Glashütte am Pilgrimsteich │ 1775-1842
Klaus A.E. Weber
LGLN: Pilgrim [31]
Archäolgisches Denkmal
ID:
Erste Hüttenteilung 1775
Errichtung der "Pilgrimsteicher Glashütte" │ "Schorborner Glashütte Teich-Pilgrim"
Um 1775 wurde der „grüne Ofen“ von Schorborn nach dem nahen Pilgrim verlegt.
Die Stelle um 1600 im Fürstenberger Erbregister als "Pellegrinusborn", im Wickenser Erbregister als "Pelegrinensbeke" genannt.[30]
Um 1774 befindet sich im "Pilgrims Grund" ein Teich "oben in Holtze bey Heynade", der "hält in Spiegel ohngefähr 1/2 Morgen" - und wird "der Pilgrimsteich" genannt.[29]
Beschreibung
Beschreibung im Denkmalatlas Niedersachsen:
"Die Pilgrims Grund" im "ABRIS DES SOLLINGS. Anno Christi 1603",
gefertigt von Johannes Krabbe (1553-1616) [20]
NLA WO, K 202 Blatt 3
"Pilgrims T"(eich)
Aus dem "Plan des Weser=Districts zum Herzogthum Braunschweig Wolfenbüttel" von 1768
Johann Heinrich Daniel Gerlach
"Die Gerlachsche Karte des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel (1763-1775)" [19]
NLA WO, K 3 Blatt 5
Blick auf das Areal der ehemaligen „Grünen Hütte“ in Pilgrim │ Juni 2020
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Als Hüttenpächter trennte 1775 der Amtmann in Allersheim Christian Friedrich Wackerhagen (1741-1790) wegen in und um Schorborn forstwirtschaftlich steigendem Holzverbrauch die „Grüne Hütte“ von der „Fürstlich Braunschweigisch-Lüneburgische Hohl- und Tafelglashütte“ ab.
Er verlegte die Grünglasherstellung nach "der Pilgrimsgrund" an den 3/4 Wegstunden ( ca. 2,5 km) entfernten "Pilgrims-Teich", der mit nahem und ausreichendem Holzvorkommen umgeben war.[6][10]
Das 1756 restaurierte Hüttengebäude mit dem neu errichteten Tafel- und Weißhohlglasofen verblieb hingegen in Schorborn
Die Fürstliche Hohl- und Tafelglashütte betrieb nunmehr die Herstellung von "weißem" Hohl- und Flachglas in zwei getrennten Glasschmelzöfen.
Dies sollte der Qualität des farblosen Tafelglas zugutekommen.
Bauzeichnung der Grünglashütte am Pilgrimsteich 1781 [2]
Hüttengebäude und Glasmagazin
Das am "Pilgrimsteich" als so genannte Gabelhütte errichtete Glashüttengebäude (Ofenhalle) soll nach BLOSS [5] 100 Fuß (28,5 m) lang und 60 Fuß (17,1 m) breit gewesen (= 488 m²) und behelfsmäßig mit Buchenschindeln gedeckt gewesen sein.
Das Anlegen der Hütte unter landesherrlicher Regie kostete insgesamt 946 Thaler, 15 Gute Groschen.[21]
Mit dem "Einsetzen der ersten Häfen" wurde der Hüttenbetrieb Ende des Jahres 1775 feierlich eröffnet, u. a. mit Fassbier von Allersheim.
Alle "zum grünen Hohlglase benötigten Ofen und Räumlichkeiten" waren in dieser rund 500 m² flächengroßen Glashütte unter einem Holzdach (feuergefährlich!) vereinigt.
Außerhalb des Fabrikationsgebäudes befand sich abgesondert das "Grüne=Glas=Magazin" vom 72 Fuß (20,5 m) Länge, 18 Fuß (5 m) Breite und 7 Fuß (2 m) Höhe, zudem ein "Wohnhauß", das als "Schlaff Stube der Fabrikanten" gedient haben soll.[2][21]
An anderer Stelle ist zu lesen, dass bis 1787 neben der eigentlichen Glashütte keinerlei Wohngebäude bestanden habe.
Allerdings wohnten sämtliche Glashüttenarbeiter damals weiterhin in Schorborn und sollen zur Nacht nur einen Schürer "vor den Ofen bey der Hütte" zurückgelassen haben.
Nach TACKE [7] soll der Hüttenpächter – der Revisor Seebaß – immer wieder die Schädlichkeit eines Anbaus von mehreren Häusern bei der Pilgrimshütte betont haben.
Neben der Glashütte befand sich bis 1787 kein Wohngebäude.
Hierzu führte TACKE [3] aus, dass die Hüttenarbeiter mit in Schorborn wohnten, "weil der Glashüttenpächter, Revisor Seebaß, keine Gelegenheit versäumte, zu betonnen, wie schädlich ein Anbau von mehreren Häusern bei der Pilgrimshütte sein würde".
Der vernichtende Brand vom August 1781
Nach einem vom Gerichtsverwalter Walter von der fürstlichen Kammer beurkundeten Übergabeprotokoll vom 14. Mai 1781 zum neuen Pachtvertrag umfasst die Hüttenanlage folgende Gebäude:
-
Hüttengebäude
-
"Grüne-Glas-Magazin"
-
Schlafhaus (für bedarfsweise erforderliche Übernachtungen)
-
Wohnhausanbau an der Hütte
-
Abtritt
Der Pachtvertrag weist zu Gunsten der Hüttenbelegschaft aus:
"16. Die sämtlichen Hüttenbediensteten und Fabricanten hat der Pächter auf seine Kosten zu halten, jedoch ohne erhebliche Ursache keinen derselben zu demittieren."[22]
Am 01. August 1781 ereignete sich nachmittags auf der Grünglashütte ein schwerer Brand, wobei die mit Buchen-Schindeln gedeckte "Gabelhütte" völlig niederbrannte.
Der allein tätige Schürwächter vermochte offenbar nicht allein den Brand zu löschen.[8]
Der Allersheimer Amtmann Wackerhagen berichtete umgehend dem Fürstlichen Hof in Braunschweig:[22]
"Ew. Hochwürden Hochwohl- und Wohlgeb. Sehe ich mich leider genöthigt, hierdurch pflichtschuldigst zu berichten, dass gestern um 4 Uhr Nachmittags das Hüttengebäude zu Pilgrims Teich durch einen unvermutheten Zufall vom Feuer ergriffen und bis zur Erde abgebrannt ist, jedoch ist das Glasmagazingbantz und das sogenannte Wohnhauß, ein angekuppelte von der Hütte, zum Theil noch stehen geblieben. ...
Ist das Feuer entstanden, als die Schicht in der Arbeit gewesen und sämtliche Glaßmacher nach Schorborn gegangen. ...
Mit dem Grunde der Wahrheit kannn ich behaupten, dass der Revisor Seebaß solche Einrichtungen während seiner Pacht getroffen, daß dieses Werk in dem besten Betriebe stand, dadurch Serenissimus höchstes Interesse befordert wurde und alle Arbeiter einen guten Erwerb genossen ..."
Nach diesem verheerenden Brand wies der Hüttenpächter Georg Christoph Seebaß (1734-1806) rasch darauf hin, dass "ein neues Hütten Gebäude sobald als möglich wieder erbauet werden möge"; was dann binnen weniger Wochen auch erfolgen sollte.[2][3]
Wiederaufbau
Im Hinblick darauf, dass die Pilgrimer Grünglashütte "bis dahin in dem besten Betriebe stand" und "alle Arbeiter einen guten Erwerb genossen", war es unumgänglich erforderlich, "ein neues Hütten-Gebäude sobald als möglich wieder erbauet werden möge".
Es kam hinzu, dass im Herzogtum Braunschweig um 1780 sonst "überall kein grün Glas fabriciret" wurde.
Am Tage nach dem vernichtenden Brand, am 02. August 1781, kamen der zuständige Forstbeamte, Oberförster Grotrian aus Holzminden, "in Loco" mit dem vormaligen Hüttenpächter Amtmann Wackerhagen und dem jetzigen Pächter Revisor Seebaß, zur Lagebesprechung zusammen: "... von Wiederaufbauung einer neuen Hütte und auf was vor eine Art solche einzurichten wäre Abbrede".
Dabei habe Oberförster Grotrian vorgeschlagen. dass es nach seinem "ohnvorgreiflichen Davorhalten besser sei, ein Gebäude von Buchen-Stenderwerk und einen Steindache auszuführen, als wieder eine Gabelhütte zu bauen".
Aus Sicherheitsgründen sollten also Solling-Dachsteine beim Wiederaufbau verwendet werden.
Die besonders feuergefährlichen Holztrockenöfen sollten soweit wie möglich vom Hüttengebäude entfernt angelegt werden.[8]
Nach nicht einmal drei Wochen war Georg Christoph Seebaß in der Lage "höheren Ortes anzuzeigen, der Bau der neuen Hütte zum Pilgrims Teiche sei so weit" voran getrieben worden, dass lediglich "noch einige Wände zugemauert werden" müssten.
Derzeit sei er "mit dem Bau der neuen Oefen begriffen".
Georg Christoph Seebaß hat auch die Bauerlaubnis "zu einer geringen Wohnung für irgend einen Fabrikanten" beantragt, schließlich sollte der "Fabrikant" auch außerhalb der Arbeitszeit die Glashütte in Aufsicht haben.[3][9]
Nach dem zerstörerischen Brand war in Pilgrim zunächst die sandsteingedeckte Glasofenhalle neu aufgebaut worden (28,5 x 14,25 m) mit
-
zentraler Schmelzofen
-
6 Kühlöfen
-
Temperofen
- 2 Tonstuben.
Ihr folgten ein Krug und "wegen der Feuersgefahr" ein „Schlafhaus“ für die Hüttenarbeiter.
Zudem wurde ein "Aschebett" an die Ofenhalle angebaut und ausgelagert wurden Holztrockenöfen und ein Holzschuppen errichtet.
Für den Revisor Georg Christoph Seebaß verursachte in seinen ersten Pachtjahren der Neubau Kosten, zudem kam "an 300 Taler Verlust an Glase".[12]
Später kamen noch Wohnhäuser hinzu, die von Schorborn aus verwaltet wurden.
Geografische Lage der "Glashütte Pilgrims T.(eich)" [1]
Gastwirtschaft
Der im Zusammenhang mit dem Neubau der Grünglashütte errichtete Krug wurde von Johann Paulus Stümpel (1727-1793), "Gastwirt zum Pilgrimsteich", betrieben.[26]
Sein ältester Sohn Georg Carl Theodor Stümpel (1770-1822) war Tafelglasmacher.[27]
Aus dem sechs Jahre nach der Werksschließung erstellten "Vermessungs=Riss der bey Pilgrim belegenen Grundstücke" vom 09. September 1847 geht hervor, dass es am nordwestlichen Ufer des Pilgrimsteich einen "Kruggebäude" gegeben hat.[28]
Um 1786 - Zuschussbetrieb und Kurzarbeit
Bei einer 40 Stundenarbeitszeit wurden 1786
-
810 Kisten im Zylinderverfahren gefertigtes Fensterglas
-
300.000 große Hohlglasflaschen
- 75.000 kleine Hohlglasflaschen
hergestellt.
Bereits zu diesem Zeitpunkt war aber nach zehnjährigem Betrieb die Rentabilität von Pilgrims "grünen Hütte" stark beeinträchtigt; ohnehin soll die Glashütte nie rentabel produziert haben.
Hierzu trugen ganz wesentlich bei
-
die unvermeidliche Holzverknappung in der Umgebung der Glashütte
-
die Entlegenheit der schlagreifen Holzreviere
-
die sich hieraus ergebenden hohen Fuhrlöhne
- das unrationelle, völlig veraltete Verfahren der Holztrocknung
- die preisgünstigere "ausländische" Hohlglas-Konkurrenz.
Die Grünglashütte verbrauchte "in 40 Wochen vollen Betriebes"
- 360 Klafter 5 füß. "buchenes Scheitholz"
- 600 Klafter 3 füß. "buchenes Scheitholz"
- 720 Klafter "Schörholz" (Birkenholz)
Das hierzu erforderlichen Brennholz kam aus entlegenen schlagreifen Holzrevieren:
- Pilgrimsköpfen und Höxschen Holze
- Buchholz, Steinlade, Rephey und Heidelbrink
- Hellenthaler Wege, Hülsebruch und Kohlenbrink
Zur Einschränkung des immensen Holzverbrauchs wurde daraufhin die Reduzierung der jährlichen Betriebszeit um rund 30 % notwendig - von bislang 46 auf nunmehr 32 Wochen.
Dies führte im Gegenzug zu einem Mangel an Bouteillen im Braunschweiger Herzogtumm da mit zunehmendem Wohlstand auch der Weinflaschenbedarf gestiegen war.
Die Hüttenarbeiter waren somit 20-26 Wochen im Jahr ohne Beschäftigung und auf einen Nebenerwerb oder Berufswechsel angewiesen.
Andere verschuldeten sich so hoch, dass sie ihre Grundstücke verkaufen mussten.
Auch kam es zur Abwanderung von Glasmachern mit ihren Familien, die sie zu anderen Glashüttenstandorten führte.
Somit verringerte sich kontinuierlich die Hüttenbelegschaft - bis schließlich der Hüttenbetrieb nach mehr als sechs Jahrzehnten zu Michaelis 1842 endgültig eingestellt wurde.
1795 - "Plan von der Pilgrimsteicher Glashütte"
Gebäudeüberblick: "Plan von der Pilgrimsteicher Glashütte" 1795 [23]
Die "Explicatio" zum "Plan von der Pilgrimsteicher Glashütte" aus dem Jahr 1795 [23] weist folgende Gebäude und Bewohner*innen aus:
-
№1. das Schlafhaus.
-
a (2) " Magazin und der Pferdestall
-
b der massive Abtritt
-
- 3. des Glasmacher Ludwig Stenders Wohnhaus
-
- 4. Stempels Erben Wohnhaus
-
- 4a dazugehörige Stall.
-
- 5. das Glashüttengebäude.
-
- 5a - " Wohngebäude.
-
- 5b - " Aschebette.
-
- 6. - " Trockenhaus.
1842 - Werksschließung
Letztlich erschöpften sich um den Pilgrimsteich allmählich die ehemals reichlichen Holzvorräte, so dass „Kurzarbeit“ eingeführt wurde und mancher Hüttenarbeiter zu auswärtigen Glashütten wechselte.
Nachdem 1842 der Glashüttenbetrieb endgültig eingestellt worden war, bestanden 1854 nur noch ein Wohnhaus mit 11 Bewohner*innen.
Im Gegensatz zu Schorborn kam es bei der 1775 als Filiale der Schorborner Glashütte gegründeten Grünglashütte am Pilgrimsteich nicht zur Entwicklung einer dörflichen Siedlung im Solling.
Archäologisches Denkmal
- Fundstelle: Merxhausen, Forst 5, Merxhausen (Gfg) │ ID: 28903057
Die ehemalige "grüne" Glashütte in der Gemarkung Heinade mit der Denkmal-FStNr. 7 wurde als archäologisches Baudenkmal in das Verzeichnis der Kulturdenkmale des Landes Niedersachsen eingetragen, um es dauerhaft zu erhalten.[25]
Die Einschätzung als Kulturdenkmal ergibt sich aufgrund der geschichtlichen Bedeutung.
Damit ist das Kulturdenkmal unter gesetzlichen Schutz gestellt (Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz).
Blick ins Bodenarchiv
Vielzahl von Flaschensiegeln
Von Bewohner*innen sowie von der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises Holzminden konnte, neben zahlreichen Keramikscherben, eine beachtliche Vielzahl unterschiedlicher Glasfunde und vor allem eine einzigartige Anzahl von Flaschensiegeln aus der Glasproduktionszeit (Flaschenherstellung) im ehemaligen Glashüttenbereich gefunden und leihweise der Studiensammlung der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises Holzminden zur Verfügung gestellt werden.
Darunter befinden sich u. a. auch ein halber Glasknittel (farbloses Glas) aus dem 18. Jahrhundert, Flaschenböden und Flaschenhälse.
Bauliche Relikte der ehemaligen „Grünen Hütte“ in Pilgrim │ Juni 2020
© [hmh, Foto: Klaus A.E. Weber
Glasmacherfamilien und Bewohner*innen
Um 1777
Nach den „Seelenregistern“ [5] sollen um 1777 in dem Weiler am Pilgrimsteich
-
der "Gastwirth" Johann Paulus Stümpel (1727-1793) [13]
- der Hohlglasmacher Johann Philipp Stender (1727-1787) [14]
zusammen mit 14 weiteren Hüttenleuten gewohnt und gearbeitet haben.
Neben der Glashütte befand sich bis 1787 kein Wohngebäude.
Hierzu führte TACKE [3] aus, dass die Hüttenarbeiter mit in Schorborn wohnten, "weil der Glashüttenpächter, Revisor Seebaß, keine Gelegenheit versäumte, zu betonnen, wie schädlich ein Anbau von mehreren Häusern bei der Pilgrimshütte sein würde".
Um 1786
Dem "Verzeichnis der bey den Glashütten zu Schorborn in Arbeit stehenden Fabricanten" aus dem Jahr 1786 sind unter "2. Beym Grünen-Glas-Ofen" Namen und Aufgabe beschäftigter "Glas-Fabricanten" und Arbeiter zu entnehmen:[24]
- als Hohlglasmacher
-
Barttholomäus Seitz
-
Christoph Schreiber
-
Philipp Stender
-
Heinrich Kaufhold
- Ludwig Seitz
- als Vorbläser
- Christian Hirschberg
- als Einträger
- Theodor Stempel
- als Strecker
- Jürgen C. Stender
- als Glasmacher
- Rauls
- als Schürer
- Diekmann
- als Kistenmacher
- Ruhe
- als Tonstampfer
- Bremer
Um 1793
1793 zählte der „Weiler“ am Pilgrimsteich bereits sechs Feuerstellen bei 58 Einwohner*innen.
Dies sei die höchste jemals erreichte Einwohnerzahl gewesen.[8]
Wahrscheinlich waren die meisten "Fabricanten" und Arbeiter von Schorborn nach Pilgrim umgezogen.
Um 1800
Um 1800 lebten nach Angaben von BLOSS [2] folgende Glasmacher zusammen mit ihren Familien in dem Weiler „am Pilgrimsteich“:
- Glasmacher und Schürer: Johann Christian Dieckmann (1783-1841) [15]
- Grünglasmacher: Johann Heinrich Friedrich Kaufholt (Kauffelt?)
- Glasfabrikant: Johann Heinrich Christoph Kaufholz (Kauffold?)
- Glasfabrikant/Strecker: Heinrich Christian Stender (1791-1840) [16]
Zu diesen älteren Angaben von BLOSS [2] und OHLMS [5] sind nach den genealogischen Kirchenbuchforschungen von NÄGELER [17] folgende Ergänzungen vorzunehmen:
Diekmann
Jürgen Christoph Diekmann, Sohn aus der Ehe von Anna Maria Eikenberg (1815 in Schorborn verstorben) und des 1813 „in Pilgrimsteich“ verstorbenen Johann Heinrich Diekmann, war „Grünhohlglasmacher“ in der Glashütte von Schorborn.
Er heiratete im Dezember 1811 in Heinade die dort geborene Maria Eleonora Oberg, die 1844 in Hellental verstarb.
Ein Sohn aus dieser Ehe war der 1813 geborene und 1877 in Schorborn verstorbene Hüttenmeister Heinrich Christoph Wilhelm Diekmann.
Ein weiterer Jürgen Christoph Diekmann war „Glasfabrikant“ und um 1811 „Grünhohlglasmacher in Pilgrim“.
Kauffold
Johann Heinrich Christoph Kauffold wird als „Glasfabrikant“ in Pilgrim ausgewiesen.
Stender
Heinrich Christian Stender war um 1814 als „Strecker“ am „Pilgrimsteich“ beschäftigt.
Er war 1791 in Schorborn zur Welt gekommen, wo er auch 1840 verstarb.
1814 hatte Heinrich Christian Stender in Heinade Dorothea Catharina Conradine Oberg geheiratet.
Ein Sohn aus dieser Ehe, Carl Heinrich Friedrich Christoph Stender, war ebenfalls an der Glashütte „in Pilgrimsteich“ tätig gewesen.
Er heiratete 1845 in Heinade Hanne Karoline Catharine Frome.
Rauls
Der „Glasmacher“ Friedrich Rauls war vor 1832 in Pilgrim zur Welt gekommen.
Ruhen
Dass in der Glashütte „zum Pilgrimsteich“, neben den Hauptakteuren der Glasmacher, auch zusätzliche Fachhandwerker beschäftigt waren, wird durch den Nachweis bestätigt, dass Johann Christoph Ruhen Kistenmacher „zum Pilgrimsteich“ war.
Bremer
Der 1734 in Hellental geborene und dort 1806 verstorbene Anton Bremer war „Tonstampfer bei der Pilgrimmer Glashütte“.
Bock
Johann Heinrich Anton Bock wurde 1779 als Sohn von Heinrich Bock und dessen Ehefrau Maria Sophia Ekhard „in Pilgrimsteich“ geboren.
Pilgrim 1812-1854
Im Jahr 1812 - 37 Jahre nach der Hüttengründung - bestanden am Hüttenstandort Pilgrim nur noch zwei Wohnhäuser mit 30 Einwohner*innen, um 1823 waren es noch 32 Einwohner*innen.[3][9]
Die Wohnhäuser sollen nach und nach abgerissen und größtenteils in Heinade oder Deensen für Neubaumaßnahmen verwendet worden sein.
Lediglich das Verwaltungsgebäude soll als landesherrliches Eigentum erhalten geblieben sein.
Es dient heute seinem Besitzer als Wohnhaus.
Zwischenzeitlich soll das Anwesen als Dienstgebäude eines Forstwartes gedient haben, der es später auch als Eigentum erworben habe.
Der Forstwart Stender gilt als letzter Forstwart in Pilgrim.
Er habe das Anwesen am Pilgrimsteich etwa um 1900 an den Handelsmann Kuhlmann (fahrender Käsekaufmann) verkauft.
Pilgrim 1802/1803
Pilgrim im Amt Allersheim mit der dortigen Filialglashütte werden in der Beschreibung, die „Sr. Herzoglichen Durchlaucht Herrn Karl Wilhelm Ferdinand regierendem Herzoge zu Braunschweig=Lüneburg unterthänigst gewidmet“ ist, geographisch-statistisch von von HASSEL/BEGE 1802 [11] und 1803 [4] dargestellt.
1802
„Die Glashütte zu Pilgrimsteich im Sollinge und am Pilgrimsteiche.
Sie stand ehemals zu Schorborn, und ist wegen der großen Holzkonsumtion 1776 hierher verlegt.
In dem Hüttengebäude befindet sich 1 Schmelz= und Kalcinir=, auch 6 Kühl= und 1 Temperirofenm und 2 Thonstuben.
Außerdem liegt gleich darneben das Trockenhaus mit 2 Trockenöfen, das Schlafhaus und Magazin.
Sie liefert lauter grünes Fenster= und alle Sorten Hohlglas, Bouteillen, Destillirkolben ϰ [usw.].
Die rohe Asche, besonders Salzasche, wird von Nordheim, Eimbeck und aus dem Hildesheimschen, der Sand aber vom Neuenhause hergeholt.
An der Hütte arbeiten 27 verschiedene Fabrikanten, worunter 1 Werker, 1 Strecker, 1 Aufbläser, 2 Schürer, 1 Anfänger, 5 Hohlglaser, 4 Burschen, 4 Einträger, 2 Schürgehülfen, 2 Holzschieber, 1 Kistenmacher, 2 Thonstampfer, 1 Aschensichterinn und 1 Glaseinfasserinn befindlich sind.“
1803
„Pilgrim oder Pilgrimsteich, ein Hüttenort, ¾ St. [Stunde] im Südosten von Schorborn im Sollinge und am Pilgrimsteiche, der erst in neueren Zeiten entstanden ist, und sein Wasser aus dem starken nie versiegenden Pilgrimsbrunnen erhält.
Er ist nach Schorborn eingepfarrt und besteht aus den Hüttengebäuden und überhaupt aus 6 Feuerst. [Feuerstellen] und 58 Einw. [Einwohner*innen], wovon aber ein Theil zu Schorborn wohnt.
Diese Hütte stand ehemals zu Schorborn, und ist wegen der großen Holzkonsumtion 1776 hieher verlegt.
Zur Hütte gehören das Hüttengebäude, worin ein Schmelz= und Kalcinir=, auch 6 Kühl= und 1 Temperirofen, nebst Komtoristenstube, 2 Thonstuben und 2 Wohnungen für Arbeiter sich befinden, das massive Trockenhaus mit 2 Trockenöfen, das Schlashaus und das Magazin, neben welchem 2 Pferdeställe stehen.
Außerdem ist ein Krug und ein Fabrikantenhaus vorhanden.
Sie liefert lauter grünes Fenster= und alle Sorten Hohlglas, Bouteillen, Destillirkolben ϰ [usw.].
Holzbedarf 1814
Nach den Angaben des Hüttenpächters Friedrich Christian Wener Seebaß (1769-1843) vom 20. August 1814 "verbrauchte in 40 Wochen vollen Betriebes" die Pilgrimer Hütte folgende Holzmenge [18]:
- 360 Klafter 5 füß. "buchenes Scheitholz"
- 600 Klafter 3 füß. "buchenes Scheitholz"
- 720 Klafter "Schörholz"
Hüttenbelegschaft und Verdienste 1786/1802
1786
Hüttenbelegschaft um 1786 mit Jahresverdienst (in Thalern) [3][11]:
- 4 Hohlglasmacher 112
- 3 Hohlglasmacher-Lehrburschen 35-60
- 2 Werker 100
- 2 Vorbläser 80
- 2 Anfänger 40
- 2 Strecker 80
- 2 Schürer 100
- 1 Holzschieber 50
- 1 Aschesichterin (Aschesieberin) 40
- 1 Kistenmacher 75
- 2 Einträger 20-26
- 2 Schürjungen 23
- 1 Holzaufseher 40
- 1 Tonstampfer 40
- 1 Einfasserin (Packerin) 20
1802
An der Hütte arbeiten um 1802 [11]
27 verschiedene "Fabrikanten":
-
1 Werker
-
1 Strecker
-
1 Aufbläser
-
2 Schürer
-
1 Anfänger
-
5 Hohlglaser
-
4 Burschen
-
4 Einträger
-
2 Schürgehülfen
-
2 Holzschieber
-
1 Kistenmacher
-
2 Thonstampfer
-
1 Aschensichterinn
-
1 Glaseinfasserinn.
_______________________________________________
[1] KRAATZ 1975.
[2] LEIBR 2008, S. 143 Abb. 4 - nach TACKE 1967; OHLMS 2006, S. 18-19.
[3] TACKE 1943, S. 139-140.
[4] HASSEL/BEGE 1803, S. 334-335 (10.).
[5] BLOSS 1950a, S. 31-32.
[6] Ob es sich hierbei, wie von BLOSS angegeben, tatsächlich ausschließlich um eine „Grünglashütte“ handelte, ist anhand aktueller Erkenntnisse bei archäologischen Grabungen zu hinterfragen (isolierte, lokale Weißglasfunde durch die Archäologische Denkmalpflege des Landkreises Holzminden).
[7] TACKE 1943, S. 139; Quellenangabe bei TACKE [1943]: LWH. Alte Berg- und Hüttensachen 185, Vol. I.
[8] RAULS 1983, S. 319; TACKE 1943, S. 139.
[9] TACKE 1943, S. 139.
[10] LILGE 1995, S. 30.
[11] HASSEL/BEGE 1802, S. 164-165 (3).
[12] BLOSS 1950, S. 28.
[13] NÄGELER 2013 Ziff. 1408.
[14] NÄGELER 2013 Ziff. 1360.
[15] NÄGELER 2013 Ziff. 187.
[16] NÄGELER 2013 Ziff. 1369.
[17] NÄGELER 2013.
[18] OHLMS 2006, S. 22.
[19] ARNOLDT/CASEMIR/OHAINSKI 2006.
[20] Edition: ARNOLDT/CASEMIR/OHAINSKI 2004.
[21] BLIESCHIES 2007, S. 56.
[22] BLIESCHIES 2007, S. 57.
[23] BLIESCHIES 2007, S. 58: HSTA Hannover, Kopie (ohne Angabe der Signatur).
[24] BLIESCHIES 2007, S. 58-59: NLA WO, 4 Alt 4 Nr. 215.
[25] Mitteilung über die Eintragung im Verzeichnis der Kulturdenkmale des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Abteilung A, vom 12. Januar 2021 an die Gemeinde Heinade.
[26] NÄGELER 2013 Ziff. 1408.
[27] NÄGELER 2013 Ziff. 1409.
[28] BLIESCHIES 2007, S. 59.
[29] BLOSS 1950a, S. 16.
[30] STEINACKER 1907, S. 197.
[31] LGLN: Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen │ GeobasisdatenViewer Niedersachsen.