Pocken-Schutzimpfung

Klaus A.E. Weber │ Rolf Clauditz

 

Die Pocken – die natürlichen „Blattern“ - breiteten sich im 18.-19. Jahrhundert epidemische und endemische in Zentraleuropa aus und entwickelten sich insbesondere zu einer endemischen Kinderkrankheit mit enormer Kindersterblichkeit im Alter bis zu etwa sieben Jahren.

Während des 18./19. Jahrhunderts kam es zur Entwicklung und Durchsetzung der wirksamen „Blatternimpfung“ (Pocken-Vakzination).

Während der "Franzosenzeit" (1806-1815) wurde die Pocken-Schutzimpfung als besonders fortschrittliche gesundheitspolitische Maßnahme im Braunschweiger Land flächendeckend durchgeführt.[1]

 

1912

Erfassen der "Schulzöglinge" zur Pockenschutzimpfung

Um Pockenvirusinfektionen vorzubeugen, wurde schließlich im Deutschen Kaiserreich durch das Impfgesetz vom 08. April 1874 die „Impfung mit Schutzpocken“ (Schutzpockenlymphe) allgemein verpflichtend eingeführt, im Rahmen einer Wiederholungsimpfung Kinder im Alter von einem und zwölf Jahren gegen die Pocken mit einem Pockenimpfstoff impfen zu lassen.

Danach sollte gem. § 1 Reichimpfgesetz der Impfung mit Schutzpocken unterzogen werden:

  • jedes Kind vor dem Ablaufe des auf sein Geburtsjahr folgenden Kalenderjahres, sofern es nicht nach ärztlichem Zeugnis die natürlichen Blattern überstanden hat;
  • jeder Zögling einer öffentlichen Lehranstalt oder einer Privatschule, mit Ausnahme der Sonntags- und Abendschulen, innerhalb des Jahres, in welchem der Zögling das zwölfte Lebensjahr zurücklegt, sofern er nicht nach ärztlichem Zeugnis in den letzten fünf Jahren die natürlichen Blattern überstanden hat oder mit Erfolg geimpft worden ist.

Jeder Impfling musste frühestens am sechsten, spätestens am achten Tag nach der Impfung dem impfenden Arzte vorgestellt werden (§ 5).

In jedem Bundesstaat wurden Impfbezirke gebildet, deren jeder einem Impfarzte unterstellt wurde (§ 6).

Der Impfarzt nahm in der Zeit vom Anfang Mai bis Ende September jeden Jahres an den vorher bekannt zu machenden Orten und Tagen für die Bewohner des Impfbezirks Impfungen unentgeltlich vor (§ 6).

Für jeden Impfbezirk wurde vor Beginn der Impfzeit eine Liste der der Impfung unterliegenden Kinder von der zuständigen Behörde – Gemeindevorstand/Schulvorsteher - aufgestellt (§ 7).

 

© Historisches Museum Hellental, Foto: Klaus A.E. Weber

 

"Herzogliche Kreisdirektion Holzminden, den 4. März 1912 No. 3260

Bestimmungsmäßig sind die Listen der der Wiederimpfung unterliegenden Schulzöglinge bei Beginn des neuen Schuljahrs in der dritten Woche nach Ostern von dem Schulvorsteher aufzustellen und der herzoglichen Kreisdirektion zuzusenden.

Da seit vorigem Jahre der Physikatsbezirk des hiesigen Herzoglichen Physikus die Amtsbezirke Holzminden, Stadtoldendorf und Eschershausen umfaßt und bei dem jetzigen Umfange des ganzen Bezirks der Herzogliche Physikus genötigt ist, mit dem jährlichen Impfgeschäfte und dasselbe bis Ende Juni erledigen zu können, frühzeitig zu Anfang Mai zu beginnen, so beauftrage ich den Schulvorstand, die Listen der der Wiederimpfung zu unterziehenden Schulzöglinge so zeitig aufstellen zu lassen, dass dieselben, wenn möglich, schon in der ersten Hälfte des Monats April in den Besitz der Herzoglichen Kreisdirektion gelangen. In denjenigen Gemeinden, aus welchen die Wiederimpfungslisten später eingehen, würde der Impftermin, da das Impfgeschäft während der Sommermonate Juli und August ausgesetzt wird, erst im Monat September stattfinden können.

Koch

An den Gemeindevorstand zu Merxhausen"

 

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[1] STRAUSS 2000.