Kolonialismus im Spiegel des Alltags

Klaus A.E. Weber

 

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Profit & Unrecht

Erst unverdächtig, dann unangenehm - daher vergessen!?

Globale Verwerfungen, geostrategische Kriege und geoökonomischen Machtkämpfe, anhaltender Rassismus, imperialistische Destruenten, antidemokratische Strömungen, insbesondere aber der weltweit entstehende rechtsextreme Backlash, erfordern es, sich mit belastenden geschichtlichen und kontroversen Themen auseinanderzusetzen, wie Imperialismus, Kolonialismus, Sklaverei, Völkermord und Nationalsozialismus.

Kolonialisierungsprozesse zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert hatten durch ihre globalen Geld- und Warenströme eine wirtschaftliche Dimension.

Im Hinblick auf die Verfasstheit unserer Gesellschaft und die angespannten Zeiten ist es auch für das LandMuseum als regionale Kultureinrichtung geboten, eine kritische Haltung einzunehmen und im Diskurs zu vertreten.

Das LandMuseum greift daher die Themen Kolonialismus, Rassismus und Sklaverei auf, die beim unerwartet schnellen und anhaltenden Wirtschaftswachstum der 1950er und 1960er-Jahre in der Bundesrepublik Deutschland anscheinend ebenso schnell und anhaltend in Vergessenheit geraten sind - aber heute noch nachwirken und erneut aktuell sind.

 

Kolonialismus, Sklaverei und Zwangsarbeit prägen die Welt bis heute

Die Errichtung des heutigen Museums der Alltagskultur im Jahr 1884 erfolgte im Jahr des formalen Beginns der kolonialen Eroberungen des Deutschen Kaiserreichs.

Am 15. November 2024 jährte sich zum 140. Mal der Beginn der historischen Berliner Konferenz, der "Kongokonferenz".

Die Ausstellung in den Themenräumen des LandMuseums will dafür sensibilisieren, wie profitable Luxuskonsumgüter aus kolonialem Machtkontext zu unangefochtenen Massenprodukten im Alltagsleben wurden.

 

In der Ausstellung

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Wie wir im Alltag von lukrativen Agrargütern profitierten

- und noch heute profitieren

Die Alltagskultur der Bewohner*innen des abgelegenen Solling-Bergdorfes Hellental hatten ehemals engen Bezug zu herrschaftlichen kolonialen Verhältnissen gegenüber unterworfenen außereuropäischen Gesellschaften - doch noch heute prägt der Kolonialismus unseren Lebens- und Arbeitsalltag.

Koloniale Spuren führen auch in das Handwerk und Gewerbe.

 

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© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Eine solche Spur führt zu einer Einkaufsgenossenschaft, wo sich 21 Händler von Kolonialwaren aus dem Deutschen Reich 1898 in Berlin zur „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin“ zunächst unter der Abkürzung „E. d. K.“ zusammenschlossen.

1911 wurde aus dieser Abkürzung der bis heute gültige Firmen- und Markenname EDEKA gebildet – ein Unternehmens, das im Zusammenhang mit der deutschen Kolonialgeschichte steht.

 

BLOG »Verborgenes Erbe: Kolonialsmus im Alltag«

 

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Schaukasten Kolonialwaren: Erzeugnisse deutscher Kolonien

Sonderausstellung „100% Baumwolle“ 2022-2023

Übersee-Museum Bremen

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Profitable Kolonialwaren

Triebfedern des Kolonialismus, erbarmungsloser Kolonialverbrechen und der Sklaverei

Als Kolonialwaren wurden gewinnbringende überseeische Lebens- und Genussmittel bezeichnet, wie die Erzeugnisse deutscher Kolonien:

  • Bananen

  • Baumwolle
  • Gewürze

  • Holz

  • Kaffee

  • Kakao (Schokolade)

  • Kautschuk

  • Kokospalme

  • Palmöl

  • Reis

  • Sisal

  • Tabak

  • Tee

  • Zucker.

Diese Profit versprechenden Erzeugnisse aus überseeischen Kolonien erreichten mit dem Kolonialhandel nach und nach breitere gesellschaftliche Schichten, wodurch der Kolonialismus Einlass in die Konsumkultur fand – so auch in den dörflichen Alltag.

Strategisches Ziel europäischer Handelsgesellschaften – der Ostindienkompanien – war der Raum Indien sowie Südost- und Ostasien, um mit begehrten Kolonialwaren, wie Gewürzen, aber auch mit Sklaven zu handeln.

Die Gewinnung und der Gebrauch kolonialer Rohstoffe belegen die finstere Seite der technischen Entwicklung des globalen Nordens.

 

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© [hmh, Fotos: Klaus A.E. Weber │ Dezember 2024

 

Der Rassismus unserer Gesellschaft ist kolonial geprägt

Deutlich ist nach wie vor zu betonen, dass es keine biologischen „Rassen“ gibt.

Rassismus und seine Geschichte ist ein globales Verbrechen, basierend auf neuzeitlichen sozialen Konstrukten und Vorurteilen.

Der Frage, wie rassistisch die Aufklärung war, geht im Rahmen der Ausstellung „Was ist Aufklärung? Fragen an das 18. Jahrhundert“ auch das Gespräch der ZEIT [1] mit der Literatur-und Kulturwissenschaftlerin Liliane Weissberg nach unter dem Verweis, dass der Mensch in der Aufklärung zum Forschungsobjekt wird, wo auch Menschen nach Hautfarben typologisiert werden.

Hierzu führt die Kuratorin Weissberg aus:

Was für die Aufklärung so markant war, so typisch, ist das Ordnen, Katalogisieren, Einteilen und Tabellenschreiben.

Man wollte die Welt in Ordnung bringen.

Heute kommen wir ohne diese Ordnungssysteme nicht aus, auf ihnen beruht unser Wissen, und sie sind ungeheuer praktisch.

Dinge zu ordnen kann aber auch gefährlich sein.

Wenn ich ordne, kann ich klassifizieren, und wenn ich klassifiziere, kann ich dazu verführt werden, Hierarchien zu errichten.

[…] Doch was passiert, wenn man Menschen klassifiziert?

Wenn man sagt, … also dieser Schädel, der sieht eigentlich mehr wie der eines Affen aus, oder?

Über dies Schädellehre führte ein recht direkter Weg zum Rassenwahn des 19. und 20. Jahrhunderts.“

 

Symbolisierte Fesseln für den Transport afrikanischer Sklaven

Lagos im März 2011

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Kolonialverbrechen der Sklaverei - nach wie vor ein Tabuthema

Vom 15. bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts anhaltend, kennzeichnete die Sklaverei die koloniale Machtausübung gegenüber unterworfenen außereuropäischen Gesellschaften mit dem Ziel einer möglichst effektiven Ausbeutung.

Als einer der letzten europäischen Staaten schaffen die Niederlande erst 1863 die Sklaverei offiziell ab.

 

Zwangsarbeit im imperialistischen NS-Staat

Der allgegenwärtige, nie wirklich aufgearbeitete Einsatz von Zwangsarbeiter*innen im Deutschen Reich und in besetzten Gebieten eröffnete die „moderne“ Geschichte des Verbrechens der Sklaverei in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

Die Zwangsarbeit mit ihrem tödlichen Rassismus wurde zum Motor des NS-Staates, vor allem aber seiner Kriege in West und Ost.

Dabei gab es Profiteure der rassistisch organisierten Hierarchie der Sklaverei, wie

 

Ausstellungsbaracke │ Juli 2015

Zwangsarbeiterlager "Lenner Lager" 1944-1945

© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber

 

Zwangsarbeit für die Rüstung im Zweiten Weltkrieg im Raum Eschershausen:

 

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[1] ZEIT 2024, S. 49.