Drangsal und Nöte 1756-1763
Klaus A.E. Weber
Verheerung von Feldern │ Plünderung von Wohnungen │ Mißhandlungen
Leute mit Puderperücke, Haarbeutel und Zopf,
Flinten mit Feuersteinschlössern und eisernem Ladestock –
blutigrote, brandqualmige Feuerfluten,
vom Westen zum Osten und vom Osten zum Westen
hingewälzt über das Weserbergland.
Frei nach Wilhelm Raabe
25. Kapitel
[1889/1985, S. 199]
"Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert" [7]
Die historischen Hintergründe, die zur Entstehung und zu dem wechselhaften, internationalen Verlauf des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) führten, sind sehr komplex.
Der "frühmoderne Weltkrieg" gilt als "ein Konflikt mit globalen Dimensionen", der "Kriegsschauplätze und Konfliktlinien in Europa, Nord- und Südamerika, der Karibik, Afrika und Südasien" verband.[7][8]
Maria-Theresien-Platz in Wien
Juni 2019
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Die österreichische Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) dem Hause Habsburg versuchte gegen die Großmachtstellung von Preußen unter seinem König Friedrich II. (1712-1786) zu mobilisieren, indem sie König Georg II. (1683-1760) von England, zugleich Kurfürst von Hannover, zur Rüstung und Verteidigung im niedersächsischen Reichskreis aufforderte.
In der Folgezeit zogen französische und preußische Truppen - gleichsam „im Wechsel" - auch durch die beschauliche ländliche Sollingregion, einem Aufmarschgebiet insbesondere für französische Truppen.
Obgleich permanent miteinander konkurrierend, kämpften während des Krieges Soldaten aus Hannover und Braunschweig gemeinsam gegen Soldaten der französischen Truppen, die auch Hannover besetzten.[3]
Bettlerin [11]
Johann Christof Rombrich
Fürstenberg │ um 1760/1770
Neufassung 2005
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
1757-1761 - "Schreckenszeit" in der Sollingregion
Während der Kriegszeit wurde das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel in schwere Mitleidenschaft gezogen.
Zur kriegsbedingten ökonomischen und finanziellen Krise reihte sich ein agrarkonjunktureller Einbruch mit der Folge eines weiteren Anstiegs der bereits nach 1740 drastisch erhöhten Nahrungsmittelpreise.[1][2]
Der Kriegsverlauf wirkte sich letztlich auch auf die innere Sicherheit des Herzogtums Braunschweig aus, da ab 1757 gegnerische Truppen den Solling durchzogen.
Vom 18. Juni 1757 wird berichtet, dass eine aus nur 38 Soldaten bestehende, bei Corvey gesichtete französische Abteilung, bereits ausreicht habe, die von Generation zu Generation weitergegebenen Erinnerungen an den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) zu wecken und die während dieser unheilvollen Zeit gesammelten schlimmen Erfahrungen wieder aufleben zu lassen.
Dabei sollen die Bewohner*innen an der Weser und des weiteren Hinterlandes eine geradezu panische Angst ergriffen haben, so dass sich die herzogliche Regierung veranlasst sah, ihre Untertanen anzuweisen, Haus und Hof nicht zu verlassen.
Französische Truppen hatten 1757 erstmals die Weser erreicht, die sie am 07. und 08. Juli bei Holzminden und Lauenförde überquerten und bei Holzminden ein Heerlager bezogen.
Nur wenige Tage später, am 13. Juli 1757, kam es bei Arholzen zu einem Gefecht zwischen hannoverschen und französischen Einheiten.
In kleinen Truppen durchstreiften französische Soldaten die nähere Umgebung von Holzminden und damit auch die Sollingregion.
Dabei besetzten sie Gemeinde für Gemeinde und trieben hohe Kontributionen ein.
So plünderten französische Soldaten u.a. auch die herzogliche Porzellanmanufaktur in Fürstenberg.
Alle Städte und Dörfer des braunschweigischen Weserdistrikts wurden am 20. Mai 1757 verpflichtet, Proviant an die an der Weser stationierten Truppen abzuliefern.
In der berühmt gewordenen Schlacht vom 26. Juli 1757 besiegte die französische Armee die vereinigte hannoversch-braunschweigische Armee bei Hastenbeck.
Das braunschweigische Land wurde durch die französische Armee besetzt.[4]
In der Folgezeit wurden daraufhin viele Gemeinden verheert und gebrandschatzt.
Im November 1757 übernahm Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel (1721-1792) das Oberkommando und drängte das französische Heer zurück.
Am 27. Februar 1758 räumte die französische Armee das Oberwesergebiet, nachdem es vor Stadtoldendorf zwischen Franzosen und Hannoveranern erneut zu einem Gefecht gekommen war.
Am 01. August 1759 wurde die französische Armee bei Minden geschlagen.
Selbstbewusst und stolz sangen daraufhin die Braunschweiger am Ende der Schlacht:[5]
Hannoveraner und Hessen,
seid auch nicht vergessen,
doch die allerersten für und für,
lust’ge Braunschweiger das sein wir!
Insbesondere gilt das Jahr 1761 als "Schreckensjahr" für die hiesige Region im Solling, wohin im Frühsommer französische Truppen über die Weser vordrangen.[9]
Brandschatzungen und Plünderungen kennzeichneten die regional überhand nehmende Kriegssituation.
Die Truppendurchzüge und Streifzüge im Land zogen jeweils Not und Elend gerade auch in der Landbevölkerung, bei den „kleinen Leuten“, hinter sich her.
In den folgenden Monaten gingen die Wogen des Krieges hin und her, wobei immer wieder die Gemeinden Kontributionen zu leisten hatten und insbesondere die Folgen der „Beschlagnahme“ des gesamten Viehs die bäuerlichen Dorfbewohner*innen enorm schädigten.[10]
Den Weltkrieg im 18. Jahrhundert beendeten am 10. Februar 1763 der Friedensschluss von Paris und am 15. Februar der Frieden von Hubertusburg.
[1] JARCK/SCHILDT 2000, S. 581 f.
[2] HAUPTMEYER 1995.
[3] RAULS 1974, S. 122-124.
[4] JARCK/SCHILDT 2000, S. 581 f.
[5] zit. in HOFFMANN 2004, S. 47 f.
[6] KRUEGER 2006.
[7] FÜSSEL 2022.
[8] Vortrag von Prof. Dr. Marian Füssel (Göttingen) am 16. März 2024 in Uslar: "Die besten Feinde, welche man nur haben kann"? Der Siebenjährige Krieg in Südniedersachsen.
[9] CREYDT 2020c, S. 37-90.
[10] ANDERS 2004, S. 31; RAULS 1983, S. 116 ff.
[11] KRUEGER 2006, S. 11-13, 73-74: „Wackerhahnsche“ - Sagengestalt, Försterswitwe aus dem Solling und ehemalige Marketenderin.