Wiedererwärmung nach der letzten Eiszeit erfolgte ab etwa 9.600 v. Chr.

Im Holozän entstanden die Hoch- und Niedermoortorfe des Sollings, wie jene im Hellental und das bei Silberborn in Richtung Hellental abfallende Hochmoor Mecklenbruch.

 

Periode der Transformation

In der Epoche des Mesolithikums, die rund 4000 bis 5000 Jahre andauerte, lebten Jäger-Sammler-Fischergemeinschaften als "Wildbeuter"

  • von der Jagd

  • vom Fischfang

  • vom Sammeln pflanzlicher Nahrung.

Dem Standwild, wie

  • Auerochse

  • Bison

  • Elch

  • Rothirsch

  • Reh

  • Wildschwein

stellte der nacheiszeitliche Mensch als Jäger nach.

In sozialen Netzwerken organisiert, bevorzugten die prähistorischen Menschen jene Aufenthaltsorte, wie Flüsse, Bäche und Seen, die von jagdbaren Tieren zur Tränke aufgesucht wurden.

Ihre Form des Wirtschaftens erforderte eine besonders mobile Lebensweise, um die Nahrungsquellen in einem größeren Areal nutzen zu können.

In egalitärer Gesellschaft lebten die mobilen Jäger-Sammler-Fischergemeinschaften wegen des limitierten Nahrungsangebotes nur in kleinen sozialen Gruppen.

Dabei durchwanderten die mobilen Jäger-Sammler-Fischergemeinschaften auch die nördliche Sollingregion - und das Hellental.

 

Frühmesolithikum, Spät- und Endmesolithikum

Als Rohstoff für mesolithischer Steinwerkzeuge dominierte ein nahezu ausschließlich aus Siliziumdioxid (SiO2) bestehendes Kieselgestein, das während der Kaltzeiten durch die vom Norden her in das Landesinnere vordringenden Gletscher antransportiert worden war.

Wegen seiner guten Spalteigenschaften und ausgesprochen scharfkantigen Bruchflächen wurde hochwertiger Flint auch von mesolithischen Menschen zur Geräteherstellung bevorzugt benutzt.

Dabei hinterließen mesolithische Menschen Werkzeuge mit nichtgeometrischen und geometrischen Varianten wie auch deren Herstellungsabfälle - wie auch die oberflächennah aufgesammelten mesolithischen Silex-Artefakte im Hellental erkennen lassen.

Bei den im Umfeld des Hellentals anlässlich systematischer Feldbegehungen von Waldglashüttenstandorten 2004 bis 2020 entdeckten Silexartefakte mesolithischer Werkzeuge und deren gezielte Herstellung handelt es sich um die bislang frühesten materiell fassbaren Zeugnisse menschlichen Lebens in dem abgelegenen Tal im Mittelgebirgszug des Sollings.

Die Oberflächenfunde (Zufallsfunde) an sechs Fundstellen entlang des Bachlaufes der Helle und in der weiteren wasserreichen Umgebung deuten darauf hin, dass sich Jäger-Sammler-Fischergemeinschaften im Hellental gewässernah aufgehalten und Werkzeuge hergestellt haben.

Dem Frühmesolithikum konnten insgesamt 61 Artefakte aus nordischem Silex zugeordnet werden, wie vollständige Klingen bzw. Klingenfragmente, Lamellen/Lamellenfragmente, Kerne sowie Trümmer.

Weitere Artefakte entsprechen dem Spät- bzw. Endmesolithikum, wie Mikrolithe, Klingenfragmente, Lamellenkerne und ein Abschlag.

Als datierende Formen des frühmesolithischen Kontexts sind zwei einfache Spitzen mit linksseitiger Retusche zu nennen.

Ein frühes Exemplar einer Pfeilschneide ist in einen endmesolithischen Kontext zu datieren.